Die geschrammelte Anarchie
The Ukulele Orchestra Of Great Britain beim Zeltival, Tollhaus, Karlsruhe, 8.7.2013
„Als ich jung war, wusste ich nicht was ich werden sollte. Aber ich wusste, was ich nicht tun wollte: Ich wollte keinen Job, bei dem man einen Anzug tragen muss und in einer langen Reihe von Leuten sitzt, die alle auf ein Stück Papier starren…“, sagt Dave Suich mitten im Konzert. Da hat er Pech gehabt. Denn genau das tut er jetzt schon seit Jahrzehnten.
Suich ist einer von acht Ukulelisten, des Ukulele Orchestra Of Great Britain. Die kommen grundsätzlich in der formellen Verkleidung als „richtige E-Musiker“. Aber ob die Ukulele ein ernstzunehmendes Instrument ist? Der Abend des Zeltival-Konzertes vermag die Frage nicht schlüssig zu klären. Wenn man will, kann man ins vordergründig amüsante Tun des Orchesters ein bisschen Kritik am etablierten Kulturbetrieb hineingeheimnisse: da inszenieren sich die Musiker auf der Bühne, als sei es das heilige Sinfoniekonzert höchstpersönlich, und zelebrieren mit großen Gesten eine durch und durch unernste, wenn auch im Rahmen der Möglichkeiten des Instruments recht virtuose Musik. Zumindest würde ein Teil der Wirkung verpuffen, träten die Musiker denn so leger gkleidet auf wie ihre Publikum. Ob die Ukulele an sich ein Riesenspaß ist? Die Frage ist leichter beantwortet: Ja, aber das allein trägt kein zweistündiges Programm mit musikalischen Neuverformungen von Country über Punk bis Filmmusik und Klassik. Dafür braucht es dann schon den speziellen Humor dieser Truppe, der sich vor allem in den Ansagen manifestiert.
Da wird das Kraftwerk’sche „Model“ als „very popular, it’s by Karl Heinz Stockhausen“ angekündigt und das Publikum zum Mitsingen aufgefordert. Die Musik gibt in der Ukulelenversion ihre ganze motorische Dumpf- und Stumpfheit zur gefälligen Betrachtung frei und macht – weil deutsch gesungen – nebenbei noch den Riesenspaß, Engländern beim halbwegs unfallfreien Formulieren so unmusikalischer Worte wie „Scheinwerferlicht“ zuzuhören. Ganz zauberlich wird es, wenn der Kontrast zwischen der Vorlage und der Bearbeitung schon fast körperliche Schmerzen erzeugt: da singt einer Johnny Rottens Textzeile „I am an antichrist“ so als verlese er seine Steuererklärung, zart umspielen die wogenden Ukulelen das seiner Dringklichkeit vollends entkleidete Sex Pistols-Werk, und im Refrain darf das Publikum ebenso zart wogend das Wörtchen „Anarchy“ hauchen.
Manche der Kunststückchen, die die Damen und Herren vorführen, sind pure Demonstrationen der These: „Mit der Ukulele kann man alles spielen“. Etwa das zackige Arrangement von Isaac Hayes‘ „Theme from Shaft“, das so klingt, als wäre es für acht Ukulelen geschrieben. Dass man mit Dolly-Parton Songs ganz leichtes Spiel hat, versteht sich fast von selbst. Aber David Bowie, Frank Sinatra, The Who und noch ein paar mehr mit Hilfe aufwändiger Gesangsaufwallungen auf relativ gleichbeibender Schrammelgrundierung in ein Medley zu zwingen, das ist dann schon wieder ganz große Kunst.