Der Mann der tausend Hits
Albert Hammond, Tollhaus, Karlsruhe, 23.10.2014
Da kommt ein Mann auf die Bühne mit der Ausstrahlung eines 20jährigen Studenten, der gerade seine Schüchternheit überwunden und ein Date mit der Dame seines Herzen arrangiert hat. Dabei ist der Mann, der da in Turnschuhen und Jeans mit einem halb verlegenen, halb siegessicheren Lächeln ins Rampenlicht des ausverkauften Tollhauses schlurft, ein 70 Jahre alter Mega-Star im Songschreiber-Olymp: Albert Hammonds Songs, von ihm und anderen Stimmen interpretiert, haben sich hunderte Millionen mal verkauft.
2005 sei ihm die Idee gekommen, nach endlosen Jahrzehnten der Bühnenabstinenz wieder auf Tour zu gehen. Er habe erst gar nicht so recht gewusst, und überhaupt er sei ja ein alter Mann, und das alles quasi noch unfertig… aber es werde so nach und nach. Fishing for compliments? Kaum. Hammond ist wohl wirklich so bescheiden, und offenbar getrieben von der romantischen Vorstellung, seinem Publikum ganz nahe zu sein, ihm in die Augen zu schauen, Hände zu schütteln, viel Zeit für Autogramme zu haben. Was nun unter dem Titel „Songbook“ folgt, ist ein zwei Stunden langer Streifzug durch die Popgeschichte und für die meisten Besucher ein Anlass, emotionale Wallungen von früher neu zu durchwallen. Kaum jemand, der nicht irgendwann von einem Song dieses erstaunlich kleinen Mannes berührt worden wäre. Neben seinen Hits wie „I’m A Train“, oder „IT neber rains in Southern California“ spielt er so viele Hits, bei denen selbst Kenner immer wieder erstaunt feststellen: Ach was! Das hat er also auch geschrieben? Erinnert sich noch jemand an das lustige „Little Arrows“, das in den 60er Jahren von Caterina Valente gesungen wurde? Oder „Freedom Come, Freedom Go“, diese doch schon arg bubblegum-infizierte Nummer der Fortunes. Alles Albert Hammond. Oder die krachende Powerballade „I don’t Wanna Live Without Your Love“, die Chicago nach langer Durstrecke 1984 wieder einen Hit bescherte. Und von seiner Band breitbeinig über die Rampe geschoben wird. Whitney Houstons „One Moment In Time“ klingt in der Version des Komponisten deutlich zuckerfreier, ebenso Leo Sayers Hit „When I Need You“. Mehr Feierlichkeit, weniger Klebrigkeit.
Höchst amüsant sind die Geschichten, die er zu den Songs erzählt. Als sich Johnny Cah von ganz oben zu ihm herunterbeugte und brummte „Son, do you think you can write a song for me?“. Hammond konnte, Cash kochte ihm dafür Chili con carne. Oder die Geschichte, wie er Julio Iglesias „To All The Girls I Loved Before“ unterjubelte, mit dem weder Tom Jones noch Engelbert einen Hit landen konnten. „Den habe ich gerade eben für dich geschrieben“, schwindelte er dem ahnungslosen Spanier auf einer Autofahrt zum Studio vor. Der war begeistert. Hammond holte noch Willie Nelson dazu, weil er das Gefühl hatte, der Cowboy und der Playboy wären die perfekte Kombination. Er behielt recht.
Nach rund 30 Songs endet die Zeitreise mit der Erkenntnis, dass nicht der Familie Popolski aus Zabrze die gesamte Popmusik erfunden hat, sondern Albert Hammond aus London. Und das mit Standing Ovations begeleitete Free Electric Band erklärt als Finale, worum es überhaupt geht. Im Leben, im Universum und überhaupt: „Just give me bread and water put a guitar in my hand cause all i need is music and The Free Electric Band“