Welthits made in Zabrze
Die Popolskis, Karlsruhe, Tollhaus-Zeltival, 1.8.2008
Vor hundert Jahren, am 22. März 1908, erfand Opa Poposki die Popolski-Musik, die er später der Einfachheit halber in Popmusik umtaufte. Beim Pfarrfest hatte er 22 Gläser Wodka auf das Wohl der Jungfrau Maria getrunken, und er schrieb danach den Song, der als die Mutter aller Popsongs gilt: „Ei dobrze, dobrze dralla!“. Danach kamen weitere 128.000 Hits, die ihm allerdings von einem windigen Gebrauchtwagenhändler entwendet und in alle Welt verkauft wurden. Und nun tourt also die gesamte Verwandtschaft unter „der Oberhaupt der Familie“ Pavel Popolski alias Achim Hagemann durch die Welt, um die wahren Originale der Welthits zu zelebrieren. Der Oberhaupt der Familie ist schweigsam, wenn es um die wahre Identität der auf der Zeltivalbühne agierenden Popolski-Sippe geht. Immerhin weiß man, dass Pavel/Achim der Pianist des berühmten „Hurz!“-Sketches von Hape Kerkeling war. Die Polpolskis, verrät er immerhin, sind buchstäblich eine Schnapsidee, entstanden „nach viel Wodka zusammen mit polnischen Freunden“. Ein Narr, wer Schlechtes dabei denkt. Denn hier gibt es keine Polenwitze, im Gegenteil: In der Popolski-Story sind die Polen die Kulturnation und die Beklauten. Außerdem hat die gefälschte oberschlesische Sippe polnische Fanclubs in Deutschland und Polen.
Dann geht es los: Da arbeiten sich hochprofessionelle Mucker an mehr oder weniger originellen Sichtweisen dieser Songs ab. Das allein wäre ja abendfüllend, reicht aber nicht, um ein Massenpublikum zu begeistern. Was also tun? Comedy funktioniert immer, besonders wenn es nichts weiter braucht als einen halbwegs glaubwürdigen Akzent und die gut ausgebildete Fähigkeit, möglichst viele Wörter auf –ski enden zu lassen. Dazu ziehe man sich noch etwas merkwürdig an und zeige Bilder schlecht gekleideter grimmiger Menschen in Plattenbausiedlungen, und alles lacht. Ein Glück, dass diese „Familie“ wie zufällig über so viele unterschiedliche Typen verfügt. Den unglaublich dicken Isidor mit Kastratenstimme, die scharfe Dorota, die sich am liebsten in Rot kleidet und rote Autos fährt, die selbstverständlich immer kaputt sind, den einfältigen Janusz, der kaum einen Ton vor Schüchternheit raus bringt und kläglich versagt, wenn er ein Bass-Solo spielen soll. Und so weiter und so fort. Zusammen sind ihre „Originalversionen“ der Welthits ein recht inhomogener Ritt durch fast alle Spielarten von Rock, Pop und Jazz. Ob Mirek mit seiner überdrehten Heavy-Metal-Gitarre „We Have A Dream“ zersägt („mache bitte das scheise beklopste Gitarrä leisär“), ob Dorata „Lady In Red“ Wimpern klimpernd zu einer schwitzigen, bläsergetrieben Uptempo-Nummer umpolt, ob Isidor bei „Child In Time“ Ian Gillan in seinen besten Jahren Konkurrenz macht (zu seiner Brüllorgie darf man im Hintergrund Filme betrachten, auf denen ganze Plattenbausiedlungen einstürzen) – es ist immer die diebische Freude am Verbiegen der angeblich geklauten Coverversionen. Wobei man ja auch ganz ernsthaft mal die Frage stellen könnte: Hätten diese „Popolski-Originale“ ob ihrer ausgefuchsten musikalischen Komplexität tatsächlich eine Chance gehabt, Welthits zu werden?
Egal. Hier geht es ja vor allem um Komik, und die funktioniert in ihren besten Momenten so: Von unten klopft die Nachbarin (erwartungsgemäß eine im Dia gezeigte besonders schiefgesichtige und grimmige Plattenbauschrulle) an die Zimmerdecke unter dem Popolskischen Probewohnzimmer, von anderer Seite wirft ein anderer Nachbar im Takt eine Wodkaflasche an die Wand. Klirr. Macht zusammen Bumm Bumm Klirr. Und das ergibt wiederum den Grundrhythmus von „We Will Rock You“. Dieter Bohlens angebliches Diebesgut „Cherry Cherry Lady“ verwandelt sich zurück in das Lied über die Frau, die Kirschen auf dem Markt von Zabrze verkauft. Musikalisch irritierenderweise eine glanzvoll arrogant lärmende Mixtur aus Hendrix meets Led Zeppelin meets Red Hot Chili Peppers. Als Hinweis, das Zabrze nicht nur musikalisch führend ist, erfahren die begeisterten Zuhörer noch von der polnischen Mondlandung, knapp vor der amerikanischen. Die Besatzung der Rakete aus Zabrze nämlich hinterließ unter anderem eine Wodkaflasche auf den Mond. Die, so Pavel Polpolski, habe die Amerikaner schwer irritiert. Daher auch der berühmte Funkspruch; „Houston, wir haben ein Problem“. Man muss also damit rechnen, dass sich die Popolski-Idee in immer neueren Varianten entblättern wird. Der Oberhaupt der Familie verrät, dass Material für alle Zeiten vorhanden ist: „Die polnische Kultur ist allen anderen überlegen“, sagt Achim Hagemann ganz akzentfrei und nennt als Beispiele Filme und Trendsportarten. Das kann ja heiter werden.