Das lebendige Jazz-Rock-Museum

Moritz im Jubez, Karlsruhe, 23.1.2015

1973 war es, als Norbert Moritz eine Erleuchtung hatte: Er sah erlebte ein Konzert von Blood, Sweat & Tears. „Da musste ich mein ganzes musikalisches Denken neu ordnen“, erzählt er am vergangenen Freitagabend den Zuhörern seiner nach im benannten Band im Jubez. Man glaubt’s ihm sofort. Dass der Mann, der seit 1981 die besten Blood Sweat & Tears diesseits des Atlantiks betreibt, vorher Roy Black und Tony Marshall gehört haben will, glaubt im natürlich an diesem Abend niemand.

Das Dutzend Überzeugungstäter, das da auf der Bühne steht, hat sich einer möglichst originalgetreuen Interpretation der Jazz-Rock Bands der späten 60er- und frühen 70er-Jahre verschrieben. Im Zentrum steht der Urknall Blood, Sweat & Tears, im ersten Konzertteil ausführlich gewürdigt unter anderem mit einem Medley. Voll von Perlen à la „Hi De Ho“ bis „And When I Die“. Der Bläsersatz stellt unter Beweis, dass er seinen Namen „Horny Horns“ zu Recht trägt. Punktgenaue Arrangements, knackig und genussvoll mit allen Ecken und Kanten ausgespielt, dabei mit der Anmutung coolen Understatements herausgeschleudert. Diese Musiker wissen, dass sie Respekt, aber keine Angst vor den Originalen haben müssen. Der Zuhörer fragt sich, warum diese Genre nach seiner kurzen Blüte vor über 40 Jahren heute nur noch ein Fall für Musikarchäologen ist. Denn gerade die Blood, Sweat & Tears Musik steckt so voller überraschender und eigentlich auch zeitlos faszinierender Wendungen und genreübergreifender Finesse und hat dazu noch eine gehörige Portion Humor. Man hatte es schon fast vergessen. Was bleibt, ist also die freudvolle Besichtigung eines Museums mit einer sehr lebendigen Führung. Was nicht zuletzt daran erkennbar ist, mit welcher Inbrunst und welchem Einfühlungsvermögen gerade die jungen Musiker der Band agieren.  

Im zweiten Teil rät Norbert Moritz Musikern dringend davon ab, ein Konzert von Tower Of Power zu besuchen. Man sei danach einfach nur frustriert, normalerweise. Sie aber hätten den Frust überwunden, einfach weiter geübt, und voilà: Auch das Tower Of Power Medley erstrahlt im vollen Glanz furiosen Blechs. Das zweite Verdienst der Band ist an diesem Abend ebenfalls zu besichtigen: Auch völlig Vergessenes wird ausgegraben. Erinnert sich jemand an Bands wie Cold Blood oder Breakestra oder an „Vehicle“, den einen Hit der Band The Ides Of March? Moritz präsentieren ihn inklusive einer ausgefransten, ekstatischen Saxofonisten-Orgie. Nacheinander, gegeneinander, dann wieder miteinander. Es ist der Moment, in dem auch optisch Leben in die sonst etwas statisch wirkende Bühneperformance dieser Bigband kommt. Das dritte Verdienst ist die Dramaturgie des Programms, in dem auch Neuere, eher songorientierte Musik ihren Platz findet, sich erstaunlich gut in den Kontext einfügt und den beiden Stimmen der Band mehr Raum zur Entfaltung gibt: Roland „Moby“ Wenzel gibt dem Springsteen Song „Fever“ (in der Southside Johnny Version) die nötige „Street Credibility“und Maike Oberle näher sich in „Valerie“ so respektvoll wie respektabel ihrer erklärten Lieblingssängerin Amy Winehouse. „Was fer’d Jugend“ kommentiert Norbert Moritz badisch-trocken. Die allerdings glänzte an diesem Abend durch Abwesenheit.