Das Chamäleon am Schlagzeug

Es war 1977, als mir der Mann zum ersten Mal auffiel: Judas Priest war damals noch eine kleine unbekannte Band, sozusagen ein Flaggschiffchen der New Wave of British Heavy Metal- und auf ihrem neuen Album „Sin After Sin“ trommelte einer irgendwie anders. Zu hören war ein riesiges Set, zwei extrem schnelle Bassdrums, so richtig mit Gefühl und Härte, aber irgendwie anders, als andere Jungs das normalerweise tun. Ich drehte also leicht irritiert das Cover um- und da stand: Special thanks: Simon Phillips (Drums). 20 Jahre später, Ende Januar 1997, habe ich Simon Phillips nach dem Karlsruher Konzert seiner Jazzrockformation „Symbiosis“ im Karlsruher Jubez getroiffen. Verinbart waren damals 15 Minuten Interview. Es wurden 90 Minuten und drei Bier. Die Fotos habe ich wiederum 20 Jahre später gemacht, bei den Bühler Jazztagen. Hier also der Artikel, der damals in einr Zeitschrift erschien, an deren Namen ich mich nicht mehr erinner. Nur soviel weiss ich noch: Sie haben das Honorar nie bezahlt!

Wieviele Tonträger genau hast Du denn betrommelt?

Also vor ein paar Jahren habe ich eine Diskographie zusammengestellt. das war allerdings auf meinem Computer in England, bevor ich nach Amerika umgezogen bin. Und ich ließ das alles zurück, und musste mich wieder an die Arbeit machen. Eine ganze Menge Leute haben mir dabei geholfen, vor allem Jonathan Mover, einige Fans haben auch dran mitgewirkt, ich glaube vor allem auch aus Deutschland, haben geholfen… so habe ich also meine Diskografie wieder zusammengekriegt. Es sind jetzt wohl so 220 bis 230 Platten, auf denen ich mitgespielt habe. Aber es ist schon ein ganz schönes Stück Arbeit, das alles genau zurückzuverfolgen… manchmal weiß ich ja auch garnicht, welche einzelnen Stücke zum Beispiel auf speziellen Samplern herausgebracht wurden. Vielleicht sind‘s ja dann auch 250 alles in allem….

Der Mann, der so beschäftigt ist, behauptet dennoch lächelnd, er habe ein Privatleben. Seit ich bei Toto bin und nach Amerika umgezogen bin, habe ich sogar mehr Zeit für mich selbst. Wir arbeiten schon sehr hart, wenn wird unterwegs sind, aber von Ende Juli letzten Jahres und die meiste Zeit bis zu dieser Tour war ich fast durchgehend in L.A., habe mein Haus auch mal bewohnt, also eigentlich angefangen, mich da erst richtig einzuleben. Das war vielleicht das erste Mal, seit ich nach Amerika umgezogen bin…

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Schuld daran war nur die Big Band

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Die Diskografie liest sich wie ein Who´s´Who der Rock-und Popmusik, mit gelegentlichen Ausflügen in den „reinen“ Jazz. Wer allerdings denkt, Simon Phillips wäre der Rocker, der auch gelegentlich jazzen kann, der liegt falsch. Im Jazz liegen seine Ursprünge: Denn Simon´s Vater Sid war Klarinettist, Saxophonist, Arrangeur und eben auch Bandleader. und da war dann auch erstmals der Platz des „kleinen“ Simon.

Ich fing an, als ich dreieinhalb war. Für mich gab es eigentlich garnichts anderes. Das war schon immer das Wichtigste im Leben: Schlagzeug spielen, Musik machen. Ich spielte also erst mal Jazz, vor allem Dixieland. Ich spielte zu der Musik meines Vaters, ich spielte zu Glenn Miller, Artie Shaw, Benny Goodman… all diese Sachen eben. Aber ich knöpfte mir auch Dave Clark Five, Die Kinks oder die Beatles vor….eine ziemlich obskure Mischung.

Die Mischung zieht sich wie ein roter Faden durch die Karriere des Simon Phillips. Und immer wieder auch die Suche nach Mitspielern, die musikalisch offen sind, wie beispielsweise Jack Bruce. 1977 spielte Simon mit ihm die Platte „How´s Tricks“ ein. Ein Jahr zuvor hatte er bei Phil Manzaneras legendärem 801-Projekt mitgemischt, damals vom Musik Express immerhin als „zeitgenössische Zwischenbilanz der Rockmusik“ hochgelobt. Andererseits machte er auch aus den hochdramatischen Mini-Opern von Tony Hymas und Jim Diamond, besser bekannt als Ph.D. („I won´t let you down“) noch hörenswerte Lehrstücke in Sachen „weniger ist mehr“. Und schließlich wissen Hardrockfans ihn zu schätzen beispielsweise als gnadenlose Zeitmaschine auf Ian Gillans (unterschätztem) 90er Werk „Naked Thunder“. Was will uns der Künstler mit dieser Vielfalt sagen? Dass die alle gut zahlen? Nein, es steckt mehr dahinter: Das Witzige ist, dass ich ungern eine Richtung zu oft spiele. Das Problem ist: Ich langweile mich dann schnell. Wenn diese Tour mit meiner Band, mit meiner Musik zu Ende ist, dann kann es leicht passieren, dass ich wieder Richtig Bock auf Rock´n´Roll habe. Das hat auch was damit zu tun, dass das hier Instrumental-Musik ist. Und ich liebe nun mal auch Musik mit Gesang. Und drum ist auch die Arbeit mit Toto so ein angenehmer Kontrast, zu dem was ich hier tue.   

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Toto ist die klassische Schülerband

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Toto- das ist der Dreh- und Angelpunkt im Leben des Drummers Simon Phillips: Am 5. August 1992 stirbt Simon´s Vorgänger Jeff Porcaro. Gleichzeitig ist das neue Album „Kingdom of Desire“ eingespielt, die Konzerte sind gebucht, die Band will auf Tour gehen. Sie bitten Simon, zunächst für die Tour einzusteigen. Am 3. Juni 1993 startet die Tour in Houston, Texas- die erste großangelegte Toto-Tour nach sieben Jahren Konzertpause. Am Schlagzeug Simon Phillips, dessen Erfahrungen mit festen Bands bis dahin recht chaotisch waren:

Es ist eben immer so gekommen, wie es gekommen ist. ich war ja schon öfter Mitglied in einer Band. Aber- unglücklicherweise haben diese Band meistens nicht lange durchgehalten. Sie flogen mir oft buchstäblich in Einzelteilen um die Ohren. Eigentlich seltsam. nach einiger Zeit dachte ich dann wohl- das ist irgendwie verrückt. 

Vielleicht liegt es an der ganz speziellen Toto-Chemie, dass es jetzt schon im fünften Jahr gutgeht, Simon leuchtet jedenfalls so richtig, wenn er von seinen Mitmusikern spricht:: Es war schon erstaunlich, als ich zum ersten Mal mit ihnen zusammenspielte, das war ein Gefühl, sag ich dir. Ich hatte das ich ein paarmal zuvor erlebt, mit großartigen Musikern, aber meistens waren es eben ein oder zwei Leute, mit denen das hinhaute. Also vielleicht mit dem Basser, oder noch dem Keyboarder und so weiter. Aber mit drei Leuten: Bass, Keyboards und Gitarre- das war dieses wunderbare ursprüngliche Taktgefühl, das sie hatten. Ich hatte jahrelang mich drum bemüht, einmal mit Leuten zu spielen, die genau dieses Moment haben. Und es war so leicht zu spielen. Es ist einfach so (schnippt mit den Fingern)… jeder ist im Groove- und die Sache ist im Kasten. Das hat mich so richtig umgehauen im positiven Sinn.  

Was den einen oder anderen vielleicht umhauen mag: Toto ist nicht die Band ausgekochter Studioprofis, als die sie hierzulande von Kritikern immer abgetan wird. Zumindest waren sie es nicht von Anfang an: das musste auch Simon erfahren, als er mit ihnen erstmals auf Tour ging, denn:- da spielt natürlich auch die persönliche Sache eine Rolle, die Gefühle- sie hatten gerade eine ziemlich harten Schlag hinter sich- schließlich hatten sie gerade ihren Bruder verloren. Sie sind ja mit Jeff aufgewachsen. Viele Leute denken immer noch, dass Toto eine Band aus Studiomusikern ist. Die dann irgendwann eine Band gegründet haben. Das stimmt nicht- sie sind eigentlich die klassische Schülerband. Sie waren schon eine Band, bevor die einzelnen Musiker Sessions spielten- das kam erst danach, weil sie sich einfach zu so guten Musikern entwickelten, daß sie für Sessions gebucht wurden. Sie waren also schon immer eine Band- und das war schon eine erstaunliche Situation für mich, da hineinzukommen.

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Sorry, ich hab´ da leider schon eine Band

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Eins war klar: Mit der Entscheidung für Toto musste Simon auf ein paar andere nette Nebenjobs verzichten. Beispielsweise den bei The Who, wo er schon auf der 1989-er Tommy-Revival Tour den Part von Keith Moon übernommen hatte. Und wo er ja sowieso bei Mastermind Pete Townshend ganz gute Karten hatte, da ihre Zusammenarbeit schon bis 1979 zurückgeht-also kam es wie es kommen musste: ..The Who riefen mich letzte Jahr an, wegen der Quadrophenia Tour…. und das war allerdings mitten in der Toto-Tour. Ich sagte sorry, ich hab da leider schon ´ne Band. Toto kommt zuerst. Wenn die Tour zu Ende gewesen wäre, klar, ich hätte den Who zugesagt- sie waren schließlich eine der berühmtesten Bands, in denen ich je gespielt habe. ich fühlte mich schon sehr geehrt, da mitmachen zu können. Immerhin: Die einmalige Erfahrung hat er ja nun mal gemacht- und auf der Doppel CD „Join Together“ lässt sich ganz eindrucksvoll nachhören, wie Simon die Drumparts des toten Keith Moon adaptiert hat. Eine ziemliche Herausforderung, wenn man bedenkt, dass Keith Moon ja nun eigentlich eine völlig andere Stilistik kultiviert hatte. Ich wollte Keith weder ersetzen noch kopieren. ich spielte die Songs einfach um ihrer selbst willen. Ich meine, Pete Townshend und ich haben ja schon eine lange gemeinsame Geschichte – ich habe mit ihm schon „Empty Glass „1979 aufgenommen – er ist also ziemlich gut damit vertraut, mit mir zusammenzuspielen, und drum lud er mich eben ein, mit den Who zu spielen. Also nochmal: Die Band ist die eine Sache, die Songs sind die andere. Die Songs müssen gespielt werden, und ich gehe mit ihnen um wie mit jedem anderen Song. natürlich habe ich mir angehört, wie Keith die Sachen spielt. Und da muss ich natürlich schon mal lachen- es ist teilweise echt zum Piepen, er spielt manchmal wirklich völlig verrücktes, großartiges Zeug…. Und es gab ein paar Sachen, die ich wirklich liebte- und da sagte ich, ok., das werde ich genauso beibehalten, das werde ich exakt 1:1 so spielen, als eine Art Tribute für Keith – aber generell spiele ich immer songdienlich. Also eben so, wie ich normalerweise auch spielen würde. Und ich denke, das ist am besten so: Niemand wird es je so bringen können, wie Keith es getan hat, niemand wird ihn je ersetzen können, man kann auch nicht besser spielen. Er ist er.

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Grenzüberschreitung: Jazz vs. Rock-der ewige Streit

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Volker Kriegel hat´s 1983 versucht, den Rockschlagzeuger zu definieren: „Die Tugend liegt darin, regelmäßige Muster mit möglichst unerschütterlichem Timing über lange Strecken durchzuhalten, häufige Variation ist nicht erwünscht, ja sogar schädlich“ Und über das Pendant schrieb Kriegel: „Der moderne Jazzschlagzeuger klopft nicht mehr durchgehend den Rhythmus, sondern er umspielt den gefühlten Puls…. Der Jazzschlagzeuger sieht seine Hauptaufgabe im Variieren, im ständig neu Erfinden“. Soweit Volker Kriegel. Na- wenn das alles so ist, dann dürfte Simon Phillips ja der perfekte Rockjazzdrummer sein. Aber, man höre und staune, es gibt noch immer die alten Gräben – oder zumindest Vorbehalte zwischen der Jazz- und der Rockfraktion: Mir ist folgendes passiert: Ein Jazzer, er wird vom gleichen Management betreut wie Toto, suchte einen Drummer für ein paar Stücke auf seiner CD. Und der Manager sagte zu ihm: „Probier´s doch mal mit Simon. Und er sagte, ja ich weiß schon dass er ein großartiger Musiker ist, aber er ist doch ein Rockdrummer. Und Mark, unser Manager lachte. Er gab ihm meine Platte Force Majeure- und danach war der Gute ganz schön verwirrt. jetzt hatte er wohl begriffen, dass ich eine ganze Menge verschiedene Stile spielen kann. Das können aber viele Musiker. Die grossen, die wirklich großen Musiker sollten Brücken schlagen können. Natürlich gibt es Musiker die viellleicht ihre Wurzeln im Jazz haben oder eben im Rock´n´Roll oder Blues- aber sie sollten versuchen, ihren Stil auch einer anderen musikalischen Situation anzupassen. Bis hin zur klassischen Musik. und da muß man schon einiges an Übung investieren. Orchestermusiker spielen nicht nach Metronom. Die haben eben Temposchwankungen. Für die ist dann das Zusammenspiel mit einer richtigen RhythmusSection manchmal auch ein ziemliches Durcheinander. Das heißt: Kopf freihalten, offen nach allen Seiten sein – aber das ist das Wesen aller Kunst. Man muß offen sein.

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Schlagzeugspielen ist nicht nur Mathe, aber auch…

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Es gibt Dinge am Schlagzeugspiel, die interessieren eigentlich nur Schlagzeuger. Weil sie auch nur denen auffallen. Aber was Simon Phillips auf seinen Schüsseln kocht, das dürfte auch einem musikalischen Laien auffallen, es klingt zumindest „irgendwie anders“. Und deshalb wird´s jetzt fachspezifisch. Simon und „Symbiosis“ auf der Bühne im Karlsruher Jubez. Er kündigt eine „Dance Tune“ an, und verweist gleichzeitig spitzbübisch lächelnd darauf, dass das nette Stückchen Tanzmusik im 15/8 Takt gehalten ist. Er hätte aber auch schon Leute zu ganz anderen Takten tanzen sehen…. na denn. Musik als Mathematik? Mike Portnoy, der Mann an der Dream-Theater-Schlagzeugfestung, erklärt es in seinen Workshops immer so. Und drum auch die Frage an Simon: Musik ist Mathematik. Aber: Es ist auch viel viel mehr als das. Er spricht vielleicht rein technisch darüber. Nein- Musik kommt auch vom Herzen, aus dem Bauch raus. und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wie komplex oder wie einfach die Musik ist, entscheidend ist, wie sie sich „anfühlt“. Das ist das Wichtigste. Bei „Symbiosis“ stecken schon komplizierte Sachen drin, aber das sollte einen einen Scheißdreck kümmern, solange es eben dieses Feeling hat. „Indian Summer“ ist ein 15/8 Takt- na und? Hör einfach hin, es groovt! Das war es auch, was ich den Jungs bei den Aufnahmen gesagt habe: Vergesst die Taktmaße, sorgt einfach dafür, daß es groovt. Dieser Aspekt des Spielens hat mich immer am meisten beschäftigt. Trotzdem klingt Simon´s Spiel durchweg sehr diszipliniert, der Verdacht drängt sich auf, er spiele an jedem Abend jedes Fill exakt gleich. Nein, ich spiele instinktiv. ich neige dazu, genau das zu spielen, was ich in dem Moment fühle, wo es entsteht, obwohl ich natürlich über die Jahre eine gewisse Disziplin entwickelt habe. Aber es macht halt auch Spaß, diese Regeln mal zu brechen. Manchmal gehts auch schief. ich denke darüber aber garnicht nach. Manchmal klingt es wie ein Fehler, oder irgendwie verunglückt, aber ich mag das so. Denn da schauen sich die Jungs auf der Bühne um und sagen: Wooow…. Wieviele solcher Woows gönnt man sich denn so pro Abend? Man muß sehr vorsichtig sein. Man sollte es nicht planen. manchmal spielt man dann zu viel, oder gibt diesem instinktiven Spiel zuviel Raum. man muß sehr offen sein- und das ist nicht einfach, wenn man Abend für Abend die gleiche Musik spielt. ich versuche einfach, jeden Song jeden Abend so zu spielen, als wäre es das erste Mal. das ist schwer- wir haben jetzt 8 Shows gespielt, und man tappt immer mehr in kleine Fallen, kleine Wiederholungen. Das schadet dem Song natürlich nichts- aber es ist eben nicht dieser Funke, wie beim ersten Mal. In jedem Fall muß es zum Song passen. das ist etwas, das ich immer noch lerne. Ich denke, wenn ich 60 bin, habe ich es vielleicht besser drauf. Die wirklich großen Musiker wissen genau, wann sie spielen sollen, und wann nicht. Du mußt den Song spielen, nicht umgekehrt. Für alles gibt es den richtigen Ort und die richtige Zeit. 

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Mein Drumkit muss man wie ein Klavier betrachten

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Simon Phillips ist ein Phänomen: Nimm Dir zehn verschiedene Produktionen, auf denen er spielt, vielleicht fünf verschiedene Musikrichtungen- und dennoch: Im Unterschied zu anderen hochqualifizierten Studiocracks wirst Du ihn erkennen, ohne auf dem Cover nachschauen zu müssen. Heißt das, Simon Phillips verlangt und bekommt von seinen Auftraggebern völlige Freiheit? Ich gehe den Song so an, wie ich denke, dass man ihn spielen sollte. Natürlich sagen mir der Produzent oder der Künstler schon in etwa, was sie haben wollen, sozusagen als Anleitung. Was danach passiert- da habe ich keine Ahnung, ich versuche einfach, mein Bestes zu geben. Ich spiele im Grunde den Song. Es hat natürlich auch eine ganze Menge mit Sound zu tun. Und ich denke, da unterscheide ich mich schon von anderen. Es ist auch ziemlich interessant, wie Produzenten damit umgehen, wenn sie nie zuvor mit mir gearbeitet haben. Manchen fällt´s leicht- die ziehen ihre Regler hoch- und es klingt großartig. Aber es gab schon Situationen, da waren die völlig verwirrt. Sie ziehen also die Regler hoch, kratzen sich am Kopf- und sind ratlos. Sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Mein Drumkit muss man einfach wie ein Klavier betrachten- es funktioniert nur als Ganzes. Ein sehr runder, natürlicher Sound. Und wenn man versucht, die Einzelteile voneinander zu trennen, dann ist das, wie wenn du bei einem Tasteninstrument sagst: Ich will, dass die zwei mittleren Oktaven klingen, und von den anderen Oktaven möchte ich keinen Ton hören. Aber jeder weiß: Wenn Du bei einem Piano eine Note anschlägst, dann gibt es eben eine Resonanz des ganzen Instruments. Und genauso sehe ich mein Instrument. Einer, der das nicht gleich gerafft hat, war Bob Clearmountain, der ja mittlerweile zu den profiliertesten Toningenieuren dieser Welt gehört. Simon schüttet sich schier aus vor Lachen, wenn er die Story erzählt: Er hatte schon das ganze Album gemischt, merkte aber garnicht, dass das, was er da abmischte, mein großes Drumkit war- er wußte es offenbar garnicht. Er hatte halt nur irgendwelche Drumspuren, die da auf seinem Tracksheet verzeichnet waren. Das hat ihn völlig verwirrt- ich sagte ihm: Du hast diese Drums schon gemischt, das ist dieses große Schlagzeug! Und er schaute ungläubig und meinte nur: Ist das wahr ? Und dann kam Jimmy Iovine in den Abhörraum und meinte: Bow, was für ein großartiger Snaredrum Sound. Und Bob meinte ganz kleinlaut: Tja, das klingt wirklich gut. Na ja- es war einfach alles ein bißchen anders. Seit dem sind Bob und ich jedenfalls gut miteinander ausgekommen. Er ist ein ungeheuer guter Toningenieur…. er hat diese wunderbare Vorstellung von Klang, und bei ihm sieht alles immer ungeheuer einfach aus. man muß ihm einfach mal zuschauen- er tut eigentlich nichts, und es ist fantastisch…

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Und wie macht man das? Es ist mehr als Sound…

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Fast jeder junge Drummer weiß, wenn er das gleiche Set spielt wie ein Phil Collins, ein Charlie Watts oder eben ein Simon Phillips, dann klingt er noch nicht automatisch genauso. Das fängt schon beim Stimmen des Kits an. Bei Simon Phillips klingt es echt, warm, menschlich, trocken genauso wie voll abgemiked über die große PA. Aber: Richtiges Stimmen ist nur eins. Der größte Teil des Sounds entsteht durch die Art, wie Du spielst. Es ist so ein bißchen, wie wenn du eine Fender Stratocaster nimmst, und die durch einen Fender Twin Reverb jagst. Und dann bittest du zwei oder drei Gitarristen, darüber zu spielen, und sie dürfen an der Gitarre nichts verändern. Nimm Jeff Beck, verbinde allen die Augen. Dann spielt er, gibt die Gitarre an Jimmy Page weiter, der gibt sie an Joe Satriani weiter…. alle drei werden so klingen wie sie klingen, nach sich selbst. Ohne etwas an der Einstellung der Gitarre oder am Amp zu verstellen. So ist das bei allen Instrumenten, natürlich auch bei Drums…. Stimmen hilft natürlich, deinen speziellen Sound rüberzubringen, aber entscheidend ist letztlich, wie du spielst. Also klar: Wenn ich mich an ein Schlagzeug setze, das jemand anders gestimmt hat, dann bin ich echt frustriert…. und sage schon mal solche Sachen wie: Mein Gott, wie kann man auf sowas spielen. Aber trotzdem- jeder würde wohl schon erkennen, dass ich es bin, der da spielt…. Du musst also lernen, dein Instrument zu stimmen und du musst das beste aus deinem Spiel herausholen. Natürlich gibt es auch Klangunterschiede zwischen einzelnen Herstellerfirmen- aber eines sage ich dir: Wenn ich mich hinsetze und eine Weile an einem Yamaha-Schlagzeug rumpfriemle oder einem Drum Workshop-Kit oder auch einem Premier- es wird immer unverwechselbar nach mir klingen. Mir könnte es dann vielleicht selbst nicht gefallen, weil ich eben auf Tama schwöre. jeder bekannte Musiker schwört auf ein bestimmtes Fabrikat, weil es eben genau das bringt, was er braucht- aber sie werden auch auf anderen Instrumenten unverwechselbar bleiben. Und da ist noch was: Wer gut spielen will, muß natürlich auch ein Mindestmaß an körperlicher Fitneß mitbringen, gerade bei längeren Touren: Es wird schwieriger, je älter man wird. Ich musste meinen Lebensstil sowieso ändern, seit ich krank war (Rückenleiden), das hat dann schon mal was gebracht. Ich mache nichts spezielles. Wahrscheinlich sollte ich das aber tun. Ich find‘s einfach nicht interessant, es langweilt mich. ich pass auf mich auf, mache viele Stretching- Übungen, speziell wenn ich auf die Bühne gehe. Da muss ich vorher immer sicher sein, dass ich wirklich „gestretched“ bin. und entspannt natürlich auch, bevor‘s losgeht. Auf Tour heißt die Devise: So viel Ruhe wie möglich, die richtige Ernährung, aber es holt einen dann doch ein. Wenn man fünf oder sechs Shows wie diese hintereinander spielt- und die Nacht im fahrenden Tourbus verbringt, das strengt schon an. Jeder muss für sich rausfinden, wie er‘s am besten hinkriegt.

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Sounds of The Nineties, doch schon, ja gern…

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Auch wenn Simon Phillips bei allem was er tut, mit beiden Beinen fest auf dem Boden eher traditioneller Musikformen steht („Symbiosis“ klingt für mich als Jazz-Banausen wie Passport, was ihm schmeichelt, Gott sei Dank), die moderne Musik nimmt er doch wahr- vor allem wenn sie lebendige Schlagzeuger benutzt. Aber, kein Wunder, auch er steht eher auf die Bands, die ihre Wurzeln Hörbar in den Seventies suchen- Kula Shaker beispielsweise: Ich mag Sie wirklich, ich habe gerade die Platte gekauft und jetzt sehe ich das Video, …mein Gott, sie sind so jung. Ich finde ihre Sachen aber ziemlich gut. In den 60er Jahren gab es eigentlich auch nichts neues. Natürlich schon, aber auch diese Musiker haben sich bei den vierziger- und 50er Jahren bedient. Es kann auch wirklich nichts neues geben. Es ist einfach die Frage, wie man die Sachen miteinander vermischt, wie man sie neu verpackt, welche Elemente aus verschiedenen Musikepochen man benutzt und neu klingen lässt. Natürlich, klar ist es immer schwerer, heute Sachen zu machen, die neu klingen.