Niedersächsisches Barock

Jane in der Fabrik, Bruchsal, 27.10.2010

Bands wie Jane, die zu den Vätern des Krautrock zählen, können auf eine kleine, treue Fangemeinde zählen, die ihre Helden mit lautstarker Verehrung begrüßt. So war es auch am Mittwochabend in der Fabrik in Bruchsal. Kaum blasen die Hannoveraner die ersten opulenten Töne ihres voluminösen, orchestralen Sounds in den Raum ist war eitel Verzückung, offener Mund und Ausdruckstanz das Gebot der Stunde. Der Song „All My Friends“ weist den Weg zu einer intensiven Party für vielleicht 150 Gäste.

Am 5. Dezember 1970 trat die Band zum ersten Mal auf, seither ist sie durch Höhen und Tiefen gegangen, Ur-Mitglied und Schlagzeuger Peter Panka ist 2007 gestorben und wurde durch Fritz Randow (einen der profiliertesten Drummer der deutschen Rock- und Hardrockszene) ersetzt – allein: der Sound der frühen Jahr ist geblieben. In welche Epoche der Bandgeschichte die Herren auch an diesem Abend auch eintauchen, alles hat die immer gleichen Markenzeichen: Deren erstes das grundsätzliche Verbot von Tempo ist. Musiziert wird ausnahmslos im unteren Midtempobereich, auf dass sich die schwellenden Keyboards, die fetten Orchesterklänge, die sämigen Gitarrensoli und das konsequent schwerfällige Schlagzeug zu ihrer wahren majestätischen Größe aufpumpen können. Hohler Bombast? Ach, das ist hier nicht die Frage. Grundsätzliche musikalische Einwände verfliegen schnell, wenn man sieht, mit welcher Leidenschaft Bassist, Sänger und Urgestein Charly Maucher im tosenden Orkan des harmonischen Wohlklangs herumfuhrwerkt und das Schiff wie einen Supertanker auf hoher See steuert.

Der Teufel steckt im Detail: das ist beispielsweise dieses hypnotische Gitarrenlick im aktuellen „Hurricane“, von Maucher gar als politisch Lied angekündigt. Da ist die Arbeitsteilung der beiden Gitarristen Klaus Walz und Arndt Schulz. Ersterer sorgt für die pink-floydischen Wohlfühlsoli, Schulz spielt eher schräg, erratisch, manchmal auch sehr bodenständig und bringt differenzierte Sounds ins Klangbild. Hinten wuchtet Fritz Randow (der unter anderem fünf Jahre für die britischen Metal-Haudegen Saxon spielte) am Schlagzeug mit großer akrobatischer Eleganz tonnenschwere Lasten. Und der junge Corvin Bahn schüttet fast durchgehend tonnenweise Keyboard-Kleister aus.  

Natürlich ist der frühe Jane Klassiker „Daytime“ ein verblasenes Machwerk aus Uriah-Heep-Getöse, klassikähnlichem Süßstoff und pervertiertem Blues – und klingt heute genauso wie damals: als Vorstellung musikalischer Größe, wie sie allerorten von überambitionierten Schülerbands ins Werk gesetzt wurde. Aber die Konsequenz und Ernsthaftigkeit, mit der die Herren das im 21, Jahrhundert auf der Bühne zelebrieren, hat durchaus Charme. Und gelegentlich hört man auch kleine Veränderungen, etwas im leicht ländlich angehauchten „For The Better“, das dank Arndt Schulz ziemlich lässig ist und dazu eine lockere Gitarre mit einem fließenden „Twang“ spielt. Und man hört immer wieder diese unbändige Lust, einfach drauflos zudaddeln, etwa wenn in „Hangman“ eine unbändige Boogie Jam entsteht, bei der man sich über Minuten fragt „wie kommen die da jetzt bloß wieder raus?“. Allen Fritz Randow Fans sie noch mitgeteilt: ja, er kann’s noch. Das akrobatische Schlagzeugsolo, bei dem auch mal mit drei Drumsticks gespielt wird. Allein das ist das Eintrittsgeld schon wert.