„Abrocken, wenn’s schee macht!“: Die Dorfcombo ist wieder da!

Foto-Copyright „historisches Foto“, Pressebild und Autogrammkarte von 1991: Marion Zappe

Man schreibt das Jahr 1985. Die ganze Welt ist verseucht von schrecklichem Synthesizergedöns á la Depeche Mode oder sonstigem Popperkram. Gitarren und echte Bläser kennt niemand mehr. Wirklich? Nein, die kleine Stadt Rheinstetten leistet erbitterten Widerstand. Ihre Waffe heisst Dorfcombo, eine trotzige Chaostruppe, für die deren erdige Musik Blues und Rock’n’Roll der Massstab aller Dinge ist. 1993 gewinnt sie den SWF 3 Wettbewerb mit „Es ist immer einer besser“. Es folgen Fernsehauftritte, das erste Video, 13 Wochen Top Ten in der SWF 3-Hitline, ein Plattenvertrag, bundesweite Tourneen mit insgesamt an die tausend Konzerten bis 2005. Dann ist zunächst einmal Schluss. „Das schließt aber nicht aus, dass wir uns in ein paar Jahren mal wieder zu Reunion-Auftritten treffen“, sagt Sänger Ralf Maurer alias Fummel damals.

Jetzt ist die Dorfcombo weder da. Nach einem Kurzauftritt beim Rheinstettener Bürgerball 2015 sorgt sie im Juni 2019 Jahres bei ihrem Open Air Revival-Konzert in Neuburgweier für ein generationübergreifendes Familienfest. 3.000 Fans feiern sich, die Band und das Leben. Gut ein halbes Jahr später ist die Band im Proberaum, um sich für das Konzert im Tollhaus am 31. Januar fit zu lärmen – und Fummel erzählt: „Mein Gefühl war, dass wir die Leute so glücklich gemacht haben. Da konnte man einfach nicht gehen und sagen: Das war‘s.“ Und da ist noch etwas: „Wenn ich am Klavier hocke und mir fallen ein paar Akkorde ein oder eine Gesangsmelodie, dann kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass sowas je ausserhalb der Dorfcombo realisiert würde“, erzählt Keyboarder Michael Winter, der sich aber auch gefragt hat „kriegen wir das musikalisch auf die Reihe? Und: tragen die Songs?“
Schließlich sind die „Greatest Hits“ der Rheinstettener vor rund 30 Jahren entstanden. Einige der wilden Kerlen von damals sind angegraute Familienväter geworden, die möglicherweise manches heute anders sehen als damals. „Es gibt ein, zwei Songs, bei denen ich nicht mehr so ganz arg dahinterstehen würde“, denkt Ralf Maurer laut nach. „Das ‚Dorfcombo-Lied‘ ist ja eigentlich vom Text her ganz schön doof. ‚Der Bürgermeister steigt auf die Bühne rauf und schreit Stop- ich mach ‘nen Kasten raus‘ – da habe ich mich schon gefragt: Will ich das noch singen? Aber wir haben auch andere Songs, da sind die Texte noch richtig aktuell“. Michael Winter ergänzt: „Nimm ‚Einfach nur zusammenleben‘, das ist hochaktuell. Ich bin das Zeile für Zeile durchgegangen.“ Der Song ist 1994 entstanden: „Sie schreien die alten Parolen, schmieren sie an die Wand, vom Wahnsinn getrieben, die Seele krank“ heisst es im Text.
Vor fünf Jahren hatte Gitarrist Peter Fitterer alias Straps über eine mögliche Reunion gesagt: „Ich würde es nur machen wollen, wenn wir nicht nur die alten Lieder spielen, sondern auch was Neues entstünde. Entweder man hat was zu sagen, oder man hält die Lapp.“ Heute sagt er: „Ich würde gern noch mehr machen, wenn es irgendwie ginge. Aber drei neue Lieder ist schon mal nicht schlecht.“ Die neuen Dorfcombo-Songs passen perfekt zu den alten. Da sind die euphorischen Gefühle von früher – aber auch eine gehörige Portion Melancholie. In der Ballade „Die Letzen unserer Art“ beispielsweise singen sie von „Clowns mit Tränen in den Augen, nicht cool, nicht hip, nicht schick, nicht smart“. Was ein Bild für den Zustand der Welt sein kann, könnte aber auch eine Meditation sein über das, wofür die Band steht. „Nein brüllen“ ist einer dieser Songs geworden, bei denen man sofort mitbrüllen möchte. Viervierteltakt, Midtempo, geradling, laut. Es geht um den Typ Mensch, ,der immer nur gegen alles ist und als „Vorzeige-Resignator“ den Hintern nicht hochkriegt.
Die Band spielt nach ihrer Wiedergeburt fast in der alten Besetzung, allein Bassist Martin Höger ist nicht mehr dabei, dafür hat Ralf Maurer jetzt neben dem Gesang den Bass übernommen. Kein Problem, denn „ich spiele gern Bass“. Den Traum von der Profi-Karriere haben sie sich weitgehend abgeschminkt, auch angesichts der heutigen Strukturen der Musikindustrie. „Wenn ich was kriege von irgendwelchen jungen Bands, die meine Kinder und ich gut finden, dann ist meine erste Frage; Können die heute noch davon leben?“ fragt sich Friedemann Winter. „Selbst wenn man in den Augen der Öffentlichkeit offensichtlich groß durchstartet, via Youtube oder über Downloads, heisst das noch nicht, dass man davon leben kann“.
Entscheidend für den derzeitigen Staus der Band ist sowieso etwas anderes, meint Ralf Maurer: „Ich denke oft, dass wir jetzt in einer sehr luxuriösen Situation sind. Wir haben gesagt, wir wollen genau da Konzerte machen, wo es Spaß macht, und auch nicht tausendmal, sondern eben dann, wenn‘s schee macht.“