Der Panikpräsident sorgte für „Karlsunruhe“

Udo Lindenberg machte aus der dm-arena die „Durchmischarena“ – und traf sich vorher mit Fans. „Wir sind Kumpels von Udo vom Niederrhein. Wir fahren immer mit“, murmelt der finstere Mafioso. Man sieht es: Schlapphut tief ins Gesicht gezogen, Sonnenbrille, ganz in schwarz und um den Bauch den „Panik-Gürtel“. Frank Tenbruck heißt er, er bewegt sich wie sein Idol, aber er spricht deutlicher. Man trifft die Udo-Klons überall in der dm-arena vor der Bühne, männliche wie weibliche. Armin Eckmayer bezeichnet sich als Edel-Fan und distanziert sich davon: „Ich würde nie in dieser Verkleidung herumlaufen, davon distanziere ich mich.“ Aber wo Udo ist, da ist auch er, bis zu einem Dutzend Mal im Jahr. „Da gibt es diese blöde Sendung ‚Deutschland sucht den Superstar’. Die brauchen doch nur zu einem Lindenberg-Konzert gehen, dann sehen sie den Superstar“, meint er.

„Wo die Lautsprecher stehn’, da sind die Mädchen“ singt Lindenberg in „Boogie Woogie Mädchen“ und fast 5000 Fans jubeln ihm zu. Das Panikorchester spielt wie eine Eins. Zu Recht nennt Udo seine Musiker die „Band ohne Verfallsdatum“. Ein kompaktes Hitfeuerwerk von „Andrea Doria“ bis zum „Sonderzug nach Pankow“ wird abgebrannt. Was für die oben auf der Bühne gilt, das gilt auch für die im Saal: Ohne Verfallsdatum, aber älter geworden. Unter dreißigjährige muss man suchen, die Generation ab 40 aufwärts dominiert. Aber textsicher sind sie dafür allemal. Hansi Schröpfer aus Karlsruhe ist 48, ein Fan der ersten Stunde: „Udo ist immer noch aktuell“ sagt er. „Nee, das ist auf keinen Fall eine Nostalgieshow.“ Seinen zwölfjährigen Sohn hat er auch „musikalisch aufgeklärt“, aber der steht doch eher auf die gecasteten Bands. Die eben, die Udo auf der Bühne beschimpft. Stattdessen hat er drei Bands „aus der Region“ als Vorprogramm ausgesucht. Eine davon aus Hamburg. Es sei ihm verziehen, er hatte ja schon im September bei der Pressekonferenz bekannt, er sei nicht gut in „Erdnusskunde“.

Nicht zum Zuge gekommen ist Stefan Geßenauer aus Karlsruhe mit seiner Band. Immerhin kann er Udo eine gute Stunde vor Konzertbeginn seine Demo-CD persönlich überreichen. Geßenauer darf an einem „Meet and Greet“ Smalltalk mit einem Dutzend Fans teilnehmen. Udo posiert mit CD, Überbringer und breitem Grinsen für die Kameras. Manche wollen Autogramme, einer überreicht ein Hermann-Hesse-Bändchen, andere hören einfach zu, wenn Udo philosophiert. Der lobt die „Durchmisch-Arena“ und behauptet: „Wir hatten immer so ein Heimweh, aber wir wussten nicht nach was, aber jetzt haben wir es rausgefunden. Karlsruhe! Wir wollten Unruhe nach Karlsruhe bringen.“

Im Foyer steht eine fröhlich angesäuselte Gruppe von Zuschauern aus Speyer. Die brauchen kein Meet and Greet. „Wir waren schon mit Udo saufen, beim SWR 3 Open Air“, verkünden sie. Schöner als auf der Offerta sei es jetzt hier, sagen sie. Und Gabi Schweizer, die allerfröhlichste aus der Gruppe, sagt: „Meine neunzehnjährige Tochter meint: Mama du hast einen an der Waffel, da hin zugehen.“ Viele Mütter lassen sich von solchen Töchtern nicht abschrecken. Es lohnt sich ja auch, nicht nur wegen Udo: Maffay singt, Eric Burdon singt. Einzig Karin Ziegler wird an diesem Abend wohl enttäuscht: sie wollte Nina Hagen sehen, aber die fehlt unentschuldigt. Andererseits: „Ich stehe auf die romantische Tour von Udo“. Mit den Balladen wie „Horizont“ dürfte auch sie auf ihre Kosten gekommen sein. Ein fest für die Feuerzeuge. Manche älter Lindenberg-Fans, so will es scheinen, haben sich für diesen Abend extra wieder das Rauchen angewöhnt. Udo macht ihnen ja vor, wie man als „Exzessor“ überlebt. Zweieinhalb Stunden lang war das Panik Orchester auf Zeitreise. Das Licht geht an, und die Menschen sehen nicht so aus, als hätten sie gerade eine Rentnerband bei „Onkel Pö“ gehört.