Lautstarke Familienunterhaltung

Journey, 11.6.2008, Schwarzwaldhalle Karlsruhe

Es ist eine klassische „vom Tellerwäscher zum Millionär“-Story: Arnel Pineda, ein Sänger aus Manila, der sich aus ärmlichsten Verhältnissen immerhin zu einer popmusikalischen Größe seines Heimatlandes emporgearbeitet hatte, stellt Kostproben seiner Sangeskunst auf YouTube ins Internet, und Neal Schon, Gitarrist von Journey, dem hochglanzpolierten Flaggschiff amerikanischer Mainstream-Familienunterhaltung, sieht Pineda dort Journey-Songs singen, und weiß: Der ist mein Mann. Also versucht er Kontakt aufzunehmen, aber Pineda glaubt zuerst nicht, dass es wirklich Neal Schon ist, der ihn da anmailt. Als er schließlich doch antwortet, ist Schon zehn Minuten später am Telefon und lädt den Sänger zu Proben nach Kalifornien ein.

Das Ergebnis: Das Album „Revelation“, gerade vergangenen Woche veröffentlicht, und die dazugehörige Tour. Mag sein, dass die Fans noch mehr Zeit gebraucht hätten, um dieses ganz in alter Tradition durchgestylte Werk zu verdauen. So verirren sich dieses Mal nur rund 1500 Hartgesottene in die Schwarzwaldhalle. Die bekommen dann allerdings auch (abgesehen vom unterirdischen Schwarzwaldhallen Sound) Vollbedienung in Sachen Hits aus mehreren Jahrzehnten. Mit „Never Walk Away“ startet die Band zwar mutig mit einem aktuellen Song, aber viel mehr Mut gibt es nicht. Dafür macht Pineda in fünf Minutenklar: Ich bin der neue Steve Perry. Intonation, Stimmlage, Brunst und Inbrunst, Schmalzfaktor – alles stimmt. Vermutlich deshalb ist er genau der Mann, den Bandgründer Neal Schon haben wollte, und darin unterscheidet er sich von Interims-Sänger Jeff Scott Soto, der die Hits im vergangenen Jahr in der Europahalle doch in Nuancen eigenwilliger interpretierte.

Die ersten 20 Minuten des Konzertes sind geprägt vom unüberseh- und hörbaren Drang, etwas beweisen zu müssen. Jugendliche Frische? Rockkraft? Daseinsberechtigung? Der winzig kleine Pineda reißt sich schier in Stücke, als gelte es, gleichzeitig vorzuturnen und zu singen. Mit „Stone In Love“ wird die Hardrockfraktion bedient. Trotz äußerst vagen Gesamtklanges sind diese Mal Neal Schons gitarristische Eskapaden akzentuiert vernehmbar, und tatsächlich ragt vieles, was der einstige Santana-Sidekick da spielt, über klischeehaftes Gegniedel hinaus. Wobei gelegentlich weniger mehr wäre.

Es gibt wenig Überraschungen im Set. Hatte man sich im vergangen Jahr sogar noch Rückgriffe in die Frühphase der Band zu Zeiten von Gregg Rolie erlaubt, setzt die Setlist eher auf Nummer sicher. Gut, da ist eine kurze Bluessequenz, bei der Schon an der Akustischen mit Keyboarder Jonathan Cain, der zu Mundharmonika greift, ein etwas deplatziertes „Back To The Roots“-Spielchen spielt, aber dann wird die rosablausilber blinkende Jukebox angeworfen: „Wheel in The Sky“, das wie schon seit Jahrzehnten einen Tick zu hektisch gespielt wird, „Who’s Crying Now2“, in dem Neal Schon offensichtlich beweisen will, dass man auch in einer Schmuseballade dicke Gitarrenbretter sägen kann und das unvermeidliche „Open Arms“ sind die Eckpunkte des Hit-Bombardements, unter dessen balladesken Teilen das Publikum wie geplant sehnsuchtsäugig zerschmilzt.

Immerhin eine Rarität packen sie noch vorm Einbiegen in die Zielgerade aus. Das breitbeinige, schwerlastende „Mother Father“ vom 81er Album „Escape“. Wenn Pineda in der ersten Zugabe „Dont Stop Believin“ singt „A Singer In A Smokey Room, The Smell Of Wine And Cheap Perfume“, dann kann man ich, sentimentale Ader vorausgesetzt vorstellen, dass das etwas mit seinem Leben zu tun haben könnte, Oder mit dem amerikanischen Traum.

TZ