Ingloriuos

Frontiers Records / VÖ: 19.2.2016

Alter Rock von jungen Leuten

Als hätte es Punk nie gegeben, als wäre Grunge nur eine vorübergehende Verstimmung im Bereich der tiefergelegten Gitarrentöne gewesen: Immer mehr junge Bands haben sich der klassischen Rockmusik verschrieben, wie sie uns die Altvorderen seit Deep Purple und Led Zeppelin vorexerzierten. Inglorious ist ein weiterer Apfel, der nicht weit von diesem Stammbaum fällt.

Sein Kern ist der Sänger Nathan James, der ausgerechnet durch die „Superstar“-Casting Show des Fernsehsenders ITV bekannt wurde. Er hat mit Uli Jon Roth gearbeitet, war auf Tour mit dem Transsiberian Orchestra und stellte 2014 ein Youtube-Video seiner Band mit einem Cover des Deep Purple-Klassikers „Burn“ ins Netz. Geburtshelfer des Debütalbums waren als Songschreiber Al Pitrelli und Joel Hoekstra, als Gastgitarristen und amtlicher Qualitätsnachweis treten Micky Moody und John Mitchell auf. Das Album aber beginnt mit Orgel: Ein Jon Lord Gedächtnis-Röhren stellt die Weichen für über 45 Minuten schweisstreibende, gefühlsechte und handwerklich hochkompetent gespielte Musik zwischen Deep Purple, Led Zeppelin und Whitesnake. In jedem Solo, in jeder Gesangslinie, in jedem Arrangement wird die Liebe zu dieser Musik und zu den kleinen Details, die sie ausmachen hörbar. Da ist der leiernde, repetitive Riff im Opener, der unwiderstehliche Drive von ›Breakaway‹, die Gitarrensoli, die im Zweifelsfall näher am Blues denn am Turbo-Highspeed-Hardrock, und damit den frühen Whitesnake nicht unähnlich. Da ist das beklemmend groovige ›Holy Water‹ das in seiner geradezu beängstigenden schleppenden Schwere an die frühen Free erinnert – nur eben mit dem Sound des 21. Jahrhundert, bis sich ein Gospel-artiger Refrain Bahn bricht und sich Nathan James am Ende mit geächztem „Baby, baby, baby“ dem Coverdale als Zwilling anverwandelt. Überhaupt: dieser Kerl ist bei Leibe kein eindimensionaler Klischee-Sänger mit dicken Eiern. Was er zu bieten hat, führt er kompakt in Bleed For You auf: Schmerz, Stolz, sogar einen Hauch von Theatralik, den er dieser verschwitzten, bodenständigen Musik einhaucht, ohne dass es aufgesetzt wirkt.

8/10