Suhlen in diversen Ursuppen

Carl Carlton’s Songdogs feat. Mother’s Finest bem Tollhaus-Zeltival, 1.7.2009

Carl Carltons musikalische Heimat mögen zwar rein buchhalterisch Udo Lindenbergs Panikorchester und Peter Maffays hochkarätige Musikerversammlung sein, aber ideell kommt der lange Gitarrist mit dem sympathisch norddeutschen Slang dann doch eher aus den Sümpfen Louisianas und aus der Gitarrenschule der Herren Richards und Wood. Wobei all das einen Tick lauter, härter und kompakter klingt. Carlton tritt im Doppelpack mit Mother’s Finest an – und so gibt es am vergangenen Mittwochabend im nur halbvollen Zeltival-Zelt konsequente Schwerstarbeit in Sachen bodenständiger Rock’nRoll und Metal-Funk.

Denn bis auf die Sänger sind die Musiker beider Bands die gleichen, und spielen an einem Abend alle ihre unterschiedlichen Asse in unterschiedlichen musikalischen Kontext aus. 

Allen voran Gitarrist Moses Mo, der seinem Meister Carlton in der ersten Stunde fast die Show stiehlt. Mo, mit einer wirren Unfrisur auf dem Kopf und dem Irrsinn in den Äuglein, könnte eine Figur aus dem Kultfilm „Wayne’s World“ sein. Er gehört zu der selten gewordenen Spezies, die sich gerne mal zu Boden wirft und sich exstatisch wälzt. Nebenbei spielt er kurze, präzise Gitarrensoli mit immer wieder überraschenden Wendungen. Klischee ist ihn fremd. Carlton gibt die Erdung, er sorgt für die satten Riffs. Da ist das geradlinige „Spoke On The Wheel“, das seine Nähe zu einem Keith Richards Riff nur schwer verstecken kann, da ist „Days Of Magic“, fast schon Singer-Songwriter Pop mit kommerziellem Potenzial. Die Höhepunkte des Sets sind aber zwei Cover-Songs, bei denen Carlton seinen Sohn Max Buskohl mit unübersehbarem Vaterstolz auf die Bühne holt: „Stop, children, what’s that sound? Everybody look what’s going down” singt der mit soviel Inbrunst und Seele, als hätte er den Song gerade erfunden. Dabei ist da Original „For What It’s Worth“ 42 Jahre alt, stammt aus der Feder von Stephen Stills und war ein Hit für Buffalo Springfield. Mit dem alten Faces Kracher „Stay With Me“ feiern Vater und Sohn eine amtliche Schweinerockparty. Fehlt nur der Schampus, den sich Rod Stewart und Co seinerzeit über die besoffenen Köpfe zu gießen pflegten.

Auch hinterm Schlagzeug sitzt ein Sohn: Dion Murdock, Nchfahre von Joyce ‚Baby Jean’ Kennedy und Glenn Murdock, dem Gesangsgespann von Mother’s Finest. Die kennen wie gewohnt keine Gnade. Zack, Schalter umgelegt: „Baby Love“. Sehr selbstbewusst und – das Unwort sei ausnahmsweise gestattet – cool. Wie alles an diesem Abend der vibrierenden Luft, des kreisenden Leibes und des angenehmen Pfeifens im Ohr bei der Zigarette danach. Es ist die alleinseligmachende Gnade dieses hypnotisierenden Grooves, der aus den Tiefen des Unterleibs und der Seele kommt. Die Intensität mit der Dion Murdock und Bassist Wyzzard in ihre Apparate hacken, inspiriert den Rest der Band und sorgt dafür, dass das Publikum in Bewegung bleibt. Da können die Songs für Ahnungslose zum Verwechseln ähnlich sein – egal. Auch egal, dass sich die Band an diesem Abend vor allem auf alten Lorbeeren ausruht. Egal vor allem deshalb, weil selten kraftvollere Versionen von „Can’t Fight The Feeling“ und „Mickey’s Monkey“ zu hören waren. Vielleicht ist diese Kraft auch dem Einsatz von Carl Carlton als Zweitgitarrist geschuldet. Der sich dann in einem Moment der höchsten Weihe endlich auch mal zusammen mit Moses Mo auf dem Boden wälzen darf, strampelnd.