Spröde Königin der Rätsel
Suzanne Vega, Tollhaus-Zeltival, Karlsruhe, 23.6.2014
Wenn Amerikaner Leonard Cohen lieben, sagen sie: „Ich mag Leonard Cohen, aber nur, wenn ich in einer bestimmten Stimmung bin“. Das erzählt Suzannne Vega bei ihrem Zeltival-Auftritt zu der transatlantischen Liebesgeschichte „Gypsy“. Die Engländer dagegen würden sich unabhängig von der Stimmung Cohen hingeben, „weil sie nicht den Druck verspüren, ständig fröhlich zu sein.“
Die Ansage zu dem ultramelancholischen Song ist nur einer jener zauberlichen Momente dieses Konzerts. Mitte der 80er Jahre war es, als Suzanne Vega zeitgleich mit Kolleginnen wie Tracy Chapman oder Michelle Shocked ihre 15 Minuten Weltruhm hatte. Weil sie aber schon damals nicht in das Popstar Klischee passte, und stattdessen die klassische Singer-Songwriter-Rolle spielte, kann sie fast drei Jahrzehnte nach „Luka“ oder „Tom’s Diner“ auf ein Publikum zählen, das diese Zufallshits zwar gern hört, aber eben nicht deswegen kommt. Sie gehören zum selbstverständlichen Inventar eines Song-Kanons, der von der spröden Stimme der Künstlerin und ihrem etwas unterkühlten Charme getragen wird. Obwohl man als Zuhöre hin- und hergerissen ist in der Wahrnehmung der 55jährigen New Yorkerin: Mal wirkt sie wie eine vertraute Freundin, die intime Geheimnisse mit dem Publikum teilt, mal wie eine ätherische Unbekannte, deren Konturen wie hinter einer Milchglasscheibe verschwinden.
Mit kleiner Band – Schlagzeuger Doug Yowell und Gitarrist Gerry Leonard – lotet sie alte und neue Songs in vielfarbigen Arrangements aus. Mit Leonard hat sie die Songs des aktuellen Albums „Tales From The Realm Of The Queen Of Pentacles“ geschrieben, die musikalisch solide durchaus die Wucht der E-Gitarre einbeziehen, aber auch die vega-typische Verrätseltheit nicht über Bord werfen. Surrealismus? Poesie? Autobiographisches? Mit der Ansage zu „The Fool’s Complaint“ schickt sie ihre Fans jedenfalls schon mal zum Rätseln. Um einen Narr gehe es, der ein Problem mit der Königin der Pentagramme hat. Das sei eigentlich schon alles, was man über den Song wissen müsste. Aha.
Ein guter Song ist ein guter Song, wenn er vom Künstler zur Wanderklampfe vorgetragen seine volle Strahlkraft entfaltet, so haben uns die Altvorderen der Generation Bob Dylan gelehrt. Suzanne Vega weiss das und dennoch scheint sie ihr Werk über die Jahrzehnte als „Work in Progress“ zu betrachten und mit immer neuen Fassungen zu experimentieren : Die „Close Up“ CDs , die sie in den vergangenen Jahren aufgenommen hat, dokumentieren neue Instrumentierungen alter Lieder, die Bühnenfassungen wiederum orientieren sich an der jeweiligen Besetzung. Manchmal zum Vorteil. „Jacob And The Angel“ gewinnt durch Gerry Leonards sparsames, aber effektvoll hypnotisches Rhythmusspiel an dräuender Intensität. Fast möchte man Schutz suchen, so nahe rückt einem der Song. Nicht immer funktionieren die Band-Arrangements: In „Tom’s Diner“, dem letzten Song des regulären Sets, spielt sich Yowells Schlagzeug unangenehm in den Vordergrund.
Es sind aber nur diese wenigen Minuten, in denen die Musik den Blick auf den Text verstellt. Dagegen bleibt selbst bei der kakophonischen Lärmorgie, die Gerry Leonard im Zugabenblock bei „Blood Makes Noise“ veranstaltet, die Stimme der Sängerin immer noch die Königin.