Die Initialzündung
NOTIZ: Anfang Mai 2008, habe ich dieses Foto von Wolfgang Niedecken gemacht, und er hat mir zu dem Dylan-Album diese Geschichte erzählt. (Das Album hatte ich fürs Foto selbst mitgebracht, es gehört meiner Frau.) Erschienen ist das in der Rubrik „Helden über Helden“ im ROCKS Magazin
Ohne Dieter Müller hätte es BAP nie gegeben. Bei der Fußball-EM 1976 gab der Kölner sein Nationalmannschafts-Debüt. Die Bundesrepublik lag gegen Jugoslawien mit 2:1 hinten. Müller kam in der 79. Minute und schoss drei Tore. Herr Niedecken hatte einen entsprechenden Brummschädel am Tag danach, und war zu schwach, dem frühen Anrufer am 18. Juni 1976 abzusagen. Der Saxophonist seiner ehemaligen Schülerband rief zu einer ersten Bandprobe für das was später einmal BAP werden sollte. Aber auch ohne Bob Dylan hätte es BAP wohl nie gegeben. Denn seine 76er LP „Desire“ war die Initialzündung für Niedecken, nach langer Pause wieder zur Gitarre zu greifen.
„1976 machte ich Zivildienst, fuhr „Essen auf Rädern“ aus mit einem Dylan-Wahnsinnigen, der hatte nur Dylan-Kassetten dabei. Ich hatte das nicht mehr verfolgt, seit ich 1970 mit dem Studium angefangen hatte. Ich hatte nach meinem Kunststudium entschieden, die Malerei mach’ ich jetzt hundertprozentig. Aber dieser Typ hatte ständig dieses „Desire“ Album dabei, das war gerade erschienen, der hat mir soviel von Dylan erzählt, dass ich alles gekauft hab, was zwischen 1970 und 1976 erschienen ist. „Desire“ hat mich dazu gebracht, wieder die Gitarre in die Hand zu nehmen. Ich hab’ mir die Songs rausgehört, das waren auch die ersten Songs, die wir mit BAP gespielt haben
Eigentlich war dieses Album Punk. Da werden sicher einige Leute laut loslachen, wenn ich das sage: Patti Smith war Punk, Bob Dylan war Punk. Dylan hatte in einer Phase, nachdem er lange sehr häuslich gewesen war, durch eine Ehekrise den Weg wieder auf die Straße gefunden, hat Leute zusammen gesammelt, mit denen er ganz spontane Sachen gemacht hat. Die „Rolling Thunder Revue“ war epochal: Immer neue Gaukler, Schauspieler, Literaten, Musiker, die jeden Abend eine neue Zelebration stattfinden ließen. Diese Tour ging in kleinen Holiday Inn Foyers los, und das wurde dann wirklich ein rollender Donner, wurde immer größer, bis in die großen Sportstadien. Da war auf einmal etwas in Bewegung gekommen, was überhaupt nicht den normalen Mechanismen entsprach. Kommerziell eigentlich von vornherein als Debakel angelegt, und es gab eben schon dieses Album, das das alles transportierte: dass da ’ne Menge williger Musikanten im Studio ist, und die musizieren zusammen im Gegensatz zu: ‚Da sind ein Haufen gemietete Mucker und die liefern ab’. Es war das Jahr, in dem mir auch ein Freund das erste Ramones-Album mitbrachte, über das ich mich auch weggefreut habe.
Damals war es ja eigentlich das Tollste, nicht zu kapieren, was Yes da veranstaltete, Genesis, Emerson Lake & Palmer. Was die Brüder ablieferten, haste nicht mehr kapiert als kleiner Garagenrocker. Und da hat auf einmal einer wieder einen Song geschrieben, und die, die da waren, haben mitgespielt. Die gabelten noch an ’ner Straßenkreuzung ’ne schwarzhaarige Geigerin auf, und Dylan fragte, ob sie das auch spielen könnte, was er da im Koffer hätte. Ja okay, soll sie mal mit ins Studio kommen: Scarlet Rivera, die dieses ganze Album geprägt hat mit ihrem Geigenspiel. Das hat eine unglaubliche Stimmung gekriegt dadurch.
Auch die Geschichten, die erzählt werden sind fantastisch. Nimm dir mal ’nen Song wie „Joey“, das ist eigentlich eine andere Geschichte, aber dennoch auch alle drei Folgen von „Der Pate“ in einem Song. Oder nimm „Hurricane“, das hat in der Erzählweise Pate gestanden bei unserem Song „Diego Paz wohr nüngzehn“. Bei „Hurricane“ ist mittendrin übrigens ein Riesenfehler, ich freu’ mich immer schon auf den Fehler! Dann ist da „Sarah“, in dem man erfuhr, wo er „Sad Eyed Lady Of The Lowlands“ geschrieben hat, nämlich im Chelsea Hotel…. Oder das Stück, das mich zu Joseph Conrad gebracht hat: „Black Diamond Bay“.“