Der den Himmel küsst

Randy Hansen spielte Hendrix in der Bruchsaler Fabrik 30.4.2008

Jimi Hendrix lebt. Zumindest von weitem sieht der Mann, der da am vergangenen Mittwoch in der Bruchsaler Fabrik gut 200 Fans begeisterte, dem 1970 gestorbenen Gitarrengott ziemlich ähnlich. Die Frisur, der Hut, die bunten Tücher, die Schlaghosen und das Flower Power Hemd. Allerdings ist der Mann da oben auf der Bühne weiß und Rechtshänder und mittlerweile doppelt so alt, als Jimi bei seinem Tod war. Randy Hansen hat Hendrix einmal live in beider Heimatstadt Seattle gesehen, da war er 16 und sein Idol bald danach tot. Aber dessen Musik veränderte das Leben des jungen Mannes radikal. Zwar war er schon ein gelehriger Gitarrenschüler und stand auf die Ventures, die Young Rascals und natürlich die Beatles. Als er Hendrix hörte, fing er Feuer und wusste, dass er mehr wollte als Gitarre spielen, er wollte so spielen wie Hendrix.

Die Show in Bruichsal beginnt mit einem Bass-Solo von Ufo Walter, Momente später fliegt Hansen förmlich auf die Bühne, Drummer Manni von Bohr treibt mit seinem dynamischen Spiel das Trio in wenigen Sekunden auf Dienstgipfelhöhe. Hansen feuert aus allen Rohren: „Can you see me“, „Fire“ und schon reißt er die Gitarre hoch, spielt mit den Zähnen und es ist wieder 1969 und (das im Schnitt erstaunlich junge Publikum) fühlt den schlammigen Boden von Max Yasgurs Farm in Woodstock unter den Füßen schwingen.     

Wer ganz vorne an der Bühnen kante steht, der spürt die Energie dieses Mannes (und die Aura des Originals), mit der man ein kleines Kraftwerk betreiben könnte. Was Hansen da treibt, ist kein bisschen peinlich, ist keine Leichenfledderei. Das ist nicht „kalt angelernt“, das muss so offensichtlich einfach raus. Klar, Hansen hat Hendrix’ Spieltechnik, seine Gesangstil genau studiert, verinnerlicht, ins Unbterbewusstesien abgesenkt, dass daraus ein eigene, frei fließende Interpretation wird. An „Spanish Castle Magic“ hängt er eine unprätentiöse Version des Deep Purple Klassikers „Hush“ hinein, in „Are you experienced“ baut er ohne große Gesten Ravels „Bolero“ ein, als sei es ein organischer Teil der Hendrix’schen Klangeruptionen. Spätestens hier merkt jeder, mit welch traumwandlerischer Sicherheit sich Bassist Ufo Walter und Drummer Manni Von Bohr an die Windungen und Abzweigungen anschmiege, die Hansen in seinen manchmal ausufernden Improvisationen nimmt. Das ist das blinde Verständnis einer zehn Jahre lang eingespielten Band, die ihren Spaß dabei hat, diese vermeintlich historische Musik jeden Tag auf der Bühne neu zu erfinden, die ihren eigenen Stil spielt, der aber immer „true to the spirit“ der Originale ist, und dabei zeigt, wie man swingen und brachial rocken kann, manchmal beides fast gleichzeitig. Hansen lässt seine Gitarre sprechen, vollmundig, sämig, farbiger als das dezente Licht.

Er sagt nicht viel. „Thank you for comin’ out tonight“, ein anderes Mal hält er eine flammende Rede gegen George Bush, um dann in eine nachgerade beängstigende Version von „All along the Watchtower“ einzufallen. Bass und Schlagzeug pumpen wie die Maschinen eines Schiffs in schwerer See, verschieben die Akzente, betrachten den Song aus einem anderen Blickwinkel, ohne ihn zu verfremdem, schieben am Schluss etwas ein, was fast wie ein Beschwörungstanz klingt, bleiern schwer. Menschen auf Barhockern weit weg von der Bühne greifen zu unsichtbaren Gitarren: „Voodoo Child“, dann kommt der Nebel auf der Bühne und endlich auch die erlösenden Akkorde: Purple Haze. „Excuse me, while I kiss the Sky“. Exakt.