The Living Years. The First Genesis Memoir
„Michael, Du bist der Sohn eines Marineoffiziers, du musst dich jederzeit wie ein Marineoffizier verhalten und immer stark sein“. Das waren die Worte, die Captain William Francis Henry Crawford Rutherford seinem Sohn Michael mitgab. Mit dem Tod des Vaters beginnt die erste Autbiografie eine Genesis-Mitglieds. Rutherford benutzt einen – zumindest für Rockmusiker-Biografien – ungewöhnlichen literarischen Kniff: er stellt sein Leben gegen das seines Vaters. Reichlich Material dafür hat er bei der Hand: Immer wieder zitiert er Passagen aus der unveröffentlichten Autobiografie des alten Rutherford, und beleuchtet damit zugleich den ungewöhnlichen familiären Hintergrund der Genesis-Gründungsmitglieder, die allesamt „höhere Söhne“ waren. Wobei erstaunt, wieviel Unterstützumg der jungen Michael von seinem Elternhaus erfuhr, als er sich zur unsicheren Musikerkarriere entschloss.
Die wird eindringlich geschildert, wobei der Schwerpunkt auf den frühen Genesis-Jahren liegt. Die Zeit bis zu Peter Gabriels Ausstieg nimmt mehr als die Hälfte des Buches ein. Hier gelingen dem Gitarristen einfühlsame Nahaufnahmen seiner Bandkollegen, der unterschiedlichen Charaktere und ihrer Reibereien, des Reifeprozeses der Band bis zu einem verkaufbaren Markenartikel. Wer allerdings Rutherford beim Waschen Schmutziger Wäsche zusehen will, wird enttäuscht. Überraschende Enthüllungen wird er hier nicht finden, allenfalls das Bekenntnis, dass auch er schon mal kurz zum kolumbianischen Marschierpoulver gegriffen hat. Je größer aber Genesis wrd, je mehr die Solokarriere mit Mike and The Mechanics Fahrt aufnimmt, desto oberflächlicher wird der Report. Das Anekdotische gewinnt zunehmend Überhand über das Analytische. Fast scheint es, als habe der Autor auf den letzten Metern ein wenig das Interesse an sich selbst verloren.
Constable, London, 2014, 241 Seiten. ca. 22 Euro