Gar nicht Piano am Flügel
Michael Krebs im Tollhaus, Karlsruhe, 5.10.2017
Im vergangenen Jahr war Michael Krebs mit seiner Wacken-tauglichen Kleinstkapelle Die Pommesgabeln des Teufels beim Tollhaus-Zeltival zu sehen und zu hören, nun also gastierte er solo im Tollhaus, und siehe da: Auch wenn ihm „nur“ der Flügel zu Gebote steht, wird er noch lange nicht zu einem dieser betulichen Musikkabarettisten, die zu schwelgerischen Melodeien kaffeekränzchentaugliche Aphorismen zum besten geben.
Nein, er bleibt durch und durch ein Rock’n’Roller, der mit wachen Augen wahrnimmt, was um ihn herum passiert, und der es vor allem auch musikalisch draufhat: Sein Klavierspiel ist gelegentlich hammerhart, immer rhythmisch akzentuiert, manchmal klingt er gar wie der legendäre Springsteen-Pianist Roy Bittan, und vor allem: Text und Musik sind bei ihm eins. Beispiel gefällig? Bewusst eingesetztes falsches Pathos wirkt immer – besonders in „Es wird alles noch schlimmer“, dessen mächtige Strophen in der Erkenntnis gipfeln „nach dem Kugelbauch kommt der Kugelgrill, nach dem Tatort Anne Will“. Oder wenn sich ein beschwörender Gospel zu dem die Menschheit vereinigenden Stoßseufzer „we want free WiFI“ aufschwingt. Krebs kann auch mal hinterfotzig-politisch sein. Wenn er zur schmelzender Melodie den Personalchef sagen lässt „das Leitbild unserer Unternehmensphilosophie heisst corporate social responsibility“, fühlt man förmlich die Eiseskälte vermeintlich flacher Hierarchien. Und ätzender kann man die weinerlichen deutschen „Songpoeten“ kaum auf die Schippe nehmen, als Michael Krebs es tut. Insbesondere ihre „Aussensität“, hochgeblödet zu bedeutungsschwanger genuschelten Nabelschau-Liedchen. „Mit ersterbender Stimme nölt er „jetzt sing ich traurige Lieder mit Gefühlen und Mitgefühl mit mir“ und lässt zum Climax noch die allfälligen Cellos aus der Dose auffahren, das Rotlicht wabert, die Auhentitzität steigt ins Unerbitterliche. Nebenbei und sozusagen unterschwellig erklärt er in dem Zusammenhang noch, was für ein billiger Bühnentrick es doch ist, Grönemeyer zu persiflieren, um es dann kaltlächelnd selbst zu tun. Das ist mindestens der doppelte Rittberger der Meta-Ebene.
Krebs scheut sich nicht, Themen zu besingen, die andere schon beackert haben, aber er findet meistens noch einen neuen Dreh. Bei Konzerten fotografieren oder filmen – wie sieht das auch des Sicht des Künstlers aus, bei dem das eher nicht üblich ist?: „Wenn die Leute einfach zuhören, das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass man es im Showbusiness zu nichts gebracht hat“, ätzt er. Und es klingt nicht wie eine Klage. Schließlich, wer mag es ihm verdenken, gibt es nach dem Konzert doch noch Selfies am Merchandising-Stand.