Das Raumschiff ist gelandet.
In diesem Jahr (2021) wird es die wohl letzten Konzerte der britischen Hardrockband UFO geben. Nach meinem Dafürhalten eine der sträflichstens unterschätztesten, nichteachtetetetetesten Bands of all times. UFO waren – bis auf ihren erratischen Teilzeit-Gitarristen Michael Schenker nie die Band, die durch Virtuosität überzeugen konnte. Aber sie hatten die besseren Songs als viele der anderen Jungs. Und niemand transportierte die besser als ihr Sänger Phil Mogg, einer der begabtesten Gossenpoeten der Rockmusik. Klar, er schrieb auch Gebrauchstexte – aber das meiste war so voller Bilder, Assoziationen, cineastischer und literarischer Anspielungen und vor allem prallvoll von der oft beschworenen, selten wirklich erreichten „street credibility“, dass es mir immer wieder wohliges Flattern im Hirn verursachte, während ich flackernden Fusses zur Luftgitarre griff, um mich dieser ebenso verkommenen wie vollkommenen Stimme hinzugeben. Wer indes bei UFO Gitarre spielt, war mir eigentlich immer egal. Für mich zählten die Songs, die Texte, die Stimme. Die geballte Anzahl grossartiger Songs stammt allerdings aus der Ära, als der Leadgitarrist Paul Chapman hiess, in my humble opinion. Nun soll also Schluss ein. Ein Rückblick in Etappen.
Es beginnt mit einer Geschichte, die ich 2009 fürs ROCKS schrieb. Kurz zuvor war das Album The Visitor erschienen, dem ich die Höchstpunktzahl gegeben hatte. Zu Recht.
CD-Review (Der KURIER)
Hardrock ohne Jugendwahn – und doch kommt nach den ersten 60 Sekunden bluesiger Vorspeise ein stolz marschierendes Riff, über dem Sänger Phil Mogg eindringlich bittet, gerettet zu werden. Der oft als gesichtsloser Fuddler verschrieene Vinnie Moore spielt sich hat sich endgültig aus dem übermächtigen Schenker-Schatten heraus, und dabei so songdienlich wie nie zuvor, dazu noch mit einem erdigen und direkten Sound. Selbst das eher UFO-typische hart treibende „Hell Driver“, in dem Mogg sich auf seine Lieblingsrolle als streunender Köter einschießt, lässt die Band nicht in Angeberposen verfallen, und sei die Versuchung noch so groß. Aber es kommt noch besser: Mit „Can’t Buy A Thrill“ kommt Phil Mogg auf Dienstgipfelhöhe. Der Mann, den nachts im Dickicht verregneter Städte zwischen dampfenden Gullys der Blues einholt. Die CD hat das Zeug zum Genre-Klassiker
Der Aufhänger der Geschichte war dann das 40jähige Bandjubiläum. Dazu telefonierte ich ausgiebig mit Phil und Drummer Andy Parker. Ein Riesenspaß, vor allem mit Phil. Der Mann ist vollkommen wahnsinnig – und lockt auch jemanden, der ein Staatsexamen in Anglistik hat, immer wieder in seine Wortspiel-Fallen. Zwei Stunden nach ihm hatte ich dann Andy Parker am Telefon, und der fragte mich als erstes lachend, ob ich denn das Gespräch mit Phil überlebt hätte….
WIR GEHEN RAUS UND SPIELEN ROCKMUSIK
Phil Mogg ist es immer noch vollkommen egal, dass seine Band in diesem Jahr seit 40 Jahren für klassischen Hardrock britischer Prägung steht. 40 Jahre? Jubiläum? Nie gehört. Nachdem er schon in der britischen Musikpresse erklärt hat, er habe nicht die Absicht „zu enden wie Status Quo“, legt er noch mal nach. Keine Party. Definitiv: »Nein, nein. Ich habe immer gedacht, was soll die Scheisse… Ach ja, ein paar Leute haben es erwähnt und ich hab ihnen gesagt, ihr irrt euch, ich mach das jetzt seit 20 Jahren«. Pause. »Ich bin wirklich ein widerwärtiger Typ«, grummelt er weiter, und dann: »Was soll das? Was bedeutet das denn, das hat doch überhaupt keine Bedeutung. Das ist doch, wie wenn Pete Townshend sagen würde: Hey, ich bin jetzt seit 80 Jahren dabei und ich kann immer noch mit meiner verdammten Gitarre eine Windmühle machen. Und Angus Young, der seine kurzen Hosen noch mit über 50 trägt«. UF0, das ist für ihn eine ganz einfache Sache: »Wir sind eine Rockband, wir gehen raus und spielen Rockmusik, bla bla bla.«. Er wählt ein Bild von irgendeiner Seitenstraße, am Ende ist eine Bar, dort spielt laute Musik. Und jeder der vorbeigeht, sagt »Oh, wer ist denn das? Das ist so gut, das muss ich sehen«.
Dennoch: Die Geburtstunde der Band war tatsächlich im Sommer 1969 in Hoddesdon. Dort pflegte Drummer Andy Parker im Golden Lion Biere zu leeren. Andy Parker, der Mann der heute über seinen Mogg sagt, manchmal stünden ihm die Nackenhaare senkrecht, wenn der seine emotionalen Möglichkeiten voll ausschöpft. Dem also standen damals Phil Mogg, Mick Bolton und Pete Way am Tresen gegenüber und stellten die: »Wir suchen einen Drummer, hättest Du Interesse?« Die Band des Trio Infernale hieß Hocus Pocus und benannte sich bald in UFO um. »Vielleicht hat Phil ja recht«, überlegt Parker. »Aber ich denke, vierzig Jahre ist eine enorme Leistung, und ich meine, der einzige, der es die ganze Zeit durchgehalten hat, ist Phil Mogg. Ohne ihm gäbe es UFO nicht. Wir könnten es ja auch noch nächstes Jahr machen, das ist das vierigste Jubilözum unseres ersten Albums, vielleicht ändert er ja noch seine Meinung.« »Ach, Niemand anderes wollte mich haben«, hängt der seine Standfestigkeit so tief wie möglich. »UFO ist das einzige, was ich habe. Ich bin eines dieser Kinder, das keine Spielkameraden findet. Wenn die mal in einem Schulteam warst, wo dann gewählt wird, wer bei wem mitspielt, war ich immer der, der übrig blieb.«
Nach der endgültigen Rückkehr von Ur-Drummer Parker ins UFO-Camp steht fast wieder die klassische Besetzung. Parker hatte eigentlich überhaupt nicht geplant, wieder einzusteigen. Nach Walk On Water Mitte der Neunziger hatte er schon vor der Tour das Handtuch geworfen. Der Grund Michael Schenker: »Er war gut in Form, wir probten, alles schien in bester Ordnung, aber da war immer noch eine gewisse Spannung in der Band, ich hatte einfach nicht das Gefühl, dass die Band stabil wirkte. Aber genau das brauchte ich. Ich hatte das alles schon erlebt; Abgebrochene Shows, er verschwindet, das wollte ich nicht wieder haben«. In einem Solchen Fall könnte man es machen wie Metallica: man holt sich einen Therapeuten, unter dessen Anleitung man sich anbrüllt. Phil Mogg hat davon noch nie etwas gehört. »Du machst auch wirklich keine Witze?« fragt er in einem mühsam unterdrückten Lackkrampf. »Ich habe mit Michael Schenker gearbeitet, ich weiß so ziemlich alles über Psychiatrie. Wir brauchen keine Therapeuten. Man geht in einen Proberaum, und dann fängt man an zu spielen. Das ist alles. Kein Drama. Wir sind nicht auf der Theaterbühne«.
Andy Parker machte es anders. Elf Jahre lang. Schaltete sogar den Fernseher aus, wenn dort Bands zu sehen waren, die er kannte, wie ein Alkoholiker, der Angst hat nach einem Drink rückfällig zu werden. Bis Paul Raymond im August 2005 anrief »Wir haben eine gebuchte Show in Spanien im November, und wir haben keinen Drummer. Phil hat zwar gesagt, das kannst Du vergessen, Andy hat mit Sicherheit kein Interesse. Und ich habe gedacht, okay, es ist eine Show, und wenn sie mich bitten, dann sollte ich die Gelegenheit wahrnehmen, und es machte Spaß. Als wir 2006 The Monkey Puzzle aufnahmen, war ich noch beschäftigt, mein Schlagzeugspiel wieder auf die Reihe zu kriegen, was vielleicht ach dazu beigetragen hat, dass es nicht so geschlossen klingt«.
Als sie Ende Januar 2009 in Hannover die neuen Songs für The Visitor probten, mussten sie ohne Pete Way auskommen, Andy Parker nahm seine Songs zusammen mit Aushilfsbassist Peter Pichl (Running Wild, Nektar u.a.) auf. Über Pete Way kursierten derweil auf der UFO Homepage Statements, die sich wie diplomatische Politiker-Erklärungen lesen.»Pete Way leidet derzeit an einer Lebererkrankung und war unglücklicherweise nicht in der Lage, an der Studioproduktion teilzunehmen«. »So weit ich weiß, geht es ihm gut… aber das ist eine unberechenbare Größe« ist alles, was sich Phil Mogg zum Stand der Dinge entlocken lässt. Pete Way gehört zu Ufo, aber UFO funktionierte eben auch mal ohne ihn. Die Band war zwar mit der Situation vertraut, in den USA mit Ersatzleuten arbeiten zu müssen, weil Mister Way dort kein Einreisevisum bekommt. Das Album sollte aber nicht einer der bekannten Ersatzleute wie Barry Sparks, Rob de Luca oder Jeff Kollman einspielen, um nicht den Eindruck zu erwecken, Pete Way sei endgültig raus aus der Band: »Er lebt in der Nähe von Birmingham, dort lebt auch sein Arzt, für die Behandlung musste er in der Nähe sein. Die Medikamente, die er nimmt, haben extreme Nebenwirkungen, es ist wohl ähnlich wie bei einer Chemotherapie. Das macht ihn müde, es wird ihm schlecht «, weiß Andy Parker.
»Peter ist ein Mensch mit einem sehr starken Willen, ja er war immer ein extremes Party Animal, und das ist Teil seiner Persönlichkeit, dass macht Pete zu Pete… Um das noch mal klar zu stellen: Wenn Pete Way nicht entschieden hätte, niemand anderes hätte ihn dazu zwingen können«.
Auf Tour wird wiederum Barry Sparks den Bass übernehmen – die amerikanischen UFO-Fans kennen ihn schon. Er hat auch bei Dokken und Ted Nugent gespielt und »er ist ein bisschen wie John Entwistle, sehr schnell, also haben wir…«, unkt Phil Mogg »einen Albtraum. Kennst Du diese Boxkämpfe, bei denen der Ringrichter einschreitet: Halt, Pause. Ich glaube, die Rolle muss ich dann übernehmen, wenn die Beiden mal angefangen haben. Das sind Schredder«. Bei den Aufnahmen zu The Visitor gab es »nur einen Plan: Live soll es spielbar sein. Ich habe das Gefühl, Vinnie hat seinen Stil ein bisschen verbogen, er klingt europäischer, und er hat das selbst gemacht, aber nicht bewusst«, analysiert Mogg, und trotzdem, erstens: »He’s a Yank!« und zweitens: »Ich hasse diese Gitarre die er spielt, deren Kopf aussieht wie eine Gabel«. »Vinnie ist ein unglaublicher Techniker. Aber wenn du ihn mit UFO in einen Raum steckst, dann passiert etwas, die Chemie ändert sich«, pflichtet Andy Parker bei: »Der interessante Punkt für mich ist aber der Blues-Einfluss, der in diesem Album steckt. Das ist großartig für uns, denn das ist genau da wo wir angefangen haben 1969 mit Mick Bolton. Als Zeppelin auf der Szene auftauchten, Eric Clapton. John Mayall. Es ist, wie wenn nicht ein Kreis schließt«. Moore selbst sagt, er habe Phil Moggs Leidenschaft für Blues ernst genommen, und ihn nach und nach in der Produktion des Albums mit blues-affinem Stoff gefüttert.
Was auch der gereiften Stimme des 61jährigen Mogg entgegenkommt und seinen bildhaften Texten Luft zum Atmen gibt. Seine Textsprache klingt nicht nur nach Kino, sie holt ihre Inspiration auch zu einem Gutteil von dort, aber nicht nur »Hast Du die Biographie von Hemingway gelesen?« fragt er unvermittelt. »Es ist nicht direkt, dass man etwas klaut, aber es senkt sich ins Unterbewusstsein, das Hirn saugt auf, was es sieht und hört. Das werden keine Songs nach dem Motto Hey Honey, I’ll see you down the Street«. Kürzlich inspiriert von? »Men on Fire mit Denzel Washington. Oder Liam Neeson, als Typ. Ich würde ihn vielleicht sonst nicht mögen aber die gebrochene Nase, die ist so gut, ah…« schwärmt Mogg. Und dann? »Ich schließe mich in einem Raum ein und mache eine Art Vorproduktion. Aber so richtig los geht es erst im Studio. Man könnte sagen, es ist nicht sehr professionell, aber für uns funktioniert es«.
»Als ich 2005 wieder zu der Band stieß, mein drittes Mal, spielten sie immer noch viel von Strangesr In The Night«, sagt Parker und Mogg enthüllt: »Lustigerweise wollte ich Strangers In The Night nicht machen – und es wurde dann unser größter Erfolg. Es ist wie Humble Pie Rockin The Fillmore. Warum ich es nicht wollte? Einfach so«. Das Problem für UFO auf Tour: Zu viele potenzielle Publikumsfavoriten, zu wenig Spielzeit. »Dann hörte man wieder Leute klagen, dass kein Material aus der Paul Chapman Ära im Programm war«, hadert der Trommler. »Also haben wir ›Long Gone‹ reingenommen und noch was, aber dann blieb von The Monkey Puzzle am Ende der letzten Tour gerade mal ein Song übrig. Und die Leute haben keine Chance mehr, die neuen Sachen zu hören, bevor wir in die Stadt kommen. Ich habe damals direkt die Programmchefs von Classic-Rock-Stationen zu Hause in Texas angerufen, und die gebeten, doch etwas von dem neuen Album zu spielen. Es kümmert sie einen Dreck. Sie spielen die Sachen, die wir in den 70ern gemacht haben. Sie sagen: Wir spielen Classic Rock. Das ist doch lächerlich – wie kann es „classic“ werden, wenn ihr es nie spielt? Stattdessen hört man ›Sharp Dressed Man‹ von ZZ Top bis zu zehnmal am Tag!«
Phil Mogg immerhin kramt in seinen Notizen und murmelt: »Augenblick….ich hab irgendwo eine Setlist, Moment mal… Andy findet, es wäre eine gute Idee ›The Wild, The Willing and The Innocent‹. Wir spielen ›Long Gone‹, ›I Ain’t No Baby‹, ›Cherry‹, ›Savin Me‹, ›Mother Mary‹, ›Helldriver‹. Was wolltest Du? ›Can’t Buy A Thrill‹? Da wüsste ich jetzt nicht, wohin damit. Aber … ich habe einen Plan«.
Im Mai 2010 sah ich die Band dann live in der Fabrik Bruchsal. Zum ersten Mal, muss ich zu meiner Schande gestehen. Und es war groß. Überlebensgroß, eigentlich zu groß für eine so kleine Bühne.
ZWISCHEN DAMPFENDEN GULLYDECKELN
Konzert-Review (Badische Neueste Nachrichten)
Irgendetwas muss schiefgelaufen sein in der Welt der Dezibel: Da bringt die britische Hardrocklegende UFO im Jahr 2009 (dem 40. Jahr ihres Bandbestehens) mit „The Visitor“ ein Album auf den Markt, das vor 30 Jahren unverzüglich zum Klassiker ernannt worden wäre, und keiner kriegt es mit. Ein Album voll Emotion, Tiefe und songschreiberischer Qualität. „Jeder, der sich schon lange mit UFO beschäftigt hat, wird unsere charakteristischen Erkennungsmerkmale finden, und jeder, der die Band neu entdeckt, wird Freude an unserem Enthusiasmus und der dynamischen Kraft haben“ hat Sänger Phil Mogg auf der Bandhomepage seinerzeit verlautbart. Er hat untertrieben. Vor allem, was die Präsenz der Band auf der Bühne betrifft.
Vom ersten Ton an ist klar: Hier sind Musiker bei der Arbeit, die es einen feuchten Kehricht schert, dass da gerade vielleicht mal 250 eingeschworene Fans vor der kleinen Bühne stehen. Diese Kerle (neben Mogg und Gitarrist Vinnie Moore die beiden „Alten“, Andy Parker am Schlagzeug und Paul Raymond an der zweiten Gitarre plus Aushilfsbassist Barry Sparks) reißen sich buchstäblich in Stücke. Die Setlist traut sich zwar nicht viel, setzt vor allem auf die Klassiker der 70er, aber bei UFO kommt es weniger auf das Was, mehr auf das Wie an. Dafür bürgt zum einen Phil Mogg, der vom ersten Moment mit „Let It Roll“ auf Volllast läuft.
Der Mann, den nachts im Dickicht verregneter Städte zwischen dampfenden Gullys der Blues einholt. Der Mann, der mit dem leicht angesäuselten Charme eines Londoner Working Class Underdogs Wallungen in seine Stimme legt, die eher Hardrock-untypisch sind. Dieser Gossenpoet, geschult an Tausenden von Filmen und Meeren von Alkohol, vertont in drei Minuten Drehbücher über Verlierer zwischen dem letzten Bier und der Suche nach dem letzten Strohhalm und kündigt sie mit seltsam verpeilten Ansagen an. „Out In The Streets“ – irgendwann Mitte der 70er entstanden, ist so eine Nummer, in der Mogg Buster Keaton und Louise Fazenda Reverenz erweist und dabei die Band durch einen Parforceritt impulsiver Gitarrendramatik jagt.
Vinnie Moore ist der richtige Gitarrist, endlich: Er kopiert Michael Schenker nicht, allenfalls dessen Melodielinien. Seine Soli sind anders, atmen einen bluesigeren Touch. Und haben selten Längen. Klar, bei einem Endlos-Klassiker wie „Rock Bottom“ übertreibt er’s. Aber wenn man sieht, mit welcher Urgewalt der Rest der Band ihn trägt, antreibt, bremst und wieder beschleunigt, ist auch das verziehen. Moore glänzt insbesondere in den aktuellen Songs, die er selbst mit eingespielt hat – leider gibt’s davon nur zwei: Da ist das dramaturgisch ausgefeilte Solo in „Stop Breaking Down“, das immer wieder innehält, sich vortastet, um dann für Sekunden zu explodieren: Die hohe Schule des strukturierten Orgasmus.
Selbst das eher UFO-typische, hart treibende „Hell Driver“, in dem Mogg sich auf seine Lieblingsrolle als streunender Köter einschießt, lässt die Band nicht in Angeberposen verfallen, und sei die Versuchung noch so groß. Mannschaftsspiel ist alles, und dafür braucht es eine gute Rhythmus-Abteilung: Barry Sparks am Bass vertritt den schwerkranken Pete Way, und man sieht und hört, warum Sparks eben jenen Way immer als sein großes Vorbild angegeben hat. Schön auch, wieder Ur-Drummer Andy Parker am Schlagzeug zu sehen. Der Alte hat zwar bei weitem nicht die technische Finesse seines Vorgängers Jason Bonham, dafür rumpelt er sich aber mit der naiven Freude eines Kindes, das gerade den Vorschlaghammer entdeckt hat, durch den Set. Wenn mit „Doctor Doctor“ die finale Zugabe anhebt, möchte man wirklich meinen, es seien wieder die siebziger Jahre ausgebrochen. Als es noch nicht Tausende Spielarten von Irgendwas-Rock, Irgendwie-Metal und Sonstwas-Core gab. Sondern einfach nur Hardrock. Fett wie ein Schwartenmagenbrötchen mit einer kompletten Tube Senf.
2012 gab es die nächste Interview-Gelegenheit. UFO sind im Jahr 43 seit Bandgründung wieder am Start mit einem neuen, gut geerdeten Album. Seven Deadly hatte alles, was ein UFO-Album des 21. Jahrhunderts ausmacht: Drive, große Geschichten, große Refrains und viel viel Blues.
SEVEN DEADLY
CD-Review (Der KURIER)
Es scheint, als hätten UFO mit „The Visitor“ 2009 ein neues Kapitel eröffnet: Gib dem Blues eine Chance. „Seven Deadly“setzt diesen Kurs fort, ist noch direkter, rostiger, und hat noch weniger klassische Hardrock-Glanzpolitur, weniger mehrstöckige Gitarrenwände, dafür aber den mächtigsten Drum-Sound, den es bei UFO je gab. Allenfalls „Wonderland“ mit seinem treffsicheren, punktgenauen Vinnie-Moore-Solo ist der Ausnahme-Old-School-Hardrocker, der auch ein Highlight der Paul-Chapman-Ära sein könnte, und „Wavin‘ Goodbye“ ist eines dieser fünf-Minuten Dramen, bei denen Phil Moggs Text und Performance ein komplettes Hollywooddrama ersetzt. Überhaut Mogg: Wenn man ihm wirklich zuhört, merkt man auch, wie viel Spannung in den Liedern steckt, die vordergründig so unspektakulär und lässig daher geschlendert kommen – allen voran das zum Fürchten traurige „Angel Station“, das sich wie ein Abschiedsbrief eines Selbstmörders anhört. Die CD verdient den Nachhaltigkeitspreis im Fach Langzeitwirkung. Wetten?
Mit Phil Mogg und Andy Parker konnte ich anlässlich des Erscheinens des Albums UFO-Forschung im 21. Jahrhundert betreiben und fürs ROCKS auf Licht und Schatten der Vorzeiten zurückblicken
STABILITÄT IST GUT, DYNAMIT IST BESSER
»Ursprünglich hatte Phil ein anderes Konzept und einen anderen Titel für das Album. Sein Idee war, es Last Of The Boneriders zu nennen, oder einfach nur The Boneriders. Wir haben ihn fragend angeschaut, und Vinnie meinte: Das klingt wie ein Schwulen-Porno! Er war wohl nicht der einzige, der das sagte, Irgendwann sassen wir dann in einer Bar und Phil fing schon wieder davon an. Also fragte er den Barmann, weil es immer gut ist, den Barmann zu fragen. Und der sagte ihm direkt auf den Kopf zu: Klingt nach Schwulen-Porno!« Mogg gibt nicht so schnell auf. Im Mai 2011 ist die Band auf Tour in den USA, auf der Straße treffen sie einen Typen, der ein T-Shirt mit einem Chopper und einem Skelett und der Aufschrift Boneriders trägt. Phil Mogg schwatzt ihm das Leibchen ab, sichert es als Beweisstück und gibt ihn dafür ein UFO-Shirt – und ist sich jetzt seiner Sache ganz sicher: »Ich habe euch doch gesagt, das ist so eine Biker-Sache!« Als aber der geplante Titel durchsickert und die ersten Reaktionen nicht gerade euphorisch sind, lenkt Mogg ein. Das ist die Version von Drummer Andy Parker. »Warum das Album nun Seven Deadly heiß, musst du Phil fragen«. Gute Idee. Phil Mogg ist ein belesener Kinofreak, ein amüsanter und auch durchaus höflicher Gesprächspartner – aber er hat eben auch einen ganz speziellen Humor. Also, erste Frage: Wie haben sie dich überzeugt? »Sie haben mich nicht im geringsten überzeugt«, kommt die Antwort, die fast schon zu erwarten war. »Jeder wusste wie es heissen sollte, und Last Of The Boneriders hängt in der Tat mit dem Cover zusammen. Es gibt ja sogar einen Motorradclub in Deutschland, der Boneriders heißt. Aus mir unbekannten Gründen kam es dem amerikanischen Gitarristen in den Sinn, dass Last of the Boneriders etwas mit Homosexualität zu tin haben könnte. Vielleicht ist er ja homophob, was weiß ich? Nur um des lieben Friedens willen habe ich es in Seven deadly geändert«. Man ergänze „Sins“, und hat die sieben Todsünden. »In der Tat, und eine davon ist Stolz«, kichert der Sänger amüsiert und begeistert sich an seiner spontanen Idee, diesen deutschen Motorradclub zu einem Konzert einzuladen und dann einfach mal so von der Bühne herunter zu verkünden: »Übrigens: Er denkt, ihr seid alle schwul!«
Das alte Cover past zum neuen Titel: Das Skelett hält einen Blumenstrauß in der Hand. Es steckt in einer Hose, die durchaus Biker-Tracht sein könnte und hat eine Art Sombrero auf dem Kopf. Das, sagt Mogg nehme Bezug auf eine mexikanische Tradition, wo Anfang November der Tag der Toten gefeiert wird, der Tag, »an dem sie in Kontakt treten mit den Seelen verstorbener Verwandter«.
Das Cover – Artwork versprüht das Flair der späten 60er Jahre, und auch mit der die Musik auf Seven Deadly bleiben UFO ihrer Back To The Roots Philosophie treu, die ihren bisherigen Höhepunkt im ungewohnt bluesigen 2009er Album The Visitor fand. Das hat zu tun mit Vinnie Moores sehr Song-orientierten Gitarrenspiel; Mogg hatte Moore noch im ROCKS Interview 2009 mit leicht schnippischen Unterton als Fuddler (Shredder) bezeichnet wurde. »Manche Sachen funktionieren für seine Soloalben, andere eben mit der Band«, sagt Andy Parker. »Als ich 2005 zurück in die Band kam und wir Monkey Puzzle aufnahmen, war das erste, was mir auffiel, wie bluesig es war. Da fühlte ich mich sehr wohl, das war wie zu unseren Anfangstagen, damals gab es ja auch sehr viel Bluesbands in England, ich kam ja auch aus einer, bevor ich mit den Jungs zusammenkam«.
Mogg ist wieder ganz Understatement: »Wir gehen eine Album an ohne eine vorgefasstes Konzept zu haben. Das mache ich auch beim Gesang so. Manches ist vor her schon festgelegt, manches entsteht erst im Studio. Was dann rauskommt ist genau das, wo du zu jenem Zeitpunkt stehst«.
Musik Vinnie Moore und Paul Raymond, Texte Phil Mogg – das ist die Arbeitsteilung.
Vinnie Moore garantiert Stabilität – über den launischen Michael Schenker spricht niemand mehr. Oder doch? »Es gibt immer noch Leute, die sagen: Ohne Michael ist es nicht UFO. Natürlich ist es UFO, verdammt noch mal«, poltert Andy Parker. »Musiker sollten nicht stehen bleiben. Weißt Du, als Sting The Police verlassen hat und The Dream Of The Blue Turtles gemacht hat, das schrien die Leute alle: Was für eine Scheisse, aber der Junge hat sich darum nicht gekümmert. Er hat das getan, was er tun wollte, und dafür bewundere ich ihn«.
»Vinnie ist nicht nur in der Band, weil er ein zuverlässiger Kerl ist« , betont der Sänger. Dann erzählt er, Schenker lebe gerade bei ihm um die Ecke, er sehe ihn öfter. Die Frage, ob sie bei solchen Gelegenheiten miteinander reden, lässt er unbeantwortet. Stattdessen denkt er laut: »Stabilität ist gut, aber man brauch auch ein bisschen Dynamit. Nur kann dir dann gelegentlich alles um die Ohren fliegen. Ich will jedenfalls nicht vollkommen ausschließen, irgendwann in der Zukunft wieder etwas mit Michael zu machen«.
Andy Parker – ganz im Hier und Jetzt – ist glücklich über den Drumsound im neuen Area 51 Studio in Celle, wo unter der Regie von Tommy Newton aufgenommen wurde. Das Schlagzeug stand in einem leeren Swimnmingpool und kommt jetzt dem Sound seine Idols Bonham nähe. Aber Parkers Sparringspartner am Bass fehlt nach wie vor. Pete Way wurde zum zweiten Mal durch einen Session-Bassisten vertreten (nicht ersetzt!), den Hannoveraner Lars Lehmann (siehe Kasten). »Netter Kerl, spricht englisch, hat Humor« beschreibt Phil Mogg das erfüllte Anforderungsprofil. Hieß es bei The Visitor, Pete habe gesundheitliche Probleme, deren Therapie ihm das Arbeiten unmöglich mache, scheint er jetzt wieder ganz in seinen selbstzerstörerischen Lebensstil zurückgefallen zu sein. Andy Parker findet es vor allem traurig. »Es ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr lustig ist, wenn man auf die Bühne kotzt und zusammenbricht. Ich hab ihn das letzte mal etwa an Weihnachten 2010 gesehen. Ich hab mit ihm geredet, und er war wie üblich betrunken. Er muss sich einfach entscheiden: Die Flasche oder die Band. Zur Zeit scheint er sich für die Flasche entschieden zu haben. Das ist wirklich traurig. Weisst Du, wir arbeiten mit großartige Bassisten, aber sie sind nicht Pete Way«. Der Drummer findet es auch etwas merkwürdig, dass Pete Way 2011 zusammen mit Michael Schenker auf der Bühne gesichtet wurde »Wenn Pete morgen vor meiner Türschwelle stehen würde und sagen: „Hey! Hier bin ich, lass uns loslegen“, das wäre fantastisch«, kommentiert Phil Mogg die Situation. »Aber ich weiß, dass das derzeit nicht passieren wird. Das ist ein Unglück für uns und ein Unglück für ihn. Wir haben es ja versucht. Aber wie sagt man so schön: Du kannst ein Pferd zu Wasser führen, aber trinken muss es schon selber!«
Phil Mogg ist nicht nur der Mann mit dem schrägen Humor. In seinen Songs ist er auch der Straßenköter, den nachts im Dickicht verregneter Städte zwischen dampfenden Gullys der Blues einholt. Der Mann, der zum Schauspieler wird, der mit dem leicht angesäuselten Charme eine Working Class Underdogs Emotionen in seine Stimme legt, die eher Hardrock-untypisch sind. Der Gossenpoet, geschult an tausenden von Filmen und Meeren von Alkohol, der in vier Minuten seine eigenen Drehbücher vertont von Verlierern zwischen dem letzten Bier und der Suche nach dem letzten Strohhalm. ›Out in the Streets‹ vom Album Force It ist so eine Nummer, in der Mogg den Leinwandhelden Buster Keaton und Louise Fazenda Reverenz erweist. Ebenso ›Lonely Heart‹ von The Wild The Willing And The Innocent – dem Höhepunkt der Zeit mit Gitarrist Paul Chapman: ein Mädchen will ausbrechen, dorthin wo sie Glanz und Glamour vermutet und geht dabei unter. Auch Seven Deadly schöpft wieder reichlich aus diesem Humus: in ›Fight Night‹ spielt Mogg einen Mann am Rande des Abgrunds, voll von Gin, der seiner Mutter ausrichten lässt, er sei in der Gosse gelandet. Mogg arbeitet mit Bildern, die sich nicht auf Anhieb erschliessen. Er verstehe das ja auch nicht, meint er feixend: »Es hat immer damit zu tun, wo dein Kopf steht, was du gerade gelesen hast. Ich glaube, ich hatte da gerade Fear and Loathing in Las Vegas zu Ende gelesen. Da ist eine ganze Menge Wahnsinn drin«
In »Angel Station›« singt er „Ich habe meine schwarzen Schuhe auf Hochglanz gewienert, habe meinen Frack angezogen, habe mich von allem verabschiedet“. Der Song zieht sich auf einem schleppenden, schweren Beat über beinahe quälende sechs Minuten. Man kann ihn als Abschiedsbrief eines Verzweifelten lesen. Mogg lässt es offen, redet lieber darüber, wie man Songs dieses Kalibers Abend für Abend glaubwürdig auf der Bühne inszenieren kann: »Wie nennt man das bei Schauspielern?« »Method Acting«. »Ah ja, genau das ist es. Bei mir ist es Method-Singing«. Aber Mogg wäre nicht Mogg, wenn er nicht aus er Idee sofort wieder einen Witz machen würde: »Auf der Bühne muss ich mich ja nur umschauen, um Depressionen zu kriegen. Es reicht wenn ich sehe, was Vinnie und Paul anhaben«.
Wobei er selbst dafür bekannt ist, in Straßenklamotten auf die Bühne zu gehen. »Natürlich ziehe ich mich vorher um, sonst stinke ich ja. Aber ich würde nichts auf der Bühne anziehen, was ich nicht auch tragen würde, wenn ich mal mit dem Hund rausgehe. Da wo ich lebe, würden die Leute nicht mal ein großes Ding draus machen, wenn Du nackt rumläufst«. Das passt gut zu einem Mann, der sich vor drei Jahren geweigert hat, das 40jährige Jubiläum seiner Band zur Kenntnis zu nehmen. Dass eine ganze Menge Musiker und Fans UFO zu den größten Bands zählen, die je den Planeten beschallten, wischt er vom Tisch: »Diese Leute müssen ganz offensichtlich von irgendjemanden bezahlt werden«.
Die Geschichte der Band ist eine von Erfolgen, Zusammenbrüchen, Neuanfängen. In der Rückschau sieht der Sänger gerade darin das Positive: »Wenn man das Band- Ding konstant 24 Stunden am Tag durchzieht hat man zu wenig Abstand. Es ist gut, wenn man es einfach mal beiseite legt und weggeht.. Die ständige Abfolge von Aufnahmen, Touren, Aufnahmen – das war der Fehler ab dem Zeitpunkt als Michael in die Band kam. Man wusste eigentlich gar nicht was man tat«.
Für Michael Schenker ist es definitiv zu viel, damals. Auf dem Höhepunkt der Erfolges mit dem Live Album Strangers in The Night geht er. Viele Geschichten kursieren über die Gründe, einer davon ist eine Schlägerei mit dem Sänger. Den eigentlichen Grund für Schenkers Ausstieg sieht Andy Parker in der Angst des Gitarristen, vor Publikum zu spielen »Er war überzeugt, die Leute würden nur darauf warten, wie er einen Fehler macht. Ich sagte immer: Die kommen, um dich anzubeten, Dir zu huldigen«.
Mit dem Einstieg von Paul Chapman als Schenker-Ersatz beginnt das krisenhafte Jahrzehnt. Sein Einstand heißt No Place To Run. Dafür fliegt die Band nach Montserrat, um im Air Studio mit dem Beatles Produzenten George Martin zu arbeiten. »Ich glaube, er hatte Probleme, Leute dorthin zu kriegen«, erinnert sich Parker. »Der Deal war: Wenn wir das Studio benutzen würden, würde er das Album produzieren. Das war ein Angebot, das man nicht ausschlagen konnte selbst wenn das Album vollkommener Schrott gewesen wäre. Richtig toll war es jedenfalls nicht, glaubt man Phil Mogg. »Etwas mehr Druck hätte uns gut getan. Gin und Tonic zum Sonnenuntergang – komm, lass uns auf der Terrasse sitzen..Eine Karibikinsel ist nicht ganz die passende Umgebung für eine Rockband«. Die Qualität der Songs jedenfalls kann mit der Schenker Ära mithalten, die Produktion ist eher unauffällig. Aber die Geschichten, die die Band und vor allem ihr Sänger erzählen, kommen als intensive Einheit von Musik und Text. Diese Dichte findet ihren Höhepunkt auf dem Nachfolgealbum The Wild The Willing And The Innocent. Der Titel ist eine Hommage an Bruce Springsteen und dessen Album The Wild, The Innnocent & The E Street Shuffle. Phil Mogg ist in dieser Zeit geradezu besessen vom Boss. Mit dem Neuzugang Neil Carter, einem Multiinstrumentalisten, hat er zudem einen Musiker in der Band, der die entsprechenden Klangfarben beisteuern kann: Man höre das Piano und das Saxophon in Lonely Heart: da weht ein Hauch der E-Street Band . Zwar trägt auch das Cover des Albums (auf dem eine Frau mit einem Lötkolben auf Temperatur gebracht wir) nicht zu besseren Ansatzzahlen beigetragen, aber es kam noch schlimmer. Die Geschichte des Covers des 82er Albums Mechanix steht beispielhaft dafür, was geschäftlich schief zu laufen beginnt. Da wird beschlossen: Die Cover-Kunst-Schmiede Hipgnosis ist zu teuer, das können auch die hauseigenen Grafiker der Plattenfirma.Sie können, aber es sieht aus, als hätte es sie KPdSU bestellt: Ein stilisierter Handschuh, der einen Schraubenschlüssel umklammert. .»Es sollte wohl wie so eine Art russische Spielzeugschachtel aussehen. Ich mag’s immer noch nicht«, meint Andy Parker etwas ratlos. Mechanix ist das letzte Album der Chapman Ära, bei dem Pete Way den Bass spielt. Er geht, weil ihm die Richtung nicht passt. Making Contact 1983 ist dann der dennoch respektable Schwanengesang einer erschöpften, ausgebrannten Band. Nach einer desaströsen Tour bricht die Band wie ein Kartenhaus zusammen. Damit ist das erste Kapitel UFO endgültig abgeschlossen.
»Die Alben mit Paul Chapman waren großartig, aber sie litten darunter, dass eine ganze Menge Fans so fixiert auf Michael Schenker waren und zum anderen hat die Plattenfirma sich mehr auf Bands wie Blondie und Spandau Ballett gestürzt. Alles, wovon sie glaubten, man könne Geld damit verdienen«, ist Andy Parkers Resümee. Trotz der Wertschätzung für diese Phase der Band-Karriere: Der UFO Live-Set rekrutiert sich heute zu zwei Dritteln aus Songs der Schenker Ära. Warum? »Wir haben ›Long Gone‹ und ›Lettig Go‹ reingenommen, und nach zwei Wochen hat Phil sie rausgeschmissen, weil sie untergingen. Ich weiss nicht, wo die Leute waren, die danach verlangt hatten – jedenfalls nicht im Publikum«, meint der Schlagzeuger.
Phil Moggs Version klingt anders: Eddie Trunk, Moderator einer Radioshow, der die Band in der Chapman Ära entdeckte, habe nach Songs aus der Chapman-Ära gefragt. »Ich habe gesagt: Schreib‘ die Songs auf, bei der nächsten Tour werden wir die Sache in Ordnung bringen. Wo hab ich die Liste…? Jeder, der was hören will, soll es mir sagen« Man hört ihn kramen. Das ist der alte Mogg-Charme, wahrscheinlich macht er dieses großherzige Angebot jedem Journalisten. Also gut, ich nehme ›It’s Killin‘ me‹ »Ist notiert«, behauptet er.
Natürlich haben sie „It‘s Killin Me“ nie gespielt, dafür dann 2015 wieder ein ziemlich gutes, wenn auch nicht unbedingt grandioses Album veröffentlicht mit dem Titel A Conspiracy Of Stars.
A CONSPIRACY OF STARS
CD-Review (Der KURIER)
Auch im Jahr 46 ihrer Existenz ist auf UFO Verlass. Verlass vor allem auf die Stimme ihres Sängers Phil Mogg, der das berühmte „Telefonbuch rückwärts“ singen könnte, und es wäre dem Hörer ein Wohlgefallen. Weil diese Stimme immer noch glaubhaft Geschichten von schrägen Aussenseitern, von tödlicher Liebe und gelegentlich auch Verrätseltes erzählt, und dabei immer noch unangestrengt und unverbraucht klingt. Insofern ist alles klar: „A Conspiracy Of Stars“ reiht sich ein in ein Reihe bluesgetränkter klassischer Hardrock-Alben voll geradliniger Songs, die auf großen Riffs basieren. Auch Vinnie Moores präzise Gitarrenarbeit kommt ohne Schnörkel auf den Punkt. Aber der ganz große Wurf, die Songs, bei denen Text und Musik den Hörer in spärlich ausgeleuchtete Abgründe oder an mystische Orte mitnehmen, an denen fehlt es diesmal. „Sugar Cane“ mit seinem behäbigen Tempo und seinem eindringlich beorgelten Refrain streift immerhin die Magie der besten UFO-Momente. Das hynmische „Precious Cargo“ swingt sogar ein wenig, soweit da eben einem rostigen Kampfpanzer wie UFO möglich ist. Ein solides Album, bei dem Transpiration (leider) leicht knapp über Inspiration siegt.
Zu dem Album gabs dann ein Interview mit dem „shredder“ Vinnie Moore, der Stimme der Vernunft in einer Band von Verrückten. A Conspiracy Of Stars war das fünfte Album, bei dem der Amerikaner Moore mit seiner Gitarre und seinen Songs den Sound dieser sehr britischen Institution prägte.
HARDROCK MIT BLUES-TOUCH
Gerade hat Vinnie Moore ein Album mit seiner Band Red Zone Rider veröffentlicht, gleichzeitig mit dem neuen UFO-Werk erscheint ein neues Soloalbum. »Ich habe ständig das Bedürfnis, kreativ zu sein. Was UFO betrifft, denke ich, es geht einer ganzen Menge Bands genau so: Sie nehmen neue Platten auf – nicht weil sie denken, damit Millionen von Dollar machen zu können. Sondern um damit auf Tour gehen zu können.« Seit seinem Einstieg 2003 hat sich der Sound der Band ein Stück weit vom klassischen Hardrock der Schenker- und Chapman-Jahre zu einer bluesgetränkten Rock-Variante entwickelt. Woran der Gitarrist, der in den 80er Jahren durch hyperschnelle Flitzefinger-Etüden bekannt wurde, einen großen Anteil hat. Noch im ROCKS-Interview 2009 hatte Phil Mogg Moore als ›Fuddler‹ bezeichnet. Was spätestens seit dem Album The Visitor (aus jenem Jahr) so nicht mehr stimmte. Auch Conspiracy Of Stars fügt sich – wie der direkte Vorgänger Seven Deadly – in den modifizierten Stil ein: »Es entbehrt ja nicht einer gewissen Ironie, dass ich dieses Blues-Element reingebracht habe«, kommentiert der Gitarrist die Entwicklung. »Aber Phil hat daran natürlich auch seinen Anteil. Wenn ich – sagen wir 20 Songs – schreibe für ein Album, dann geht vieles von dem, worauf er gern singt, genau in diese Richtung. Es kann also sein, dass die Blues-Schlagseite auch etwas mit seiner Auswahl zu tun hat, denn ich schreibe ja nicht nur solche Sachen.«
A Conspiracy Of Stars wurde zum erstenmal seit über 20 Jahren wieder zuhause in England aufgenommen: In Chris Tsangarides‘ Ecology Room Studios. Der Produzent, der seine Ruhm u.a. mit Thin Lizzy, Judas Priest und Gary Moore begründete, hat der Band kein neues Klang-Gewand aufgedrängt. Allenfalls konnte er die Live-Atmosphäre, die schon die vorangegangenen Einspielungen auszeichnete, noch etwas deutlicher herausstellen. »Als Songschreiber brauche ich nun wirklich nicht viel Beratung. Manchmal ist es gut, eine zweite Meinung zu hören, gegenseitig Ideen auszutauschen. Aber meistens weiss ich sehr genau, was ich will, und mag es auch nicht besonders, wenn mir jemand reinredet. Chris lässt die Musik fließen, ohne sich zu sehr einzumischen. Er hat also eigentlich mehr als Toningenieur fungiert, dem es vor allem darum geht, den Moment einzufangen und gut klingen zu lassen.«
Auffällig ist zum anderen, dass Rob de Luca inzwischen als fester Bassist in die Band integriert ist. Er ist auf den offiziellen Bandfotos präsent und hat zwei Uptempo-Rocker als Komponist zu dem Album beigesteuert, darunter auch den Eröffnungs-Track ›The Killing Kind‹. Nachdem Pete Way seit 2008 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr an Studio- und Liveaktivitäten beteiligt war, hatte die Band mit verschiedenen Bassisten gearbeitet. »Wir wollten Pete nicht wirklich ersetzen, weil er so ein einzigartiger Typ ist. Wir kamen aber immer wieder auf Rob zurück. Weil wir einen weiteren Songwriter haben wollten, machte es Sinn, ihn beim Schreiben des Albums dabei zu haben.«
Für den heute den heute 50jährigen Vinnie Moore aus New Castle im US-Delaware war die englische Band in den 70er Jahren wichtiger Teil seiner musikalischen Früherziehung. Von daher hatte er auch keine Schwierigkeiten, als die Helden seiner Jugend ihn riefen: »Zum einen war ich ein Riesen-Fan der Band, zum anderen hörte ich vorzugsweise diese Art Rockmusik. Bei anderen Bands hätte ich sicher härter arbeiten müssen, um ihrem Stil gerecht zu werden.« Soweit die musikalische Seite. Wie aber stand es um eventuelle Mentalitätsunterschiede zwischen dem „Neuen“ aus Amerika und den älteren Herren aus England? »Der einzige Unterschied ist, dass sie einen anderen Akzent haben. Aber als ich als Jugendlicher UFO entdeckte, habe ich einige Songtexte nicht verstanden. Ich dachte, das muss irgend so ein englisches Ding sein. Jahrzehnte später habe ich mal mit Andy Parker darüber geredet, und er sagte: ‚Nein, das ist es nicht. Das liegt an Phil! Wir verstehen oft auch nicht, worum es in den Songs geht, und er verrät es uns nie‘. Phil ist schon so ein Typ, bei dem du nie weißt, woran du bist. Er zeigt nicht gern, was er wirklich fühlt. Er versteckt sich lieber hinter seinen Witzen und schrägen Kommentaren, die man nicht immer versteht. Ich glaube, durchaus mit Absicht!«
Trotz fünf gelungener Studioalben: Songs, die Vinnie Moore mit der Band eingespielt hat, sind in der Setlist der Band bis heute unterrepräsentiert. Die basiert immer noch zu großen Teilen auf dem Programm der ersten Schenker-Ära und verlangt dem heutigen Gitarristen bei Konzerten jeden Abend neu die Balance zwischen eigener Kreativität und Werktreue ab. »Manche Teile der Soli sind gehören einfach zur Komposition und müssen exakt so gespielt werden, sonst würde es sich nicht richtig anfühlen. Natürlich macht Improvisation den Unterschied von diesem Abend zum Abend davor, das ist die Magie des Livespielens. Manchmal kann das aber auch in die Hose gehen.«
Was im überigen auch Stücke betrifft, die der Gitarrist selbst geschrieben hat. »Auf der Seven Deadly Tour habe ich das Solo von ›Burn Your House Down‹ komplett improvisiert. Bis Rob de Luca zu mir sagte: Du solltest es so spielen, wie du es im Studio gemacht hast. Das hat soviel Kraft. Und er hatte recht! Also habe ich mein eigenes Solo vom Album spielen gelernt.«
Dass er auch nach über zehn Jahren als Gitarrist und Hauptsongschreiber in der Band von manchen Fans der „klassischen“ UFO-Besetzungen noch misstrauisch beäugt wird, macht ihm heute keine Probleme mehr: »Ich kann das ja auch verstehen. Manchmal nervt es, aber was soll’s: ich kann hier das tun, was ich liebe – und wenn ihr auf Michael Schenker oder Paul Chapman steht, müsst Ihr euch die alten Platten anhören, denn diese Besetzung gibt es halt nicht mehr.
Danach habe ich die Band noch einmal live gesehen, im November 2016, wieder in der Fabrik in Bruchsal, und wieder zeigte sich, dass auf UFO – die Nummer eins unter den ewigen Zweitligisten des britischen Hardrock – Verlass ist.
ERSTKLASSIGES AUS DER ZWEITEN LIGA
Konzertkritik (Badische Neueste Nachrichten)
Verlass ist vor allem auf die Stimme ihres Sängers Phil Mogg, der das berühmte „Telefonbuch rückwärts“ singen könnte, und es wäre dem Hörer ein Wohlgefallen. Mogg ist der Gossenpoet, geschult an tausenden von Filmen und Meeren von Alkohol, der in vier Minuten seine eigenen Drehbücher vertont. Drehbücher von Verlierern zwischen dem letzten Bier und der Suche nach dem letzten Strohhalm oder der nächsten Schlägerei. Der Einstieg mit „We Belong To The Night“ aus dem 82er-Album „Mechanix“ ist schon mal ein gelungene Überraschung. Hatte die Band bei früheren Tournee sich weitgehend auf die Setlist des legendären Live-Albums „Strangers in The Night“ von 1979 verlassen, geht sie nun endlich ins Risiko und spielt noch nie oder lange nicht mehr gehörte Songs aus vier Jahrzehnten, darunter auch zwei vom aktuellen Album „A Conspiracy Of Stars“, das sich wunderbar einreiht in eine Folge bluesgetränkter klassischer Hardrock-Alben voll geradliniger Songs, die die Band im 21. Jahrhundert veröffentlicht hat. Und dann ist da noch das finster dräuende, in schwer lastendem mittleren Tempo schiebende „Burn Your House down“ aus dem vorletzten Album „Seven Deadly“, in dem sich Katastrophen abzeichnen, und Mogg den Untergangspropheten spielt.Natürlich sind UFO-Songs – alte wie neue – immer auch ein Vehikel für eine Gitarrenvirtuosen. Der Amerikaner Vinnie Moore, seit 13 Jahren verlässlicher Architekt des Band-Sounds, hat von Anfang an vermieden, den stilprägenden UFO-Gitarristen Michael Schenker zu kopieren. Wenn Moore die Klassiker „Rock Bottom“ oder „Lights Out“ adaptiert, wählt er für seine Soli einen vollkommen anderen Ansatz als Schenker. Allenfalls melodische Floskeln, die das Solo eröffnen oder beende, übernimmt er. Dazwischen setzt er mit glasklaren, perlenden Läufen seine eigenen Akzente. Natürlich hat das manchmal auch etwas Angeberisches, aber welcher Hardrockgitarrist hält schon mit seinen technischen Fähigkeiten hinterm Berg? Phil Mogg stellt ihn jedenfalls gegen Ende des Konzerts mit unüberhörbarem ironischen Unterton als „Fast Finger Vinnie“ vor.Getragen werden dessen Eskapaden von einer Band, die eine solche bodenständige Urgewalt entfesselt, dass es eine reine Freude ist, den Herren bei der Arbeit zuzuschauen. Zuvörderst Paul Raymond, der gelegentlich an den Keyboards, aber meistens an der Rhythmusgitarre Schwerstarbeit leistet. Während Andy Parker seinem Ruf als Trommler mit beschränktem technischen Repertoire, dafür aber umsomehr Herz und Schubkraft gerecht wird. Man sieht dem 64-jährigen an, dass er an die Grenzen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit kommt, aber einen Riesenspaß dabei hat. Bassist Rob des Luca tut mit stoischem Gesichtsausdruck das, was der Bass bei UFO tun sollte: Nicht auffallen, aber immer präsent sein. Das Publikum weiß all das unüberhörbar zu schätzen, was wiederum die Band zu schätzen weiß. Irgendwann im Zugabenblock, zu dem auch das unsterbliche „Doctor Doctor“ gehört, bemerkt Phil Mogg, eine Band sei immer nur so gut wie ihr Publikum. Quod erat demonstrandum.