Ungezuckert ist größer
Das „Bigger Concert“ von No Sugar No Cream im Jubez, Karlsruhe, 14.12.2018
Wenn ein Album „A Bigger Picture“ heisst, zwingt der Titel die dazugehörige Band geradezu, auf der Bühne gelegentlich ein solches zu malen. Zum einen mit der großen Bandbesetzung, zu der neben Songschreiber, Gitarrist und Sänger Pete Jay Funk, Bassist Andreas Jüttner, Geigerin und Sängerin Heike Wendelin und Drummer Frank Schäffner die Dauergäste Chris Cacavas (Keyboards) und Oli Grauer (Gitarre) plus Funks Tochter Maja als weitere Stimme gehören. „Female Background Vocals gehörten zu den Dingen, die er liebt, erklärt Chris Cacavas irgendwann gegen Ende des Konzerts. In der Tat gibt die stimmliche Präsenz der Damen der Musik mehr Tiefe, ohne Funks gesungenem Storytelling von seiner Intensität zu nehmen.
Oli Grauer ist vor allem mit seiner Stromgitarre präsent, wenn es Dreck untern den Fingernägeln braucht und Chris Cacavas ist inzwischen so etwas wie die gute Seele der Band geworden, der von solidem Keyboardspiel bis zur Gitarren-Kakophonie à la Neil Young eventuelle Löcher im Sound stopft und darüber hinaus Ausrufezeichen setzt. Und der sich auch nicht nehmen lässt, mal einen Song von Pete Funk („Everybody Does“) zu singen, was für den Komponisten wiederum einem Ritterschlag gleichkommt.
Balladen, geradlinige „Unplugged-Rocker“ im mittleren Tempo und Uptempo-Nummern mit Country-Einschlag: Die erweiterte Band spielt sich durch ein Repertoire aus neuen und neu aufbereiteten älteren Songs und es man höre und staune nicht: es passt alles zusammen, ist Ergebnis einer konsequenten Entwicklung über Jahre hinweg. Zum „Bigger Concert“ gehört auch, dass die Band in einer Szene musikalischer Wegbegleiter und Freunde operiert, die in diesen Konzertrahmen passen, und das nicht nur musikalisch. Der Abend wirkt wie die vorgezogene Weihnachtsfeier von Freunden, die mit Zuneigung und gegenseitigem Respekt ihre und die Musik des jeweils anderen zelebrieren, die einander zuhören und dabei ihre gemeinsamen Stärken unterstreichen. Zudem kann die Band an diesem Abend das Erscheinen ihrer pressfrischen Live CD „Down South“ feiern.
Den Reigen der Gäste eröffnet Alex Wernet. Der sich nach seinem markerschütternden „Brother“ mit Gitarre und Stimme nahtlos ins Bandgefüge eingliedert. Rolf Ableiter alias Field Commander C. bringt Leonard Cohens „Avalanche“ in angemessener Düsternis über die Bühne bringt und verwandelt anschliessend Andreas Jüttners „Big Blue Blanket“ in einen Cohen-Song. Aber auch die Reduktion aufs Wesentliche beeindruckt: Sean Mc Gurrin braucht nur ein paar karge Gitarrenakkorde und dazu seine Stimme, die Berge versetzt, um das Publikum wirklich zum Zuhören zu bringen.
In der Endrunde des fast dreistündigen Konzert-Marathons treibt Chris Cacavas die Band mit „Pale Blonde Hell“ in eine für ihre Verhältnisse fast schon infernalische Lautstärke, und als bei Neil Youngs „Rockin‘ In The Free World“ die Gitarristen – schon drunten im Volke ihre Apparate zwirbelnd – gar kein Ende finden wollen, wissen wir: diese sonst so diszipliniert musizierende Band kann auch mal richtig ausfransen.