Eclipse

Frontiers Records / VÖ: 24.5.2011

Mal ganz ohne Lip Gloss

Man mache einfach mal ein Experiment und beginne mit Track 2, Edge Of the Moment‹, und stelle sich dabei vor, Ian Gillan würde das singen. Na? Geht doch! Was nicht heißen soll, dass Arnel Pineda plötzlich singt wie Gillan. Aber: Journey haben nach dem überflüssigen Stillstand-Album Revelation offenbar beschlossen, erwachsen zu werden und mehr zu tun als den Soundtrack der ewigen Liebe zu liefern, die von der Highschool und Petting auf dem Rücksitz mit der akkurat fönfrisierten Dame bis zum Häuschen mit Vorgarten und akkurat geschnittenem Rasen und zwei adretten Kindern reicht.

Die größte Überraschung ist nämlich Arnel Pineda, der in den ersten drei Songs, allesamt unterbrettert von den heftigsten Neal Schon Riffs seit Jahren, offenbar beweisen will: Ich bin eben doch nicht Steve Perry. Der Mann entwickelt Identität, gibt einem härteren Sound Gesicht und Stimme, Hut ab dafür. Schon zeigt unterdessen in Chain Of Love‹, dass er ein paar Riffs kennt, die auch Jimmy Page sicher gern erfunden hätte. Wenn dann bei Tantra zum ersten Mal das Bedürfnis hörbar wird, den Journey-Fans der balladesken Gewichtsklasse Honig ums Ohr zu schmieren, dann passiert das auf so unkitschige Art wie selten. Denn auch hier gilt: Weg vom einfachen Strophe-Refrain-Strophe-Schema, hin zu epischer Breite mit Raum für „richtige“ Gitarrensoli. Und Raum, Songs die Luft zum atmen zu geben, zum Aufbau einer inneren Spannung, ohne dass immer gleich mit fetten und vorhersehbaren Refrains geklotzt werden muss: Resonat etwa schleicht sich ins Ohr und entwickelt sich bei mehrmaligem Hören zum Monolith gepflegter Dramaturgie. In Human Feellässt Jonathan Cain auf einen Jungle Groove gar eine archaische Schweineorgel brüllen. Wer auf neues gespannt ist, kann danach eigentlich den CD-Player abstellen. Gegen Ende gibt’s dann noch ein Viertelstündchen Rückfälle in bekannte Muster. Solide, aber wenig spannend.

9/10