Menschen, Tierschau, Sensationen

Die Kleine Tierschau im Tollhaus, Karlsruhe, 11.10.2013

Ach ja, das gibt es also auch noch: Man kommt durchs Publikum in einer Verkleidung auf die Bühne, die brüllt: Guck her, ich bin originell. In diesem Falle sind die Herren Michael Schulig und Michael Gaedt, der lustige Rest der dereinst drei Männer der Kleinen Tierschau, als Wohnmobile verkleidet und singen folgerichtig ihre eigene Version von „Caravan Of Love“. Damit machen sie in den ersten Minuten eine klare Ansage über die Subtilität ihres Humors, den sie in den folgenden zwei Stunden als Verkleidungskünstler und musikalische Chamäleons zelebrieren werden. Soll keiner sagen, er habe nichts gewusst.

Damit das Publikum auch weiss, das es hier einem bedeutenden Jubiläums-Ereignis beiwohnt, trainiert Gaedt mit ihm von Anfang an mit dem Charme eines abgehalfterten Schiffschaukelbremsers das gewünschte Frage- und Antwortspiel: „Zweiunddreißig Jahre“ lautet die Vorgabe, das Publikum darf den Namen der Truppe zurückbrüllen, ähnlich wie im Rockkonzert für ältere Herren mit Bauchansatz. Und vieles, was hier zu zweit mit Unterstützung von vier wuschelköpfigen Go-Go Girls auf die Bühne gebracht wird, hat man schon mal in der 2009er Show – unterm Etikett Grosse Tierschau – gehört, damals etwas stadionmäßiger inszeniert. Da klangen eigentlich metallische Hymnen wie „Beddo“ auch wirklich wie Beton.

Die beiden Kindsköpfe zeichnet jedenfalls handwerkliches Geschick aus: Mühelos wechseln sie Instrumente, Stimmungen und Tempi. Sie können virtuos, aber eben auch bewusst dumpfdoof, etwa wenn sie mit stoischem Blick Gary Glitters „Rock’n’Roll“ als das vorführen, was es ist: die verzweifelte Ödnis eines Songschreibers ohne Idee. Das ist allweil ein Grund zum Lachen, ebenso wie der kunstvoll rückwärts gesungene Blues. Oder „Je ne regrette Rien“, bei dem sich die zwei Kerle in den Takt mit Pet-Flaschen auf die wirren Köpfe hauen.  

Noch schöner – weil auch vom Geiste absurder Komikkonzepte umfächelt – wird es, als zu wüstenstaubtrockenen Klängen von Sascha, dem Go-Go Girl gesungen wird, und Gaedt dazu elegant auf einem dieser modernen Stehroller über die Bühne kurvt. Der wie alle Requisiten blinkt und blitzt. Da oszillieren die Deutungsebenen munter vorm Hirn des wohlgefälligen Betrachters. Wer mag, kann das als Parodie auf die Bühnenshow des Peter Gabriel lesen, und hat dann seinen Spaß. Wer dieses Vorbild nicht kennt, wird’s trotzdem lustig finden, weil im Text von einem Mann die Rede ist, der in Frauenkleidern auftritt. Das hat per Definition immer einem Lachkrampf auszulösen.

Aber gibt es ein Gesetz, das vorschreibt, über „Wortspiele“ vom Kaliber „Mecklenburger Feenplatte“ zu lachen? Na gut, vielleicht im Kindergarten. Wenn die Buben dann etwas größer sind, nehmen sie Motoren zu Hilfe für ihre Scherze. Den besten haben sie zwar schon ziemlich oft gegeben, aber er kommt immer noch gut: Schulig schrubbt auf der E-Gitarre „Cum On feel the Noize“ von Slade, dazu soliert er auf einer elektrischen Zahnbürste und Gaedt lässt einen leibhaftigen 2,8 Liter Ford Granada Motor laufen. Klopapierrollen fliegen durch die Luft, Bettfedern und des Künstlers fragwürdige Restmähne fliegen im Abgaswind. Es kracht und scheppert. Die letzte Zugabe aber ist verhältnismäßig leise: „Lieber doof sein als Gabi heissen“ ist so etwas wie das Gesamtmotto der Kleinen Tierschau. Gabi heisst ja auch keiner der beiden Michaels.