Bis zur Rockerrente
Karlsruhe, Tollhaus, 8.11.2013
Die Puhdys akustisch? Geht das denn? Die Band, die 1969 als eine Art Deep Purple- und vor allem Uriah Heep-Ersatz für die in sich geschlossene Rockmusiklandschaft DDR angefangen hat, lebte doch eigentlich immer vom vollen Brett verzerrter Gitarren, von sämigen fetthaltigen Keyboardschwaden und der breitbeinigen Pose ihres Frontmanns Dieter Birr alias „Maschine“ – eines wahren Rock’n’Roll Schwerstarbeiters, der ebenso wie sein Gitarristenkollege Dieter „Quaster“ Hertrampf nächstes Jahr 70 wird. Gut, Alter war bei den Puhdys nie ein Problem, Keyboarder Peter Meyer, am Freitagabend im gut gefüllten Tollhaus als „Schwiegervater von Walter Ulbricht“ angekündigt ist 73.
Aber unplugged? Doch, es geht: Denn ein Großteil der Puhdys Songs basiert auf einfachen, sofort mitsingbaren Melodien, die schon in der Wanderklampfen-Version im besseren Fall Bewegungsdrang, im grenzwertigeren Fall Schunkelreflexe beim Publikum auslösen. Die fünf verdienten Helden der liedhaften Rockmusik (die u.a. durch zwei Söhne verstärkt werden) verzichten weitgehend auf die sperrigen Momente ihres Frühwerkes wie „Türen öffnen sich zur Stadt“. Einzig die magisch-mystischen „Perlenfischer“ kommen wohlig dräuend, von Drummer Klaus Scharfschwerdt machtvoll akzentuiert. Mehr davon wäre die andere denkbare Variante eines akustischen Abends gewesen.
Freilich funktioniert da eingängigeres Liedgut wie „Unser Schiff“, mit dem das aktuelle Album beginnt, viel besser: Mit dem Unterton eines irgendwoher wohlbekannten Seemannsliedes trifft es den Nerv eines Publikums, das sich gern als Chor für die Band betätigt. Diese volksnahe Kollektiv (so stellt Herr Birr später seine Musikanten vor) wird viele Lieder folgen lassen, die genauso als Identifikationsvorlegen funktionieren, und von den die meisten Hits waren. Und doch ziehen die Herren keine reine Nostalgieshow ab. Selbstbewusst präsentieren sie ein gerüttelt Mass an Songs, die sie nach ihrer kurzzeitigen Trennung 1989 aufgenommen haben. Da ist die pathetische Hymne „Was bleibt“ vom 1992er Album „Wie ein Engel“, die inzwischen auch schon ein Klassiker geworden zu sein scheint. Wer könnte sich nicht mit dem Text (von Gerulf Pannach) identifizieren, den der zerknitterte König der Tränensäcke da wieder mit einer Mischung jugendlicher Aufmüpfigkeit und gleichzeitig Altersmilde zelebriert: „Vieles hab ich nicht erkannt, manches auch versäumt, doch ich habe immer was gefunden. Träume vom Schlaraffenland hab‘ ich auch geträumt, als ich hinkam, war es schon verschwunden“.
Aber zum Glück gibt es ja noch die Puhdys, die für all ihre begeisterten Fans fühlbar mehr sind als eine musikalische Heimat und sie spielen ja bekanntlich „bis zur Rockerrente“. Der Musikmanager Peter Schimmelpfennig, der vor ziemlich genau 37 Jahren, am 9. November 1976 die Puhdys zu ihrem ersten Westauftritt in die Hamburger Fabrik holte, hat über die Band, die bis heute über 20 Millionen Alben abgesetzt hat, mal gesagt „Es gibt ja Leute, die sagen, das sei keine richtige Rockmusik, kein richtiges Rockkonzert. Das stimmt eigentlich. Puhdys Konzerte sind eher Volksfest“. Genauso ist es, gerade auch unplugged. Nicht unplugged ist übrigens der Puhdys Adventskalender, der beim Merchandise angeboten wird. Gefüllt mit „feinster belgischer Vollmilchschokolade“