Zweimal scharf mit alles
Kensington Road & Voodoo Kiss, Jubez, Karlsruhe, 18.1.2016
Was tun, wenn zum letzten Konzert einer Tour nur ein erlesenes Häuflein wahrer Kenner erscheint, die Jungs von der lokalen Vorband schon mitgezählt? Routiniert sein Programm runterspielen oder ein verschwitztes Familienfest daraus machen? Stefan Tomek, Frontmann der Berliner Band Kensington Road entscheidet sich für letzteres. Auch wenn das akustische Breitwandkino, das sie in ziemlich viehischer Lautstärke auf der Bühne des kleinen Jubez-Saals entfesseln, hier einen Tick überdimensioniert wirkt: Es lässt ahnen, wie gut die Musik auf größeren Bühnen wirken kann.
Die Band hat auf bislang zwei CDs und einer EP Qualitätspop abgeliefert, der sich seinen Weg sucht zwischen dem 80er Jahre Pathos à la Simple Minds und schraddeligem Indie- Rock. Live klingt das alles deutlich zupackender als in den Studiofassungen, denn Tomek und Leadgitarrist René Lindstedt prügeln ein gehöriges Mass Rock in den Pop, ohne die ausgetüftelten Arrangements der Songs plattzuwalzen, an denen Keyboarder Michael Pfrenger hohen Anteil hat. Mal sorgte er für unendliche Weiten durch flirrendes Hintergrundsausen, mal spielt er ganz klassische schmatzende Rockorgel-Soli. Der Hingucker der Band ist Bassmann Dominik Henn, ein Arbeitstier mit beängstigend variablem Groove, das seinen Bass mit solcher Vehemenz bearbeitet, dass man Angst ums Überleben der Saiten und um die körperliche Unversehrtheit seiner Mitmusiker hat.
Die Energie des Liedvortrages setzt das Publikum in Bewegung, das mit dem kleinen Hit „Personal Transcendental Experience“ (2010 immerhin offizieller Song zur DTM Meisterschaft) auf Betriebstemperatur gebracht wird. Der Spaß und Blödelfaktor steigt: Mitten im obligatorischen Schlagzeugsolo ruft Stefan Tomek seinem Drummer Jan Türk zu: „Jazz!, Jazz!“. Der tut, wie ihm geheißen, die Band fällt ein, und Tomek stellt nach einer Minute fest: „Ich merke gerade, das wir keinen Jazz spielen können“. Stattdessen könnte man ja mal von der Bühne runtersteigen und das Publikum in Gänze dorthin stellen. Gesagt, getan. Und dann noch Pascal Petek und Philipp Kunz – Gitarrist und Bassist der Vorband Voodoo Kiss auf die Bühne holen, um zusammen eine ausgefranste Version des Tom Petty Klassikers „Free Fallin“ zu zelebrieren.
Die Twenty-Somethings von Voodoo Kiss haben es aber wirklich verdient: Bei ihrem Support Slot hat die sehr junge Karlsruher Band, die in dieser Besetzung erst seit Juni 2015 spielt, alle Qualitäten gezeigt, die man von einer englischen Bluesrockband der Meisterklasse (und vor allem einer ganz anderen Altersklasse) erwarten würde: Fast ist man geneigt zu glauben, ihre Vorfahren hätten ihnen befohlen, diese Musik neu zu erfinden. Aber nein: Diese fetten Riffs, das dichte Zusammenspiel in den gut geerdeten Songs sind auf ihrem eigenen Mist gewachsen. Sie tragen die Fackel von Bands wie Free oder Bad Company weiter und verfügen mit Sebastian Önder über einen Sänger, der dieser Musik die adäquate Stimme gibt.