Die sich in Stücke reißen

Thunder / Heavens’s Basement, Nürnberg, Hirsch, 26.2.2009

Anmerkung: ich hatte den Auftrag, lediglich Heaven’s Basement zu fotografieren. deshalb gibt‘ hier keine Fotos des Hauptacts. Sorry.

Wuchtig vier Schläge auf die unverschämt offene Hi-Hat gedengelt, und jeder im Saal ahnt, was Sache ist. Chris Rivers, mit nacktem Oberkörper an der Schießbude signalisiert zischend Kampfbereitschaft. Und so kommt’s. Heaven’s Basement, konditionsstarke britische Twens, haben 40 Minuten Zeit, um den Topact-Status von Thunder ins Wanken zu bringen, und ein aufgeschlossenes Publikum nachhaltig zu erschüttern, und zumindest letzteres tun sie. Indem sie jede der ihr zugestanden Minuten so nutzen, als wäre es der letzte Gig des Leben.

Auf der Basis soliden Songmaterials, null Prozent retro und doch verwurzelt im klassischen Hardrock, lässt sich gut toben. Tolle Pseudonyme: Richie Heavanz ist der Frontgockel, der sich nicht ganz zwischen den Rollenmodellen „mysteriöser Mann“ und „Partysau“ entscheiden kann, aber mit Sicherheit in einer Telefonzelle noch den Star mimen würde, und hier vor vielleicht 400 Leuten ist für ihn quasi schon Stadion. Seine Jungs, (optisch zwischen Glam und Straßenköter) bauen die solide Kulisse mit punktgenauer Doppelgitarrenarbeit ohne Egotrips von Sid Glove und Jonny Rocker. Die Botschaft heißt Leben auf der Überholspur. Allenfalls ›Deadman‹ lässt erkennen, dass es nicht nur im Party geht. Nach wolkenverhangenen Intro baut sich eine finstere Midtempo-Melancholie auf, die auch Tesla oder Aerosmith gut zu Gesicht stünde. ›Don’t Reign On My Parade‹ kommt etwas verschachtelt: im Ansatz fast punkig, dann ein Schuss majestätische Refrainbreitseite, um im Abgang plötzlich ein „Ich bang mir jetzt den Kopf weg“-Zweigitarren-Unisono-Thema einzureiten, bevor die Herren Gitarristen wieder in verschiedene Richtungen abzweigen. Vor Executioners Day gibt Richie noch die Parole aus »No One Can Tell You How To Live Your Life«. Jo, wir haben es gesehen. Hut ab dafür.

Eine halbe Stunde danach wirkt das gewohnt zupackende Riff in Thunders ›Back Street Symphony‹ gegenüber diesen Jungspunden fast ein wenig hüftsteif, aber der Eindruck legt sich schnell: es ist einfach die Abgeklärtheit einer perfekt geölten Rockn’Roll’Jukebox, mit der hier musiziert wird. Die Setlist setzt vor allem auf bewährtes, vom aktuellen Album passt ›On The Radio‹ als zweiter Song gut, genauso das aufgewirbelte ›Stormwater› kurz vor Schluss. Aber nach 90 Minuten fragt man sich doch, ob man für eine Abschiedstour nicht ein paar Klassiker mehr aufgeboten hat. Zumal auch noch ›Higher Ground‹ nach dem Auftakt der Deutschlandtour geflogen war. 

Dennoch gibt es genug Höhepunkte. Bei ›Low Life In High Places‹ fährt Danny Bowes die ganze Bandbreite vom nuancierten Soul-Crooner bis bin zu bärbeißigen Shouter auf, und das so cool, dass es fast schon arrogant wirkt. Aber der darf das, und macht gleichzeitig schmerzhaft klar, dass Ausnahme-Songs dieses Kalibers Luke Morley schon länger nicht mehr eingefallen sind. ›Empty City‹ mit seinem hinterhältig beklemmenden Intro-Riff und seiner klangtechnisch voll ausgespielten monolithischen Rumpeligkeit verscheucht solche Gedanken fürs erste. Dennoch bleibt am Ende der Eindruck, dass Thunder zumindest an diesem Abend bei den gefühligeren Stücken überzeugender als im Fach Geradeaus-Rock’n’Roll sind, der über Strecken einen Tick zu routiniert kommt. Mit I Love You More Than RocknRoll endet der reguläre Set. »Thank You Very Much, Good Night«. Halt: Ein kurzer, großer Moment ist noch drin, als mitten im Zugabenblock plötzlich dieses hypnotische Temptations-Bassthema auftaucht, und Bowes den Faden aufnimmt ›Papa Was A Rolling Stone, Wherever He Laid His Hat Was His Home‹. Suggeriert das nicht Aufbruch, Weiterziehen zu neuen Ufern? Wenn man es so hören will, wirkt es fast sentimental. Dann ist es vorbei. 20 Years And Out Tour steht auf den feilgebotenen T-Shirts. Sollen wir es glauben?