Rip It Up

ear music / VÖ: 10.2.2017

Kraftblues ist das eine Standbein der britischen Band, klassischer Hardrock das andere. Plus die Fähigkeit, Party zu machen, die sie besonders live hemmungslos ausspielt. Auch im Jahr 28 der Bandgeschichte (mit Unterbrechungen) ist darauf Verlass, davon zeugen einige simple Abgehnummern wie ›No One Gets Out alive‹. Was aber dieses Werk auszeichnet, ist das hörbare Bemühen, innerhalb der eng gesteckten Genregrenzen neu zu möblieren und die musikalische Spannweite aufzuklappen.

Im Titelsong nähern sie sich an die Bodenständigkeit des AC/DC-Riffrocks an, dagegen steht auf der ruhigen Seite die Ballade ›Right From The Start‹ mit ihrem sorgfältig ausgetüftelten Arrangement weit weg von der gängigen drei Akkorde-Hardrockballade. Danny Bowes singt sich durch erlesen schräge Harmonien in schwindelerregende Hören, und Luke Morley führt ein so sorgfältig konstruiertes und kurvenreiches Solo aus, dass man vor CD-Player Szeneapplaus spendieren möchte. She Likes The Cocaine ist eine kleine feine Mileustudie, die zusätzliche Glaubwürdigkeit durch das verrucht klimpernde Barpiano und die weiblichen Backgroundchöre bekommt, bei denen man bewegte Bilder durchgeknallter Go Go Girls in einer 70er-Jahre Disco halluziniert. In Another Life ist ein knochentrockener Shuffle, der zeigt: Intensität brauch keine tausend Gitarrenspuren. There’s Always A Loser hat den fetten Schlagzeugsound bei Led ZepsWhen The Levee Breaks geborgt. Dahinter aber entwickelt sich eine vom Klavier getragene Ballade. Überraschung gelungen, Album fertig. Danny Bowes ist überzeugt, seine Band sei erst jetzt gut genug, ein solches Album aufzunehmen. Wahr ist, dass sie Phasen hatten, in denen sie songschreiberisch in Routine erstarrt waren. Wahr ist aber auch, dass Rip It Up die brachiale Urgewalt, die Klassikerdichte und die muskulöse Attitüde des Debüts Backstreet Symphony von 1990 nicht erreicht.

8/10