Olle Schabracken, voll bis obenhin
Ingrid Noll las bei den Karlsruher Krimitagen, BGV-Versicherung, 7.3.2008
Ingrid Noll geht ihr Publikum genauso an, wie es ihre Romane tun: In lapidaren Sätzen, immer auf den Punkt. Worum also geht es in „Ladylike“, ihrem mittlerweile zwei Jahre alten Buch? „Zwei ältere Schachteln, so in meinem Alter. Damit sie nicht lange rechnen müssen: ich bin 73“. Obwohl sie nichts Neues liest, ist ihre Anziehungskraft ungebrochen. Die auflagenstärkste deutsche Krimi-Autorin hat bei der Lesung im Rahmen der Karlsruher Krimitage volles Haus im Alten Foyer des Badischen Gemeindeversicherungsverbandes.
Ob das, was sie da liest, allerdings ein Krimi im strengen Sinn ist, erschließt sich weder dem aufmerksamen Zuhörer, noch dem, der das Buch ganz gelesen hat. „Auf keinem meiner Bücher steht das Wort Kriminalroman“, hat sie immer wieder gesagt. Ihr gehe es vielmehr darum, Geschichten von Menschen zu erzählen. „Die Morde waren eigentlich immer eher Nonsens, schmückendes Beiwerk, damit es nicht langweilig wird“. In „Ladylike“ gibt es keinen eindeutigen Mord, nur vage, nachgerade spitzbübische Andeutungen. Lore und Anneliese, die beiden rüstigen Damen der Alters-WG, die Ingrid Noll hier vorführt, haben Charme, Tücke, und eine gewisse – aber nicht zu heftige – Schrägheit. Ehen und Kinder haben sie hinter sich gelassen, jetzt wird das Leben in einer Art Alters-WG genossen.
Damit die Perspektive gleich klar ist, gibt Noll ihren amüsierten Zuhörern die „Bedienungsanleitung“ mit auf den Weg: „Lore spricht zu ihnen, aber ich bin’s nicht“. Da taucht also ein alter Verehrer von Anneliese aus Tanzstundenzeiten auf – der offenbar recht smarte Ewald. Und schon feiern erwartungsgemäß allerhand Eifersüchteleien und Eingeschnapptheiten zwischen den Damen fröhliche Urständ. Das kann die Noll, solche menschelnden Raunereien in knapper, präziser Sprache herausschmunzeln, dass es eine Freude ist. Und – war da was, beim Ableben des Gatten der Anneliese, Jahre vorher? Zu dessen Lebzeiten die beiden Damen sich schon ihr späteres gemeinsames Leben ausgemalt hatten: „Burkhard erwies sich trotz seines kränklichen Zustands als überraschend zäh“. Da ist es wieder ganz kurz, dieses angedeutete „vielleicht sind wir ja alle kleine, grausame Mörderlein, aber ich verrate nix“.
„Action“ gibt es nur einmal wirklich, als die Ex-Geliebte des smarten Ewald eingeführt wird – und da wechselt die sonst so bodenständige Ingrid Noll gleich ins absurde Fach. Diese Ex-Geliebte ist eine quirlige Brasilianerin, die die „alten Schachteln“ gar zum Kiffen bringt, und die nach inhalierter Engelstrompete gar Flügel bekommt und von der Brüstung der Heidelberger Alten Brücke entschwebt. Vorher werden die Damen noch von Jungvolk beschimpft: „Drei olle Schabracken, voll bis obenhin“. Sorgfältig habe sie das mangels einschlägiger Drogenerfahrung recherchieren müssen, eröffnet die Autorin ihrem Publikum anschließend, und gibt den guten Rat: „Rauchen Sie keine Engelstrompete, sparen Sie nicht an der falschen Stelle“. Die anschließende angekündigte Fragerunde beschränkt sich auf ein einziges Thema: Was kommt als nächstes? „Kuckuckskind“ wird es heißen, im Juni erscheinen, es werde von „Schuld“ handeln. Mehr will sie nicht verraten. „Backstage“ hat sie vor der Lesung immerhin noch verraten „es geht auch darum, dass man mit der Zunge mehr anrichten kann, als mit einer Waffe“. Schon wieder kein Mord, am Ende gar?