The Blues is allright

Music Maker Relief Foundation beim Tollhaus Zeltival, Karlsruhe, 31.7.2008

Vor etwa 40 Jahren hat Adolphus Bell von seiner Mutter einen guten Rat bekommen: „Mein Sohn, tu dir das nicht an“. Gemeint waren seine ewigen Auseinandersetzungen mit Mitmusikern. „Die spielt weiter Gitarre, und wenn es nicht anders geht, machst Du es eben alleine“. Bell befolgte den Rat und wurde „The World’s Greatest One Man Band“. Beim Konzert der Music Maker Foundation im Rahmen des Tollhaus-Zeltivals stellt er unter Beweis, dass Blues durchaus viel mit Humor zu tun hat. Er hat eine Krone auf, denn er ist ein König.

Dazu bedarf es: wenig. Eine Hi Hat, eine Basstrommel, eine Mundharmonika, die Gitarre und die Stimme. Er lässt die Puppen zu Sam Cookes „Chain Gang“ tanzen, macht unzüchtige Geräusche, führt drei sehr ähnliche Tänze auf, („Watch This!“) deren schönster wie eine Parodie auf Chuck Berry’s berühmten Duck Walk aussieht. Nebenbei spielt et eine Blues-Variante, die direkt aus der Erdkrume entsprungen zu sein scheint.

Bell ist der zweite Künstler von einem Halben Dutzend, die den Abend der „Music Maker Relief Foundation“ bestreiten. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt „den wahren Pionieren und vergessenen Helden der Musik des Südens“ musikalische Anerkennung zu verschaffen. Dieser amerikanischen Musiktradition weltweit zu Gehör zu bringen und sie für die kommenden Generationen zu erhalten, gehört ebenso zu den selbst gestellten Aufgaben wie die finanzielle Unterstützung der oft in ärmlichen Verhältnissen lebenden Künstler. Um gefördert zu werden, müssen sie mindestens 55 Jahre alt sein und ein Jahreseinkommen von weniger als 18.000 Dollar nachweisen. Viele, so erklärt Music Marker Präsident Timothy Duff in seiner Ansage nach der Pause, verfügten lediglich über ein Jahreseinkommen von 4- bis 6000 Dollar. Zu den Beratern der Stftung gehört Prominenz wie BB King, Jackson Browne oder Pete Townshend. 

Eine der Stützen der festen Tour-Band des Abends ist der 81jährige Eddie Tigner, der mit „Route 66“ in einer sehr zurückgelehnten Version den Abend eröffnet und seinen Solospot mit einem überzeugenden „Oh Yeah“ beendet. Alabama Slim nimmt nach Adolphus Bell diese Lässigkeit auf. Der 69jährige schlaksige Gitarrist schafft mit seinem äußerst sparsamen Spiel, dem dunklen Timbre in der Stimme und durchaus erotischem „Growl“ eine spannungsgeladene Atmosphäre. Dass er sein durchaus körperliches Liebesverhältnis mit der Gitarre besingt, ist da nur konsequent.

Die zweite Hälfte des Konzerts bringt mit Pura Fé eine völlig andere Musikfarbe ins Spiel: Sie verbindet die Musik der nordamerikanischen Indianer mit Blues, bring mühelos das Publikum zu beschwörenden „Call and Response“-Gesängen und liefert zudem eine fulminante Antikriegserklärung in einem wortreichen, kurvenreichen, wütenden Song ab, der immer wieder auf Edwin Starrs Hit „War“ rekurriert. „War, what is it good for – absolutely nothing“. Schließlich tritt Albert White , der bislang als Bandleader im Hintergrund fungierte, ins Rampenlicht. Mit einer konzentrierten Performance, die sich schon deutlich an der Grenze zu Rock-Spielweisen bewegt, wie sic Robert Cray jüngst auf der gleichen Bühne zelebrierte. Nur eben bescheidener und introspektiver. Mit der quirligen Beverly Guitar Watkins kommt zum Abschluss eine wirklich Gitarristin auf die Bühne – die dem Blues-Gitarrensolo eine angenehm perlende, warme Variante hinzufügt. Ihr Auftritt ist vorsichtige Ekstase. Ja, sie spielt die Gitarre auch Hinterm Kopf, während sich die Band funky gebärdet. Aber die sechs Saiten mit den Zähnen zu rupfen, darauf verzichtet sie dann doch. Man muss ja nicht jeden Blödsinn mitmachen. Es gibt Standing Ovations am Ende, alle versammeln sich auf der Bühne und jammen noch mal schier endlos ab. Was singen sie da? „The Blues is allright“? Aber sicher doch.