Wühlen im Wohlklang

Martin Turner’s Wishbone Ash in der Fabrik Bruchsal, 7.5.2009

Einst waren Martin Turner, (Gründer von Wishbone Ash) und Andy Powell ein Herz und eine Seele, heute sind sie heillos zerstritten. Powell hatte zusammen mit Ted Turner Ende der 60er den legendären Doppelgitarrensound erfunden, das Schwelgen in harmonischen, gleichwohl härteren Klangwelten. Während Powell seit nunmehr 40 Jahren den Namen Wishbone Ash mit neuem Veröffentlichungen am Leben hält und fleißig tourt, hatte sich Turner (seit 1994 nicht mehr in der Band) weitgehend aus dem Business zurückgezogen.

Seit einiger Zeit macht er mit seiner Version der Band und mit alter Wishbone-Ash-Musik seinem früheren Gitarristen Konkurrenz: als Martin Turners Wishbone Ash. 

Die Fans profitieren davon, jetzt zwei Sichtweisen dieser einzigartigen Musik geboten zu bekommen. Während Powell als Modernisierer auftritt, bietet Turner Stoff für Nostalgiker, mit weitgehend unbekannten Musikern weitgehend originalgetreu dargeboten. So auch am Mittwochabend in der Bruchsaler Fabrik. Turner, Ray Hatfield und Maurice Douglas (Gitarren) plus Drummer Dave Wagstaffe schöpfen aus dem Vollen: Die Band hatte nie Hits im eigentlichen Sinne, drum wird jede Ausgrabung aus der Frühzeit zu einem Aha-Erlebnis für die treuen Fans, rund 200 mögen es an diesem Abend sein. Da ist „Rest in Peace“ ein pulsierender, pumpender Song, der in seiner Live-Version endlich die Kraft gewinnt, die der schlapp produzierten Studioversion von 1976 abging, da sind die komplexen „The Pilgrim“ und „Phoenix“, die jüngere Zuhörer (gäbe es sie denn) in eine Welt verschachtelter Kompositionen entführen könnten, wie sie heute niemand mehr schreibt. Mit Anleihen von Jazz bis Klassik, aber mit der treibenden Kraft ineinander verzahnter Gitarren. Turners Gitarristen halten sich weitgehend an Ton und Ausstrahlung der Originalaufnahmen, teilweise bis ins solistische Detail. Aber diese Werktreue hat auch einen Haken: Allein Mastermind Turner tanzt beschwingt und grinsend über die Bühne, die ihm offensichtlich zu klein ist, während der Rest der Band über weite Strecken in ehrerbietiger Pflichterfüllung erstarrt. Nur Ray Hatfield sorgt für einen befreiend komischen Moment, als er für ein paar Takte die Gitarre gegen Kochlöffel eintauscht, um ein Percussion-Solo aufzuführen.

Zentrales Ereignis ist die komplette Aufführung des „Argus“ Albums von 1972 im zweiten Teil des Konzerts Wenn es denn „Hits“ gab, dann war dieses Album in seiner Gänze einer. Feierliche Stimmungen tragen kompakte Kompositionen, die sich schonweit von der Verspieltheit der „Phoenix“ Tage entfernt haben. Es ist eine schwierige Gratwanderung, über 35 Jahre später den Geist des Originals einzufangen. Denn das genau ist der Unterschied zwischen Kunst und Kunsthandwerk. Während etwa beim dezenten „Leaf and Stream“ oder beim vollmundig hymnischen „Throw Down The Sword“ die Gratwanderung gelingt, kling ausgerechnet „The King will come“ (der Wishbone Ash-Song schlechthin) ziemlich kraftlos und zerfahren. Einer jener Momente, in dem die Aufführung allenfalls die Größe der Komposition ahnen lässt. Das Publikum stört sich nicht dran – allein dieses Album einmal in Gänze zu hören, reicht zur rasenden Begeisterung. Und das geht auch in Ordnung so.