Es hopst der Schrat
Skyclad, Karlsruhe, Substage, 22.4.1998
Gleich vorweg: Es gehörte zu jenen seltenen Konzerten, bei denen man sich am Ende artig backstage schleicht, um den Künstlern persönlich heißen Dank für ihre erregenden Darbietungen abzustatten. Und sie hatten es verdient. Das „Substage“ hatte seine kleine, aber feine Partybühne erstmals aufgestellt, und damit die Atmosphäre gleich mal auf Pub-Ebene abgesenkt bzw. hochgeschraubt. Und so fühlte es sich denn auch an. Martin Walkyier („Ich bin der Martin“) steckte gleich zu Anfang die Ziele der wohlfeilen Darbietung in perfektem Deutsch ab: Party bis zum Umfallen, ein bisschen was trinken, auch mal einen heben zwischendurch, vielleicht noch sich einen hinter die Binde kippen und zur Abwechslung mal so richtig saufen.
Als Höhepunkt der Bühnenshow hatte er auf der Bassdrum seinen Freundin „Lambrusco“ postiert, ein kleines Lämmchen aus Stoff „mit einem kleinen Alkoholproblem“. Die Handpuppe machte locker das Fehlen von Rauch, Feuer und Raketen wett. Was gab es außer Spaß noch?
Musik mit Herz und Verstand, mit Ironie und Kampfgeist. Martin Walkyier is nicht nur aus Nottingham, er sieht auch aus wie Robin Hood persönlich. Und nachdem die Stadt ja nun nicht mehr mit dem Rächer der Schwachen und unterdrückten Tourismuswerbung machen will, muß Martin eben ran, nicht für die Tourismuswerbung, sondern für’s Rächen der Armen und Schwachen, versteht sich.. Und stellt mit Songs wie „Inequality Steet“ oder „Land of the Rising Slum“ auch gleich klar, wo es politisch lang geht.. Und wer sich bisher noch nicht vorstellen konnte, wie metallisches Gitarrengewitter klingt, wenn man es dezent auf fröhliches Akus-tikgezampel heruntertunt („We’re Cradle of Folk“), dem sei gesagt: Es verliert nichts an Biß, oder um es mit Mixer Andy Schorpp zu sagen: „das ist die lauteste Unplugged Band, die ich je gesehen habe.“
Aber auch die lustigste. Wenn es um Sex geht, gibts ja genug Vorurteile über die Verkorkstheit der Briten- und Mr. Walkyier bestätigte sie alle in senen launigen Erzählungen zum Song „My Naked Eye“. Erst kommt Fußball, dann der Five-O-Clock-Tea, dann das genüßliche Verspeisen von After Eight-Plätzchen und dann vielleicht noch Sex. „Wir haben in unserem Tourbus einen Fußball, Tee und After Eight und…. irgendwelche Freiwilligen?“ Spaß außen vor, die Spielfreude- oder besser der Spielwahn der fünf Mannen und ihrer Georgina Biddle on the Fiddle steigerte sich nach der Pause („We’ll have a break, cause apparently that’s what Folk Bands do“ ) ins Unerbitterliche.. Und es kam, was kommen mußte: Drei Zugaben (oder waren es acht?) später war man am Ende, so rein repertoiremäßig. Also gab’s nochmal „Spinning Jenny“ und Schluß war. Verwirrt und glänzenden Auges und Ohrs verließ das Publikum den Saal, mit Ausrufezeichen in den Augen.