Der „Country Boy“ auf Dienstgipfelhöhe
Albert Lee und Hogan’s Heroes im Jubez, Karlsruhe, 10.9.2011
Es mag eine gewisse Analogie darin liegen, dass einer der als Musiker die Songs von Größen wie Buddy Holly, Everly Brothers, Carl Perkins oder Floyd Cramer, Dolly Parton oder Eric Clapton mit seinen goldenen Händen als Sideman veredelt hat, in seinen eigenen Konzerten in ähnlicher Weise den Songs dient, die er spielt: Albert Lee erfindet sie nicht neu, sondern interpretiert sie mit seiner kongenialen Band bei aller technischen Brillanz als respektvolle und fast schon zurückhaltende Reverenz ans Original.
Lee und die Hogan’s Heroes spielen sich durch ein Repertoire, das den Bogen spannt zwischen Country, Blues und Rock’n’Roll und vermeiden bei ihren Coverversionen zielsicher die üblichen Verdächtigen, die markanten Hits. In diesem Sinne wird – beabsichtigt oder beiläufig – eine Art pädagogisches Konzert daraus, das vor einem breiten Publikum eher unbekannte Stücke zum Glänzen bringt. Vom filigran-zarten „Dreaming As One“ (Richie Havens) über Gram Parsons sumpfiges „Wheels“ zu treibendem Rock’n’Roll der Marke Little Feat: „Rad Gumbo“. Die Betriebstemperatur bleibt bei allem, was sie anpacken, immer auf angenehme Wärme eingestellt. Und selbst dann, wenn es richtig heiß wird, nimmt es nie diese „Bigger Than Life“-Attitüde an, die Gitarrenhelden anderer Bauart so gerne nutzen, um ihr Licht über den Scheffel zu stellen. Wenn da ein anonymer Experte im Publikum meint: „Tanztee in Brighton, aber sehr sympathisch“, dann ist das durchaus als Kompliment zu verstehen. Für eine innere Ruhe, ein „sich in die Musik versenken“. Die Musik dieser Überzeugungstäter jedenfalls steht fest verankert auf der Ackerkrume und glänzt dennoch fast durchgehend mit solistischen Einwürden der Solisten. „Er spielt hart und metallisch, doch klar und lyrisch“, hat Emmylou Harris einmal über ihn gesagt – auch für den mittlerweile beinahe 68jährigen Lee gilt das noch.
Die Gitarrensoli sind eine sich in alle Richtungen drehender und windender Strudel an einzelnen Noten, die gleichberechtigt hintereinander stehen, da gibt es kein Verwischen, keine Zaubertricks, da wird nichts effektvoll durch Soundspielereien aufgeschminkt und da mag man auch ein einziges Mal ohne schlechtes Gewissen das abgegriffene Bild „wie Perlen an einer Kette“ heranziehen. Trotz aller Schnelligkeit, aller technischer Perfektion vermeidet es Lee, allzu vordergründig auf einen Klimax hin zu spielen oder gar ins Uferlose abzudriften. Er ist einfach nur präsent und kommt allein dadurch auf den Punkt. Die Band des jahrzehntelangen Sidemans klingt nicht einen Moment so, als wolle ihr Chef sie nun seinerseits zu Sidemen degradieren. Im Gegenteil: Zum einen tragen ihre Vocals zum stimmigen, warmen Grundton des Abends entscheidend bei, zum anderen sind auch die solistischen Ausflüge von Keyboarder Gavin Povey und Pedal Steel Gitarrist Gerry Hogan weit mehr als blosse songdienliche Routine. So überrascht letzterer in John Stewarts „Runaway Train“ mit einem ungewöhnlichen Beitrag, der die hochpathetische Grundstimmung des Songs wieder auf die Erde zurückholt, bevor dann der Meister selbst die Elektrische aus der Hand legt und in „Spellbound“ vorführt, wie einfach auch mit einer akustischen Gitarre und einem minimalistischen Arrangement auf simplem Vier-Viertel-Beat Hypnose machbar ist. Dass alle gegen Schluss der Vorstellung auf „Country Boy“, den seit vierzig Jahren gültigen Lee’schen Trademarksong aus dem ersten Album seiner frühen Band Heads Hands & Feet warten, und den auch kriegen versteht sich von selbst. Wenn Lee irgendwann der landläufigen Vorstellung des Guitar-Hero entspricht, dann hier. Wobei die Betonung immer noch auf „Land“ liegt.