Cajun und Blues aus Oberösterreich

Hubert von Goisern im Tollhaus, Karlsruhe, 20.10.2016

Die Leute dort in Louisiana, die seien eigentlich genauso wie die eigenen Landsleute: „Die genügen sich selbst“, stellt Hubert von Goisern mit Blick auf seine USA-Studienreise vor einigen Jahren fest. Aber auch positive Erfahrungen hat er dort gemacht: dass nämlich die eigenen oberösterreichischen musikalischen Wurzeln nicht weit weg von dem sind, was dort angesagt ist, von Country, Cajun und Zydeco. Die eingeschworene Fangemeinde kennt das schon, schließlich hat von Goisern sein „sumpfiges“ Album „Federn“ 2014 schon ein halbes Jahr vorm Erscheinen erstmals live vorgestellt. Ein Publikum, das offen für ein solches Experiment ist, kommt gerne wieder, wenn sich das Material im eigenen Bewusstsein gesetzt hat.

Vordergründig Gegensätzliches so zu vermischen, dass der Zuhörer glaubt, das gehöre seit Urzeiten zusammen, ist eine Kunst, die der Sänger schon immer trefflich beherrscht hat. Das ganz große Plus dieses Weltmusikers ist seine Fähigkeit, Einflüsse aufzusaugen und so wieder auszuspucken, dass es nicht angelernt oder aufgesetzt klingt, sondern zu einem ganz natürlichen Teil des eigenen musikalischen Universums wird. Auch deshalb, weil die Band ihre kraftvolle und im Zweifelsfall zum fleischigen Rock tendierende Musizierweise nicht verleugnet, weil sie aber auch genug Sensibilität hat, sich zurückzunehmen, um etwa den amerikanischen Pedal Steel Gitarristen Bob Bernstein (der mit seinem Instrument im Film Brokeback Mountain zu hören war) glänzen zu lassen. Dem bietet von Goisern – auch in diesem Konzert ein unterhaltsamer Geschichtenerzähler – politisches Asyl an, sollte das mit der Wahl in den USA „doch noch schiefgehen“. Um sich gleich zu besinnen, dass ja auch in Österreich eine Wahl anstehe, die ebenfalls schiefgehen könne.  

Die Band (Gitarrist Severin Trogbacher, Drummer Alexander Pohn und Bassist Helmut Schartlmüller) wirkt inzwischen noch homogener, spielt mit traumwandlerischer Sicherheit: Ob der nicht totzukriegende Gassenhauer „Susanna“, ob die Verbindung zwischen Jodelkunst und krachendem Rock in „Stoansteirisch“: Alles steht diesen vergleichsweise jungen Musikern wie eine zweite Haut. Mit brachialer Eleganz pflügen sie auch durch den seltsam verschleppten Groove von „Schnapps“, bei dem unvorsichtige Ausdruckstänzer leicht ins Stolpern kommen könnten. Dann greift der Chef zur Stratocaster und singt „Es san dieselb’n Stroß’n, die die hamführ’n oda furt“ und vorm geistigen Ohr des Zuhörers läuft zu einer zuckerfreien Rockballade ein Roadmovie ab. Das Instrumental „Benni“, ein Oldie aus der „Alpinkatzen“-Ära, packt den ländlichen Hupfauf Huckepack auf ein metallisches Gitarrenriff, wechselt ständig Tempo und Richtung und klingt letztlich auch wieder amerikanisch: Man kann sich gut einen Cowboy vorstellen, der beim Rodeo immer wieder vom Pferd abgeworfen wird. Den feistesten Kraftblues fahren die Musikanten zum Ende des regulären Programms in „Snowdon“ ab. Einem wütenden, nervzerfetzenden Rundumschlag über alle Krisen, Konfliktherde und Katastrophen dieser Welt. Da darf man dann auch mal Plakate singen. Da kommt die tanzbare erste Zugab „Brenna tuat’s gut“ schon beinahe als Erlösung entgegennehmen.