Die Rock’n’Roll Maschine
Udo Lindenberg & Das Panik-Orchester, Popakademie, Mannheim, 4.3.2012
„Früher Tod, großer Ruhm. In meinem Fall lohnt sich das einfach nicht mehr“, meint Udo gegen Ende seines Konzerts lakonisch. Einfach weitermachen, das sei stattdessen die Devise. „Ich mach‘ mein Ding“ heißt die aktuelle Tour des Panikorchesters, die am kommenden Samstag in der Mannheimer SAP-Arena landet. Am vergangenen Sonntag hat es ein Häuflein von vielleicht 200 Hardcore-Fans zum „Sonderkonzert“ ins schmucklose Foyer der Popakademie Mannheim geschafft, um sich schonmal davon zu überzeugen, dass Herr Lindenberg sein Ding weitermacht, wie gewohnt und vollkommen frei von modischem Gedöns.
Die Örtlichkeit hat den Charme einer Lagerhalle, mit ihrem kalten Beton, der niedrigen Decke, dem sparsamen Licht – und schafft denn auch die richtige Kulisse für die Musik, die hier („im idyllischen Mannheim, eine Stadt von außergewöhnlichem Reiz“) eine Woche für die anstehende Tourt geprobt wurde.
Die bleibt sich sich seit nunmehr 40 Jahren treu: Ein Hauch von Honky-Tonk-Bar auf Riffgebirgen von Rock’n’Roll- und Heavy Metal-Akkorden plus die obligatorischen Balladen. Lindenberg liegt immer richtig, auch textlich: „Der Kompass klemmt, die Navigatoren, haben schon längst die Richtung verloren“ singt er im tosenden „Odysee“ gleich zu Beginn. Das ist von 1983 und 2012 genauso aktuell wie damals. Oder so. Udo lässt das Mikrofon kreisen. Kleiner als sonst wirkt er trotzdem, so ganz ohne Bühne, ebenerdig, Auge in Auge mit seinem Publikum, das in den ersten Reihen einige hyperventilierende Hutträger undefinierbaren Alters beinhaltet.
„Hey Loide. Ihr seid die Zeugen, die Zeitzeugen“, weist der Sänger auf die Bedeutung des „intimen Dings“ für die „Experten“ hin. Zudem noch „alles rein Benefiz und so“. Trotz der engen Location: Diese „größte Band“, wie Herr L. sein Panikorchester durchaus zutreffend adelt, klotzt immer. Sie würden auch in einer Telefonzelle klingen, als ginge es um Stadionbeschallung: Breitkrempige Brüllgitarren, unterfüttert von Brüllorgeln und gelegentlich herrlich anachronistisch anmutenden Synthesizern. Da macht es keinen Unterschied, ob nun die alten Hits gespielt werden oder Material aus der 2008er-Comeback-CD „Stark wie zwei“: Lindenberg bleibt sich treu, denn das Alte und das Neue passt denn auch so gut zueinander: Erst die Ballade „Was hat die Zeit mit uns gemacht“, bei der er – ganz Charmeur – dem „kosmischen Singvogel“ Nathalie den donnernden Applaus für Schöngesang einheimsen lässt um anschließend mit dem Oldie „Ich lieb dich überhaupt nicht mehr“ den passenden Gegenpart aufzufahren.
Lindenbergs Nummernrevue ist auch eine Loseblattsammlung seiner eigenen Biographie. Einer der Eckpunkte ist das satt und feist zelebrierte „Mädchen aus Ostberlin“, das ihm Gelegenheit gibt, für das in Berlin laufende Musical Werbung zu machen – und natürlich dabei gleich zu betonen, dass das ja eigentlich gar kein Musical im engeren Sinne sei. Oder so. Als hätten wir das nicht alle längst gewusst. Hier geht’s um Rock’n’Roll, und der kann sich auch mal verstolpern: Bei „Honky Tonky Show“, gerade als die Gitarren wieder so schön zu brüllen beginnen, („Hey Tochter, geh da bloß nicht hin, die spielen doch diesen wilden, animalischen Rock“) bittet der Meister um einen Neuanfang: „Ich will erst’n bisschen später einsetzen mit dem geheiligten Gesang“ nuschelt er, und weiter läuft die Musikbox, bis hinter den Horizont, wo die Andrea Doria nah beim Sonderzug nach Pankow versinkt. Im wohlabgehangenen Gitarrengebrüll, versteht sich. Derweil haben sich mit den letzten Tönen ein paar junge Frauen nach draußen verfügt. Befragt nach ihren Erkenntnissen der vergangenen drei Stunden meint eine von ihnen: „Udo Lindenberg ist einer der bedeutendsten Intellektuellen des Landes!“