„Blut, Schweiß und Tränen“
Karlsruher Begegnung mit Veranstalterlegende Fritz Rau. Erschienen in den Badischen Neuesten Nachrichten, 2006
„Plötzlich ist die zweite Liga interessant“, freut sich Fritz Rau. Der KSC ist für ihn, den „Ittersbacher Bub“, immer noch oder wieder ein Thema. „Zu Winnie Schäfers Zeiten war ich Feuer und Flamme, als der KSC abstieg war ich traurig“. Es sei eben wie bei seiner zweiten Lieblingsmannschaft, der Frankfurter Eintracht. Man müsse Masochist sein, um Fan zu sein. Fußballleidenschaft und gemeinsame Stadionbesuche, das verbindet den großen Konzertveranstalter im Ruhestand mit Holger Witzel verbindet. Witzel, Geschäftsführer des Durlacher Modehauses Nagel, hatte den Freund und Kunden am vergangenen Freitag Abend zu einer Lesung aus seinem Erinnerungsbuch „50 Jahre Backstage“ eingeladen.
Rau hat in den 50er Jahren als Jazzveranstalter im Heidelberger Club Cave 54 begonnen, holte später Rockgrößen wie die Stones nach Deutschland und setzte später mit gigantischen Festivals neue Maßstäbe. Einer der ganz Großen im weltweiten Veranstaltungszirkus. „Fritz Rau ist der Pate von uns allen“ hat Mick Jagger einmal über ihn gesagt. 134 Lesungen hat er, der von sich behauptet, mit 73 in Ruhestand gegangen zu sein, dieses Jahr hinter sich gebracht. „Ich habe früher geträumt, dass ich Posaune spiele wie Mangelsdorff oder singe wie Bruce Springsteen“, bekennt er. Dazu habe es nie gereicht. „Also war ich lieber der erste in der Backstage als ein Trottel auf der Bühne“. Jetzt ist er fast verwundert über den Zuspruch und die Neugier seiner Zuhörer. „Die wollen wissen, was hinter der Bühne passiert. Und ich habe das Glück, dass ich von Künstlern reden kann, die ich persönlich kenne“. Aber private Affären sind tabu „Es geht nicht um Sex, Drugs und Rock’n’Roll, sondern um Blut, Schweiß und Tränen“. Mit Freude registriert der, dass die Hälfte seiner Zuhörer unter 30 ist. Und die Anderen? „Die bringen alte Eintrittskarten mit, erzählen mir, dass sie bei Bob Dylan in Nürnberg waren, und wollen wissen, wie lange die Rolling Stones noch spielen werden.“
Im August hat ihm die Musikhochschule Frankfurt eine Honorarprofessur für Kulturmanagement angetragen. Inzwischen hat er seine erste Vorlesung hinter sich gebracht. Jungen Menschen den Einstieg ins Kulturmanagement zu erleichtern, so definiert er seine Aufgabe. Man könne das heute durchaus noch als Überzeugungstäter betreiben: „Erstens mal geht die Musik weiter“, schmunzelt er. „Zum Beispiel mit Alexander von Wangenheim“. Er deutet auf seinen musikalischen Begleiter, den „Boogiebaron“, der nimmt das Kompliment lachend an. „… Bis zu Robbie Williams“. Klar habe die Musikindustrie unterm Internet zu leiden, aber das Live-Geschäft boome – Robbie immerhin habe das Autodrom gleich zweimal ausverkauft. „Ein Live-Konzert kannst Du nicht runterladen, das ist etwas Einmaliges“.
Rau hat sich in vielen Interviews dazu bekannt, dass sein Familienleben unter seiner Arbeit zu leiden hatte, „Früher habe ich Geburtstage vergessen, meinen Hochzeitstag vergessen.“ Heute richtet er seinen Terminkalender dieser Tage an den Bedürfnissen der Familie aus: Lesungen sind am solchen Terminen tabu. „Weihnachten letztes Jahr war ich bei der Familie meiner Tochter, dieses Jahr werde ich bei meinem Sohn sein.“ Aber ein Zwischenhalt in Karlsruhe – das ist für ihn reines Heimatgefühl „Es ist wie die Rückkehr des verlorenen Großvaters. Ich bin ein badischer Gastarbeiter, der in Hessen sein Glück gemacht hat. Und wenn der KSC aufsteigt, dann wird das für mich ein Feiertag sein“.