Courting The Widow

Inside Out / VÖ: 16.10.2015

Mit vollen Segeln in die Düsternis

Nach seiner überzeugenden Einführung in den Prog-Olymp als Sänger von Steve Hacketts Genesis-Nostalgie-Trips kann Nad Sylvan für sein erstes Soloalbum seit 2003 auf eine erlesene Gästeschar von Hackett und Roine Stolt über Bassist Nick Beggs bis hin zu den Trommlern Nick D’Virgilio und Doane Perry zurückgreifen. Die setzen diesem Album zwar einige zusätzliche Glanzpunkte auf, aber das Entscheidende sind diese gelungenen Kompositionen, deren Protagonist zum guten Teil die rätselhafte, finstere Figur des „Vampirate“ ist.

Sylvan jagt ihn mit großem Ernst und angemessener Theatralik durch eine dunkle Geschichte, die musikalisch dennoch mit einer erstaunlichen Leichtigkeit inszeniert wird. Der Sänger kann sich dabei noch so sehr bemühen, sich von Peter Gabriel abzusetzen – er hat dessen Timbre und gesangliche Manierismen so intensiv studiert, dass sie immer wieder durchscheinen. Was aber nicht mühsam angelernt klingt. Vor allem, weil die Musik zwar immer wieder nah an Klangbild und Harmonieführung der frühen Genesis-Jahre entlangschrammt, aber etwas weniger verspielt, auf ganz eigene Art funky klingt. Das Album hat einen magischen Fluss, malt Licht und Schatten in Pastelltönen. Während Echoes Of Ekwabet sehr düster wirkt, hat The Killing Of The Calm einen leichten Folk-Touch. Das 22-minütige ›To Turn The Other Side‹ entwickelt seine Anziehung durch rhythmische Geradlinigkeit, die keine radikalen Brüche und fingerflinke Soli braucht, um aufregend zu sein: Mit leichten Varianten, mit immer neuen Farbgebungen, mit der raffiniert gesetzten Reprise von Themen, die sich subkutan ins Ohr schleichen. Sehr intensiv, mit Suchtpotenzial.

8 1/2 / 10