Notizen aus der Provinz

Sons Of Bill im Jubez, Karlsruhe, 5.12.2012

Die Sons Of Bill sind ein Quintett aus Charlottesville. Virginia – ihr Kern sind die Brüder James, Sam und Abe Wilson. Mit ihrem in diesem Jahr erschienen dritten Album „Sirens“ haben sie wohl zu ihrem definitiven Bandsound gefunden: Verwurzelt im Country-Rock der 70er Jahre integrieren sie Nineties-Gitarrenrock und Alternative Country Elemente – und lassen ihrer Neigung zum hymnischen ziemlich ungehemmt freien Lauf. Das schafft den perfekten Soundtrack zu nicht gedrehten Filmen über sympathische Träumer aus der Provinz. Der verschmähte Liebhaber, der in „Broken Bottle“ davon träumt, allein in der Gosse zu verrecken, ist so einer, der sich dann wieder zur Ordnung ruft: „Hank Williams might have been a love sick drinker, but bein‘ a love sick drunk don’t make you Hank“. Der junge James Wilson – beziehungsweise sein 18jähriges Alter Ego – das den Song „Texas“ seinerzeit als Spottlied geschrieben hat, stößt in dem Staat, über den es soviel Country-Songs gibt, schnell an seine Grenzen und stellt fest: das ist nix für einen Jungen aus Virginia. Er ist eben kein Cowboy, der mit den Senoritas tanzt, und nein: Er kann nicht in einem Staat leben, in dem jeder denkt, er sei John Wayne.

Die Musik arbeitet mit einem einfachen, aber wirkungsvollen Vokabular: Auf einen ganz geraden Viervierteltakt bauen sie ihre durchweg extrem altmodischen Gitarrenorgien, mit sämiger Orgel abgerundet, und der Gesang – meist von James Wilson – klingt durchweg nach perfektem Schwiegersohn. Da braucht es nur kleine Nuancen, um diese Stimmungen zu erzeugen, die sofort Sehnsucht im Zuhörer kribbeln lassen: die aus der amerikanischen Weite, nach irgendwo hingehören, nach dem Besitz eines Benzintanks voller Melancholie. Den haben die da auf der Bühne: Vollgetankt mit zündenden Melodien voller unpeinlicher Sentimentalitäten verpackt. Alle diese Songs haben ein großes Herz, das die Welt umarmen will, und wes das Herz voll ist, dem geht das Griffbrett über: Sam Wilson hat eine neues Instrument, eine wunderschöne Duesenberg Gitarre, made in germany (Bruder James weist extra darauf hin), mit deren Klangfülle er sich hörbar selbst beflügelt und offensichtlich sturzverliebt Tonkaskade auf Tonkaskade türmt.

Dann, gegen Ende des zweiten Sets ist „Siren Song“ dran, dieses auf viereinhalb Minuten komprimierte Roadmovie, das die ganze Klasse der Band auf den Punkt bringt. Zwei ekstatische männliche Ausdruckstänzer mittleren Alters im durchweg hochenthusiasmierten Publikum streben nun, kräftig Biere nachtankend, ihrem Höhepunkt zu, und wer möchte es ihnen verdenken, wo doch nun James Wilson endgültige Wahrheiten kündet: „And our heart it screams to belong, but we live and die as we dream all alone. And I heard those sirens singing on FM radio, darlin‘ they won’t let me go“. Ja, es greift an die Seele, aber es trieft nicht. Es könnte klingen wie: Volltanken, ab auf den Highway, aber dazu ist die Bühne im kleinen Jubez Saal doch etwas zu klein. Man würde es den Herren wünschen, so etwas auf einer Stadionbühne zu zelebrieren, die Menschen würden sich in Massen kampflos ergeben. Wenn sie dann auch noch Bruce Springsteens „No Surrender“ covern, glaubt man ihnen jedes Wort. Vor allem den Satz, sie hätten aus einem Drei-Minuten Song mehr gelernt, als in der ganzen Schulzeit.