Der Standhafte

Hannes Wader, Tollhaus, Karlsruhe, 15.11.2004

„Schon morgen soll ein großer Sturm aufkommen, und auch andere wagen es herauszuschreien, was sie beleidigt alle Furcht vergessend, und keinem bricht der Sturm das Zungenbein.“ Hannes Wader hat es 1976 gesungen, und er singt es 2004 im generationsübergreifend vollbesetzten Karlsruher Tollhaus als Eröffnungslied. Wader ist standhaft. Er trägt keine rote Fahne vor sich her, aber die Themen, die in seinen Liedern dominieren, handeln immer noch von den existentiellen Fragen. Im aktuellen „Milliardäre“ von der gerade erschienenen CD „…und es wechseln die Zeiten“ rechnet er vor, was die fünf Wal-Mart Erben auf der hohen Kante haben. Und dass es doch für eine Verkäuferin und vier Kolleginnen machbar sei, ranzuklotzen und in einer Million und dreihundertdreißigtausend Jahren mit ihrem Arbeitslohn die gleiche Summe beizuschaffen.

Er wütet gegen die Kriegstreiber in der deutschen Übertragung von Eric Bogle’s „No Man’s land“ – und doch: die Musik steht auch bei Wut-Stücken immer in merkwürdig anrührendem Kontrast zum Text. Vielleicht ist es das, was selbst Wader-Fans immer vom „unterkühlten“ seines Vortrags sprechen lässt. Immer feingeschliffen, getragen von ineinanderfließenden Melodiebögen singt er mit dieser eindringlichen, nicht wirklich schönen, aber angenehmen Stimme. Eine Stimme, die den richtigen Ton für Fragen trifft, ebenso für feste Überzeugungen. Die Gitarrenbegleitung geht wechselnd im Gleichklang oder im Kontrast. Feines Fingerpicking ist sein Markenzeichen, man wird ihn nie geifernde Akkorde schrubben hören, wie es früher beispielsweise die Kollegen Biermann und Degenhardt gerne taten. Das Gitarre stimmen ist Waders Problem. Er soll dafür berühmt berüchtigt sein, und dementsprechend werden sogar lange Stimmpausen, denen die Erkenntnis folgt: „Jetzt stimmt sie zwar immer noch nicht“, als Teil dieses durch und durch echten Künstlers beklatscht.

Er schmeißt sich an sein Publikum nicht heran. Fast distanziert wirkt er im ersten Teil des Konzertes, erst nach der Pause taut er wirklich auf. Und mutet sich schwieriges, textintensives und sehr kontrastreiches zu: Da ist die Geschichte vom Rattenfänger, die endlich einmal die Wahrheit erzählt, und die er so oft schon in Hameln singen wollte, es aber immer wieder vergessen hat. Da nimmt er sich den schwedischen Rokoko Lyriker Carl Michael Bellman vor, konzentriert sich, schafft sich durch fünf Muten beeindruckende Koloraturen, wechselt nach Griechenland. „das Land meiner Sehnsucht, ich war noch nie dort, will auch nicht hin…“ 7/8 takt und eine respektvolle Annäherung an griechische Lebensfreude, andernorts und –hirns könnte dergleichen zum Plumpschlager hin entgleisen.

Vieles im Bühnenprogramm des mittlerweile 62jährigen Liedermachers ist Rückschau, niemals aber romantische Verklärung. Und wenn, rückt er es gleich in der Ansage zurecht: „meine Jugend war nicht schön, das weiß ich, aber es kommt mir heute eben so vor“ sagt der zu „Schön ist die Jugend“. „Doch wir fragen uns auch, wird es nach uns noch jemanden geben?“ singt er in „Kleine Stadt“, einer Hommage an Wissembourg, wo sich alljährlich die Barden in einem Lokal zum Trinken und Singen treffen. Nein, mehr werden wes nicht. Aber solange es noch einen Hannes Wader gibt, der einer „Stellungnahme“ über Neonazis, die seine Lieder missbrauchen, die Worte vorausschickt: „nein, ich rede nicht mit Nazis“, solange ist alles gut. Kein Grund, alte Überzeugungen in irgendwelchen Mänteln der Geschichte zu verstecken. „Ihr Gefährten im Sturm. Ihr Gefährten im Streit. Mit uns kämpft die Vernunft und die Zeit“ heißt es in der deutschen Version von „Le Chiffon Rouge.“