Ditsche ist ein Country Boy At Heart
Texas Lightning im Tollhaus, Karlsruhe, 1.10.2005
Mindesten zwei Leute in dieser Band kennt man aus „anderen Arbeitszusammenhängen“. Trommler Olli Dittrich und Leadsänger Jonny „The Flame“ Olsen sind fernsehbekannt als Ditsche und sein kongenialer Tresenpartner Imbisswirt Ingo. Die Namen dürften der Kapelle noch ein wenig zusätzliches Publikum außerhalb der Zielgruppe „Liebe Countryfreunde“ in die Säle treiben. Schon vor fünf Jahren tingelte die Kapelle um Jonny Olsen tapfer durch Hamburger Clubs mit so schönen Namen wie „Anna’s Country & Western Saloon.“ Olli Dittrich hat einfach mitgeholfen, sie nach einigen Umbesetzungen wiederzubeleben.
Auf Tour bauen sie sich ihren eigenen Country & Western Saloon, schön kitschig mit zwei grünen Leuchtkakteen, die altertümelnden Mikrophone im Stil der amerikanischen Country-Radioshows damals in Nashville, und ein glitzerbesternter Himmel leuchtet gütig über der Tollhaus-Bühne. Hüte gibt’s selbstredend auf jedem Kopf, Sängerin Jane Comerford ausgenommen – die singt wie eine Göttin und wirkt wie eine ländliche Madonna-Marilyn. Wenn Jonny Olsen „Amigo“, die Liebeserklärung des Gitarrespielers an seine Gitarre, mit den Worten ankündigt: „Freuen Sie sich auf … mich!“, trifft er damit den schmalen Grat zwischen „ernsthafter“ Musik und seinen und den Comedy-Talenten des Herrn Dittrich. Die Band hält – getreu ihrem Motto: „It’s Not A Joke, It’s Country“ immer die Balance: Da ist der unaufdringliche Gitarrist Markus „Fastfinger“ Schmidt, der seinem Spitznamen jede Ehre erweist. Aber nur wenn es passt. Und da ist der grundsolide Kontrabassist Uwe Frenzel, der im Eifer des Gefechts auch seinen großes Holzgerät mal drehen darf. Die Band glänzt durch locker-luftigen Sound, Schmidt setzt auf E- Gitarre und Banjo die solistischen Glanzpunkte, Olsen und Comerford bilden ein gesangsglamourpaar mit Biss und Schmelz gleichzeitig, Olli Dittrich trommelt einfach und gradlinig mit sichtlich viel Spaß.
Moon Martins „Bad Case Of Lovin You“ zeigt, zum ersten Mal an diesem Abend, dass eigentlich alles ein Country Song ist – eben auch Rocker oder Hitparadenpop. Olli Dittrich berichtet vom Schicksal all der vielen Musikern, die „Country-Songs geschrieben haben, ohne es zu wissen“. Ein schönes Konzept, das so gar nichts von Countryschlagerseligkeit hat. Bei vergessenen Country Perlen, wie „Dancing Queen“ oder „Norwegian Wood“ entfleucht der Truppe (inklusive Dittrich) ein Satzgesang, dass fast das Herz stehen bleibt. Dass in Madonnas „Like A Virgin“ schon immer en Countrysong steckte, ahnte man. Aber selbiges aus Michael Jacksons „Man in The Mirror“ herauszukitzeln, ist mehr:: Hohe Kunstfertigkeit, wenn nicht gar Kunst (auf jeden Fall mehr als Kunsthandwerk) darf dieser strahlenden Bearbeitung attestiert werden. Da braucht es eine Strophe mindestens, bis man das Original unterm Nashville-Soundmantel hervorlugen sieht. Sollte da mehr hinter diesem Gag stecken, etwa die Idee, einen guten Song so lange in andere Kostüme zu stecken, bis er als solcher sichtbar/hörbar wird? Vermutlich würde sich aber der ungebremsten Countryfizierungswut dieser Kapelle kein Song entgegenstellen könne. Dass sie die wirklichen Countrysongs im Repertoire von Bill Monroe, Tammy Wynette oder Emmylou Harris mit großem Respekt behandeln, versteht sich ebenso von selbst, „Highway To Hell“ als Teil des Zugabenblocks.