Der perfekte Kraftblues

Es ist wirklich ein Glück, das Ryder dieses Album kurz vorm ersten Lockdown 2020 bei einer Deutschland-Tour aufgenommen hat. Glück deshalb, weil er mit seiner europäischen Tourband unterwegs war, der ehemals besten und schlagkräftigsten DDR-Bluesrock-Maschine Engerling. Gleich beim Opener ›Betty’s Too Tight‹ zeigen die Gitarristen Heiner Witte und Gisbert Piatkowski, wie man mit kunstvoll ineinander verschachtelten Licks multiple Orgasmen herstellt. Die beiden haben zudem ein ausgeprägt stilsicheres Gefühl für die richtigen Sounds an der richtigen Stelle, für den ausgeklügelten Doppelgitarren-Wahnsinn und bei Bedarf für vornehme Zurückhaltung. ›Tough Kid‹ donnert in halsbrecherischen Tempo aus den Boxen.. Dabei trägt die ungeheuer tighte und kontrolliert aufspielende Rhythmus-Section sowohl die Gitarristen als auch Ryders wunderbar unkontrollierbare Stimme. Man sieht den damals 75jährigen förmlich vor sich, wie er, ganz in schwarz, mit tief ins Gesicht gezogenem Hut, ums Mikro schleicht und singt, flüstert, brüllt, stöhnt und ächzt, gelegentlich auch wütet. ›Ain‘t Nobody White Can Sing The Blues‹ beweist, dass es zumindest einen gibt, der es kann. Das Stones-Cover ›Heart Of Stone‹ verweist das Original in die Regionalliga, der Sänger ist mittlerweile auf Betriebstemperatur. Da kann er sich in ›If You Need The Pain‹ oder dem orgellastigen ›Many Rivers To Cross‹ auch mal etwas zurücknehmen und den Blues genüsslich und nuanciert in allen Varianten ausmalen. Im auf 15 Minuten keine Sekunde zu lang gedehnten Doors-Cover ›Soul Kitchen‹ wird Ryder zum schamanenhaften Lizard King, auf schon beinahe unheimliche Weise zum Jim Morrison-Wiedergänger, der sich mit brüchiger Stimme direkt in den Solarplexus der Hörer bohrt. Doch, vielleicht klänge Morrison heute so.

9/10