Kollege Andreas Jüttner hat in den BNN mein Büchlein rezensiert. Uns was soll ich sagen, ich krieg‘ einen roten Kopf….

 

Als wäre man mittendrin im Konzert

„Viel Lärm um Alles“: Buch mit 105 Rezensionen aus knapp 20 Jahren von BNN-Autor Thomas Zimmer

„Konzerte zum Lesen“ verspricht der Untertitel des Buchs „Viel Lärm um Alles“ des Karlsruher Musikkritikers Thomas Zimmer. Und entgegen des Bonmots, über Musik zu schreiben sei wie über Architektur zu tanzen, löst es dieses Versprechen auch ein. Denn Zimmer hat das Gespür dafür, die Stimmung eines Ereignisses so in Worte zu fassen, dass man meint, mittendrin dabei zu sein.   Etwa wenn der Songwriter Chris Eckman im Jubez eine Strophe lang nur eine Saite zupft. „Wenn nach drei Minuten der erste Akkord fällt, hört man Breitwandfilme.“ Oder wenn die Metal-Queen Doro im Substage ihr Publikum mitreißt: „Und immer dann, wenn es alle ahnen, geht der Drummer auf Halftime, und jeder Luftgitarrist, der etwas auf sich hält, greift sich gleißend in den Schritt.“ Ein solches Bild sagt mehr als tausend Titel- oder Stilauflistungen. Genau wie die Beschreibung, die Band des alten Bluesrecken Chris Farlowe spiele „tight und furztrocken wie ein Kaktus neben einer rostigen Zapfsäule“.

Wer „objektive“ Beschreibungen aus dem Musik-Almanach sucht, ist hier offenkundig ebenso falsch wie Menschen, deren CD-Sammlung nach „Rezensionen“ aus Elektronikmarkt-Werbeheftchen zusammengestellt ist. Zimmers Texte sind so subjektiv, wie eine aufrichtige Auseinandersetzung mit Musik im Idealfall sein sollte. Wobei subjektiv nicht bedeutet, dass hier eine Einzelmeinung zum unfehlbaren Urteil erhoben wird, sondern dass eine Meinung formuliert und begründet wird.

Das erfolgt nicht immer zur Freude jener Fans, die sich, wie es im Vorwort heißt, nur in ihrer Heldenverehrung bestätigt sehen wollen, und deren mitunter per Leserbrief eintreffende Widerworte im Buch ebenfalls Platz finden. Doch das Buch entkräftet jeden Verdacht, Zimmer erfülle das Kritikerklischee des verissfreudigen Scharfrichters: Unter 105 Texten aus knapp 20 Jahren, alphabetisch geordnet von Bryan Adams bis ZZ Top, zeugen nicht mal zehn von grundlegendem Unbehagen. Das entzündet sich vor allem an allzu platten Posen und wohlfühliger Bravheit, sei es im bemühten Mittelalter-Folk des Ritchie-Blackmore-Projektes „Night“, im offensiven Publikumsliebhaben von Deutschpop-Star Bosse oder in den Pseudo-Folksongs der Mighty Oaks, die „Binsenweisheiten und Allerweltsgefühle als nachdenkliche Poesie verkaufen wollen“.

Vollauf begeistert hingegen ist der Rezensent oft von Konzerten, bei denen härter gerockt wird, was aber nicht ausschließlich mit der Musikrichtung zu tun hat, sondern mit der dort oft zu erlebenden Spielfreude. Über das Konzert von Danko Jones 2004 im Substage sinniert er sinngemäß: Würde der KSC seine Angriffe mit der gleichen Intensität vortragen, dann wäre das gegnerische Tor weg und der Strafraum ein Krater. Hardrock-Scheuklappen sucht man dennoch vergebens: Das Buch zeugt auch von Begeisterung für die Freigeister Guru Guru, die erdverbundenen Hooters oder die in alle Stilrichtungen offenen Jewish Monkeys. Und eine Pur-Rezension, die seinerzeit einigen Lesern offenbar zuwenig lobende Superlative enthielt, beleuchtet die oft übersehenen musikalischen Qualitäten der Band.

Zugegeben: Eine unvoreingenommene Rezension dieses Buches ist auf dieser Seite nicht möglich. Schließlich waren hier fast alle der im Buch versammelten Texte in den vergangenen 20 Jahren schon mal zu lesen, denn Thomas Zimmer schreibt seit Ende der 90er Jahre für diese Zeitung. Laut Klappentext auch, um „nagende Schuldgefühle“ aus seiner Zeit beim privaten Rundfunk abzutragen, wo er ab den 80er Jahren „auch verantwortlich für die Versendung von musikalischem Müll“ gewesen sei. Streift man nun aber durch dieses Buch, möchte man nicht nur sofort aufs nächstmögliche Konzert gehen, sondern hofft auch, dass diese Schuldgefühle noch eine Weile anhalten. Andreas Jüttner

Thomas Zimmer: Viel Lärm um Alles. Selbstverlag. 236 Seiten, 14,90 Euro. Erhältlich in der BNN-Geschäftsstelle Lammstraße 1-5, in der Stephanus-Buchhandlung sowie beim Rock-Shop.