Perfektes Gipfeltreffen

Zeltival-Abschluß mit Treacy Band und Groove Incorporation, Karlsruhe, Tollhaus, 4.8.2008

So viel Musikerglück war selten: Der eine, Seán Treacy, freut sich, dass er „Living Years“ von Mike and The Mechanics singen kann. „Der Song kam in der Zeit heraus, als mein Vater starb, das bedeutet mir sehr viel“, sagt er. Der andere, Olli Roth, erzählt eine andere Geschichte. „Seit ich ein bisschen zugenommen habe, werde ich immer wieder drauf angesprochen, ob ich nicht was von Meat Loaf drauf hätte. Heute wird’s passieren.“ Heute war Sonntagabend, zum dritten Mal bildete die Bühnenkooperation der profiliertesten Coverbands der Region, der Seán Treacy Band und der Groove Incorporation den Abschluss des Zeltivals beim Kulturzentrum Tollhaus.

Das Prinzip ist über die Jahre das gleiche geblieben: Die beiden Bands suchen sich vor allem Songs aus, die sie nicht in ihrem Standardrepertoire haben. Songs, die einen vielstimmigen Klangkörper erfordern. „Die müssen allen gefallen, vor allem den Sängern, sonst kommen sie nicht ins Programm“, sagt Treacy. Gerade mal zwei Gesangsproben plus zwei Gesamtproben hat es gegeben, dann steht das Rock- und Popensemble im Jazzbigbandformat auf der Bühne des Zeltes, und erzeugt vom ersten Moment an ein wohliges Kribbeln im Bauch. Mit „Hello – Turn Your Radio On“ von Shakespeare’s Sister zeigen die zehn Männer und eine Frau schon mal ihr Alleinstellungsmerkmal: Den lupenreinen mehrstimmigen Gesang, der trotz aller Perfektion fast nie glatt klingt. Das Repertoire 2008 setzt durchweg auf anspruchsvollen Pop und Rock von Talking Heads bis Tears for Fears, von Rod Stewart bi Led Zeppelin.

Jeder Leadsänger darf mit dem glänzen, was er am besten kann. Da liefert Olli Roth ein zuckersüßes „Babe“ ab, um kurze Zeit später das wallende Haar zu öffnen und mit Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ im Rücken den ganz wilden Mann zu markieren. Die göttliche Sandie Wollasch tobt mit Treacy Drummer (der an diesem Abend Percussionist und Sänger ist) durch „It Takes Two“. Schön zu sehen, wie viel Spaß die beiden haben. Schön auch, dass sie dabei weder wie Tina Turner klingt, noch er wie Rod Stewart. Und hintendran tuckert Groovemeister Tommy Baldu am Schlagzeug wie eine Atomuhr.

Seán Treacy selbst ist dann die Aufgabe zugewachsen, den krächzigen Rod Stewart zu geben. „Maggie May“, vielleicht einen Tick zu schnell gespielt beweist, dass man nicht ganz so aufgekratzt klingen muss wie Rod, um die Story vom Schulbub und der Hure glaubhaft rüberzubringen. Nebenbei demonstriert Treacy noch mit voller Absicht seine beschränkten technischen Fertigkeiten auf der Mandoline und ernte dafür viel Schmunzeln. 

„Frauen kommen von der Venus, Männer kommen aus Karlsruhe oder Ettlingen“, behauptet Pe Werner aus Heidelberg, und keiner der Karlsruher und Ettlinger nimmt ihr es krumm. Auch nicht, dass sie Männer als „Gefühlssparschweine“ definiert. „Man steckt unheimlich viel rein, und am Ende denkt man nur noch „If I had a Hammer“. Sie führt sich ein mit einer furiosen Version ihres 89er Hits „Weibsbilder“ ein, und führt anschließend vor, dass sie nicht die einzige Kurpfälzerin ist, die den Blues singen kann. Ausgerechnet das temporeiche „Can’t buy me love“ von den Fab Four nutzt sie als Vorlage für einen kernigen Slow Blues.

Auch der zweite Gast, der von Rosenstolz ausgeliehene Gitarrist Peter Koobs, macht seine Sache hervorragend. Er ist einer derjenigen, die in einem Solo-Spot genau wissen, dass nicht nur Geschwindigkeit zählt. Und so schafft er es, ausgerechnet das synthieschwangere „Sweet Dreams“ mit einem Solo voller langgezogener, pieksender Töne aufs wohltönendste zu veredeln. So viel Leichtigkeit, soviel funkensprühende Beseeltheit zwischen so vielen Menschen auf einer Bühne sieht man selten. Nur fünf Minuten lang müssen sie sich richtig zusammen reissen. „Sowing The Seeds Of Love“ (Tears For Fears) ist ein so komplexes Stück Musik mit so vielen verqueren Gesangseinsätzen, bei denen sich jeder blind auf seine Kollegen verlassen muss. Man sieht die knisternde Spannung förmlich. Klappt das alles? Es klappt. Dass Sandie Wollasch die Stimmgipfel von Kate Bushs „Babooshka“ mit scheinbarer Leichtigkeit erklimmt, mutet da schon fast wieder selbstverständlich an.Nach vier Zugaben erst darf die Doppelband die Bühne verlassen, und manch einer mag sich fragen: „Wann entdeckt ein Tourveranstalter dieses ziemlich einmalige Paket und schickt es auf bundesweite Tour?“. Seán Treacy hat sich schon vorm Auftritt klar und selbstbewusst dazu geäußert: „Das haben wir und schon nach der ersten Auflage gefragt“.