Gitarren, Gott, Gewehre

Karlsruhe, Schwarzwaldhalle, 1.3.2010

Das breite Grinsen im Gesicht von Sänger Johnny Van Zant ist berechtigt: „Skynyrd Nation“ ist doch noch recht zahlreich gekommen: 1700 Menschen, auch durchaus einige unter 40, huldigen den Übervätern des Southern Rock. Die aber bieten über weite Strecken Nostalgie-Programm, das dafür aber umso engagierteri. Sound-Kontinuität ist gewahrt, auch wenn mit Gitarrist Gary Rossington nur noch ein Überlebender der „Sweet Home Alabama“-Besetzung aus den 70ern auf der Bühne steht.

Die schärfsten Soli aber spielt Ricky Medlocke (Ex-Blackfoot), der Mitte der 90er (wieder) zur Band stieß. Bis zum fünften Song „That Smell“ könnte man noch unterstellen, hier werde auf hohem Niveau musikalische Routine geboten, aber schon das ist faszinierend anzuhören: Neun Leute, die wie ein Uhrwerk ihre gut abgehangenen Klassiker runterdreschen. Wer näher dran ist, kann auch schön beobachten, wie sich die Leadgitarren die Arbeit teilen. Wer näher dran ist, ist allerdings auch nach einer Viertelstunde taub.

Aber dann, mit „Simple Man“ kriegen sie die Kurve zum großen Gefühlskino. Was die damals junge Band als Hommage ans einfache gottesfürchtige Leben auf dem Lande vortrug, klang echt, und klingt auch heute noch so. Zum Reinsetzen schön und für die akustischen Verhältnisse der Schwarzwaldhalle sogar fast differenziert. Umso merkwürdiger berührt es, dass seitdem die Zeit stehengeblieben ist in diesen immer noch ausufernd behaarten Schädeln, während sich die Welt weiter gedreht hat.

Dass Southern Rock die musikalische Innovationskraft von Dixieland hat, ist bekannt. Dass die meisten Southern Rock-Bands eine Art Heimatliebe pflegen, die ähnlich der der Zillertaler Schürzenjäger ist, und insbesondere Lynyrd Skynyrd sich darin ganz groß tun, geschenkt. Aber ein Album im Jahr 2009 „God and Guns“ zu nennen und allen Ernstes 2010 mit stolzgeschwelltem Bierbauch den Refrain „God and guns, keep us strong, that’s what this country was founded on“ zu singen, das muss doch einfach Selbstironie sein. Nicht? Dann eben nicht. Listen to the music. Gerade der Titelsong dieses in der Setlist sträflich vernachlässigten Albums hat Qualitäten, die nur direkt aus den Sümpfen Floridas aufsteigen können: Swamp, swampiger geht’s nimmer. Du hörst förmlich Schlangen über die Bühne kriechen, es ist neblig und feucht. Und das ist nicht der Bühnennebel, der da nebelt. Auf solche billigen Tricks verzichten die Skynyrds nämlich gänzlich – hier wird Musik gemacht, und sonst nix. Trotzig, trutzig. So ist es denn auch eine perfekte Kombination, dass nach „God and Guns“ direkt das 70 mm Breitwand Sensurround-Klischee-Hardrockriff von „Still Unbroken“ aufgefahren wird. Hat Stil, Kraft und Methode. Die Botschaft: Auch wenn sie uns Gott und die Flinten wegnehmen, wir stehen wie eine Eins. Denn wir haben die Kraft der drei Gitarren, inzwischen so laut wie ein halbes Dutzend. Eigentlich schade, dass das Repertoire des Konzerts ähnlich akzentuierte Hardrocker aus den Frühzeiten wie etwa „Saturday Night Special“ weitgehend umschifft. Stattdessen bleibt man lieber bei dem, was schon in den 70er-Jahren funktionierte: Rock’n’Roll à la „Call Me The Breeze“ und „Gimme Three Steps“. Wenn Johnny Van Zant nach „Sweet Home Alabama“ „What Song ist ist you wanna hear?“ im Geist seines verstorbenen Bruders Ronnie „Free Bird“ herbeiruft, dann bleibt nichts als pure Nostalgie und jetzt mindestens zwei Dutzend gefühlte Gitarren.