Ein Bluesbär aus Down Under
Vdelli in der Kulturhalle Remchingen, 26.1.2014
Da schlurfen drei Mann lässig auf die Bühne der Remchinger Kulturhalle, ohne dramatische Intro-Musik, ohne Angeberposen. Nicht einmal ein großer Knaller zu Beginn des Konzerts, stattdessen federndes Blues-Feeling, und das auch noch mit einer Fremdkomposition: Willie Dixons „Spoonful“, seinerzeit von Cream populär gemacht, wir elastisch ausgelotet. „Some Blues and some Rock“, ist die Devise des australischen Gitarristen Michael Vdelli und seiner kongenialen Sidemen Ric Whittle am Schlagzeug und Leigh Miller am Bass. Deren Tun mit der Überschrift „Die Rückkehr des Powertrios“ nur unzureichend beschrieben wäre.
Ja, Power können sie auch, was sie vor allem in den kraftvollen, fleischigen Nummern des aktuellen Albums unter Beweis stellen. Vdelli haut Gitarrenlicks raus, die lässig Rhythmus- und Leadspiel miteinander verzahnen. Da wäre an keiner Stelle Platz für einen zweiten Gitarristen. In dieser Disuilplin kann er sich problemlos mit einem Rory Gallagher messen, auch in puncto Energielevel der gesamten Band. Die Rhythmussektion allerdings hat einiges mehr drauf als nur zu klotzen: Sie beherrschen, gerade auch in ausgedehnten Improvisations-Passagen, die Kunst es filigranen Dynamik-Wechsels. Für Momente verkleiden sie sich als abgebrühte, obercoole Jazzer, um im nächsten Augenblick in einem infernalischen Doublebassdrum-Gewitter abzuheben, während der Chef einen Sturm mit dem Wah-Wah Pedal entfesselt. Wobei seine Soli fast nie endlosen Geschwindigkeitsrekorde sind, sondern oft von der Sehnsucht getrieben, in knappen Skizzen auf den Punkt zu kommen.
Dazu erzählt der bären-ähnliche Mann mit der Gitarre Geschichten aus seinem Leben, die er allweil mit „This is a true Story“ einleitet, um schelmisch hinzuzufügen, er könne gar nichts singen, was nicht der Realität abgeguckt sei. Ach, und diese vielen desaströsen Beziehungen! Frauen, oh weh und ach! Spricht’s und steigt ein in „Dream Girl“. Einen feisten Song, kompakt wie ein Kilo Schwartenmagen, auf den Billy Gibbons von ZZ Top sehr stolz sein könnte, hätte er ihn denn geschrieben.
Vdellis eigens Material ist nicht unbedingt immer originell, manches ist songschreiberisch eher Mittelmass und gehört in die Kategorie: Zuhause muss man sich das nicht unbedingt anhören, aber auf der Bühne entwickelt es ungeahnte Qualitäten. Es gibt in diesem Konzert mehr Momente, in denen die Spannung durch die Art ensteht, in der die Musiker sich fremdes Material aneignen: „Born Under A Bad Sign“ kommt funky, fett und bräsig, „Fire and Rain“ eher leichtfüßig, aber fast verlegen auch. Die Version von Jimi Hendrix‘ Voodoo Chile ist Dekonstruktion und Wiederaufbau, Annäherung und Abstand nehmen gleichzeitig.
Es ist ein Lehrstück darin, welche Interpretationsmöglichkeiten Musik bietet, die in dsen späten 60er- und frühen 70er Jahren entstanden ist: Weil schon das Original sich alle Freiheit liess, kann der heutige Interpret ganz weit hinausschwimmen, bis er nur nach das Basisriff als fernes Leuchtturm-Leuchten am Ufer sieht. Dass das Publikum dann noch mit dem ZZ Top Cover „La Grange“ belohnt wird, versteht sich fast von selbst. Und dass Herr Vdelli behauptet, das Remchinger Publikum sei „the best audience ever“ gewesen, muss ja wohl auch die Wahrheit sein, denn er sagt ja immer die Wahrheit.