Goldenes Handwerk

Y & T, Fabrik Bruchsal, 26.10.2010

Als Twens begeisterten sie Teenies mit solchen Covers: „Facemelter“: Das erste Studioalbum der kalifornischen Hardrocker Y & T seit 13 Jahren ziert ein feuerspeiender Drache. Will sagen: Attacke, Feuer aus allen Rohren. Das mag heute lächerlich und antiquiert wirken, aber der Stammkunde weiß: Wo Drache drauf ist, ist goldenes Lärm-Handwerk drin. Das ist auch heute noch das Prinzip der Band, deren Gitarrist und Sänger Dave Meniketti im Dezember 57 Jahre alt wird. Er stand als einziger der Originalbesetzung der Band am Dienstagabend in der Bruchsaler Fabrik auf der Bühne. Bis Mitte der 80er Jahre waren die Herren (die ursprünglich Yesterday and Today hießen) wirklich mal groß, zumindest in der Heimat, wo sie einige Millionen Alben verkauften.

Dass das heute nicht mehr so ist, dass auch die Frisuren nicht mehr dem heutigen Zeitgeist entsprechen – was soll’s. Die Musik ist relativ zeitlos. Denn die war schon immer etwas heftiger, bodenständiger als die Frisuren es ahnen ließen. Denn hier gab und gibt es schweißtreibendes, mal inspiriertes, mal bodenständig-biederes Hardrock-Handwerk, Gitarrensoli mit Furor aber ohne Effekthascherei, zupackende Songs vom Testosteron-Highway. Die sich von denen vieler Kollegen auch schon damals dadurch unterscheiden, dass ihnen jede Hochglanzpolitur fehlt. Pathetisch kann’s schon mal werden, aber pompös nie.

Der furiose Set startet mit dem programmatischen „On With The Show“, das so nebenbei auch signalisiert: es ist uns eine Ehre in Bruchsal vor vielleicht 200 Leuten zu spielen, nicht etwa eine Qual. Meniketti bedankt sich denn auch gleich freundlich beim Publikum, dass es an einem Dienstagabend hierher gefunden hat. Der Dank ist echt. Denn nun beginnen zwei Stunden inspirierten Musizierens, das kaum unter den teilweise mediokren Songs leidet. Hier geht es mehr um das „Wie“ als um das „Was“. Dave Meniketti singt mit Inbrunst, seine Gitarrensoli sind immer noch ein Lehrbuch für die Unterrichtseinheit: „Wie sage ich in ein bis zwei Minuten alles und hinterlasse offene Münder im Publikum?“. Wem das reicht, der ist gut bedient. Sein Gitarrenspiel setzt auf Geschwindigkeit und Gefühl gleichzeitig, und dass der Blues auch mit weniger Noten auskommen kann als etwa beim stets übermotivierten Kollegen Gary Moore, beweist er irgendwann später im Set, nachdem schon fast alle Noten gespielt sind, die dringend einmal gespielt werden mussten. Er benutzt keine Tappingtechnik, nicht mal einen Vibrato-Arm. Er spielt einfach nur, scharfkantig beseelt, eruptiv. Wenn er sich bei „I Believe In You“ mit Gitarren-Sidekick John Nymann in einen wahren Rausch soliert, ist man überzeugt, die beiden würden das auch tun, wenn da nur ein Dutzend Zuhörer wären.

Die perfekte Rhythmusmaschine dazu ist Drummer Vike Vanderhule, ein kleines dickliches Energiebällchen, das kein bisschen zuviel spielt und von Spielweise und Physiognomie dem Originaldrummer Lenny Haze ziemlich nahekommt. „If you want me“ widmet Meniketti dem an Krebs erkrankten Original-Bassisten Phil Kennemore., der für die Tour vom hyperaktiven Brad Lang vertreten wird. Und weiter geht die Show. Das Selbstbewusstsein von Veteranenbands zeigt sich auch, wie sie mit neuem Material umgehen. Diese Herren haben nichts zu verbergen: Eine Handvoll der Songs schaffen es auf die Bühne. „Shine On“ etwa mit seinem eingängigen Refrain würde durchaus zum Konzertklassiker taugen. Aber natürlich verblasst all das gegen Klassiker wie „Midnight in Tokyo“ oder „Black Tiger“. Letzteres ist purer Sex auf zwei Gitarren. Zwischen Nymann und Meniketti fliegen die Funken, Riffing und Melodie kommen aus einem Guss, an der Seite der Bühne versuchen sich derweil drei entfesselte Headbanger in Stücke zu reissen. Und als mit „Dirty Girl“ der vorläufige Endspurt der Ekstase anhebt, da sieht man sogar junge Frauen (im ansonsten männlich-über-40-Publikum) mit geballter Faust sexistische Texte der Güteklasse oberpeinlich mitsingen. Ach was: Schreien: „Dirty girl, oh, what you got. If you give it, I can take it all night“.