„Thank you, my family“
Roachford, Jubez, Karlsruhe, 8.4.2014
Der kommt auf die Bühne, fragt kurz nach, ob man sich denn wohlfühle und grinst dann breit: „You’re ready“, gar keine Frage. Schon hat er sein Publikum. Dennoch: Der breiten Masse dürfte Andrew Roachford, der 49-jährige Londoner Sänger, Pianist, Gitarrist, Songschreiber eher als der Mann bekannt sein, der Paul Carrack bei Mike And The Mechanics beerbte. Seine eigene Musik hat noch einiges mehr zu bieten hat, als der Rutherfordsche Wohlfühlpop zulässt.
Roachfords Songs sind bunter, exaltierter. Im Konzert feiert er das Leben. Selbst die eher melancholischen Balladen strahlen soviel Energie und Freude aus, da müsste er selbst mit seinem entwaffnenden Lächeln nicht mehr nachhelfen.
Es sind die Melodien, denen man sich nicht entziehen kann, die so eingängig und dennoch mit respektvollen Abstand zu den drei verbotenen Standardharmonien konstruiert sind. Es ist das Arrangement, das sich zu einem Gutteil um die markanten Pianoakkorde aufbaut, die Roachford in den Raum entlässt. Es ist diese so seltene Melange, die Pop-Appeal mit kräftigen, verzerrten Gitarren oder naturbelassenem, handgespielten Funk anfüttert.
Und wenn das Tempo runtergeht, wenn Kuschelzeit angesagt ist, wissen die Sidemen, was zu tun ist: Sie vermeiden klebrigen Plüschsofa Soul, und lüften stattdessen kräftig durch. Vielleicht sind es genau diese Qualitäten, die Andrew Roachfords ganz große Karriere in den Neunziger-Jahren seinerzeit verhindert haben: Zu rockig, zu wenig gedimmtes Licht für das Soulpublikum mit den Goldkettchen um den Hals. Schon die Konzerteröffnung „Ebony“ ist diesbezüglich ein lautstarkes Statement.
„Real Again“, vom aktuellen Album „This Beautiful Moment“ ist eine muskulöse und dennoch filigrane Nummer, die vor Selbstvertrauen nur so strotzt und von Ferne an vergangene Großtaten von U2 erinnert – mit dem Unterschied, dass Roachford sich von überlebensgrossen Pathos eines Bono in recht deutlichem Sicherheitsabstand bewegt. Dabei ist sein Gesansgstil die beste Versicherung gegen Kitsch: der Junge hat eine richtiggehende „Schwiegermutterstimme“, weiß aber genau, wie weit man das „schön singen“ treiben kann. Der erlaubt sich ausschweifende Koloraturen nur dann, wenn es auch wirklich passt. Der dehnt die Worte nicht, sondern macht lieber mal ganz viele Worte, auch wenn es doch immer nur um die alten Themen Liebe und Freundshaft geht, die er in „Hello Friend“ gegen falsche Facebook-Freundschaften verteidigt.
Dafür schließt er Freundschaft mit dem Publikum. Runter von der Bühne, „I need to get a little closer. Don’t be scared“. Keine Spur, schließlich tanzen sie alle mit ihm zu „This Generation“, einer aus gelassenen Hymne im Disco-Groove der Siebziger Jahre, der kurz den Sister Sledge Hit „We Are Family“ zitiert“. „Thank you, my Familiy“, dankt der Künstler, bevor er das Zugabenpaket auspackt.