Mal dein Herz mit Farbe an
Stoppok im Tollhaus, Karlsruhe, 19.6.2020
Stefan Stoppok ist im weitesten Sinne Bluesmusiker. Aber sein Blues ist ein ganz eigener, wie er am Samstagabend im Tollhaus wieder einmal unter Beweis stellte: Er klagt nicht, er macht Mut. Er hat Witz und eine durchaus ins Positive gewendete Hinterfotzigkeit. Und auch bei diesem Konzert nach langer Corona-Zwangspause – dem ersten von zweien am gleichen Abend – tut er wieder das, was er neben Musik besonders gut kann: Geschichten erzählen, und dabei auch gerne mal mit den eigene Unzulänglichkeiten kokettieren: „Ich bin so komplett aus der Übung, ich hab‘ keine Ahnung, wie diese Geräte funktionieren“, scherzt er, um sich in ein kompaktes einstündiges Programm zu stürzen.
Alles rein akustisch als One Man Band mit wechselnden akustischen Gitarren und ein paar Beats au den „Geräten“. Da gibt es auch ein paar flitzeflinke Soli, trotz bei der Rasenmäher-Reparatur beschädigtem kleinen Finger. Da entfalten sich gerade auch die Qualitäten der Texte dieses notorischen Nuschlers: Gefühlvoll, aber nie gefühlig. Leise, aber deutlich und immer mit Haltung. Politisch, aber nicht polternd. Er singt von den Entscheidungen, vor denen jeder steht. Menschlichkeit gegen Profit, Empathie gegen Hass, Zuversicht gegen Resignation. „Tanz“ bringt die Stimmung dieses viel zu kurzen Konzerts auf den Punkt. „Beweg‘ dein Herz zum Hirn,
schick beide auf die Reise. Tanz, tanz, tanz aber dreh dich nicht im Kreise“. Man beobachtet dieses Publikum, und wenn man genau hinsieht, fühlt man, dass es innerlich tanzt und singt. Hörbar laut singen ist ja noch verboten und immerhin: „Ich hab‘ mich beim Gesundheitsamt erkundigt: ihr dürft klatschen, aber dabei nicht ausatmen.“.
Vielleicht hält ja manch einer auch gerne mal den Atem an, wenn Stoppok seine unprätentiösen Liebeslieder singt: „Jede Stunde“ etwa, oder das immer wieder berührende „Aus dem Beton“, das er nach einer Dreiviertelstunde spielt: Diese Geschichte von den zwei Losern, die irgendwie zusammenfinden, eher beiläufig hingetupft. Daraus kann man einen sentimentalen 500-Seiten-Roman machen. Stoppok aber erzählt sie in drei Minuten und produziert damit einen ganzen Film im Kopf des Zuhörers. Das „Richtige“ im Text weggelassen, und die Geschichte erzählt sich von selbst. Die Musik trägt Songs wie diesen in ihrer abgespeckten Form sowieso am besten. Vorher hat er gefragt: „Wie lange hab‘ ich denn gespielt?“, und einer aus dem Publikum hat ihm zugerufen: „Zehn Minuten!“ Lauter kann der Beifall eines Publikum kaum sein. Eines Publikums, mit dem der Sänger in „Dein Herz“ noch einmal eins wird: „Mal‘ dein Herz mit Farbe an. Möglichst bunt, steck ‘ne Rose dran. Stell Dich dann auf den höchsten Berg, breit‘ die Arme aus und zeig‘ der Welt dein Werk.“