Radio Pandora. Doppelt hält besser.

Notiz: 2008 veröffentlichten BAP das Album Radio Pandora, in einer Plugged- und einer Unplugged-Version. Allein für die Idee, Jack Kerouacs über fünfzig Jahre altem Urknall aller Roadmovie-Literatur „On the Road“ ein musikalisches Denkmal zu setzten, war eine großartige Idee. Dieses Bebop-geschwängerte Buch mit einer Rocknummer zu würdigen, war ein Hinweis darauf, wie viel Stimmungen diese beiden Alben einfangen. Der Texter Niedecken setzte auf die mal stürmische, mal melancholische Musik, die zum Großteil von seinen Kollegen Helmut Krumminga und Micheal Nass geliefert wurde, mit der Grundhaltung eines skeptischen Optimisten seine Themen „Glaube, Hoffung, Liebe“ ins Werk, wie schon auf dem „Sonx“ Album 2004, aber mit deutlich mehr Zwischentönen, aber ohne überladene Arrangements. Auf dem Unplugged-Album sowieso, denn es wurde fast ohne Overdubs live eingespielt. Bei den Aufnahmen dafür war ich zwei Tage lang „live“ im Studio dabei. Das gespräch mit Wolfgang Niedecken führte ich am 6.5.2008 in Köln, zwischen dem Ende der Seesions  und der Veröffentlichung mit einem Präsentationskonzert  im Essener Programmkino „Lichtburg“. Die Live-Fotos habe ich bei diesem Konzert gemacht. Here we go…..

Das erste was mir auffiel und was mich gefreut hat, war „Wat für e Booch“ – der Rock’n’Roll-Song zu einem Buch, in dem Jazz eine große Rolle spielt.

Als ich das das erste Mal gelesen habe, hab ich den Schriftsteller gar nicht einordnen können. Das war einfach nur ein Buch, von dem ich wusste, da geht’s ab… das war mir empfohlen worden, und zwar im Zusammenhang mit Dylan, damals hat man mir erzählt, dass ein anderes Buch von Kerouac für Bob Dylan sehr wichtig gewesen ist: Dylan ist damals mit „The Subterraneans“ überall rumgerannt. Der deutsche Titel ist ’ne Katastrophe: „Bebop Bars und weißes Pulver“ – warum kann man das nicht einfach „Die Unterirdischen“ nennen? Das hat bei Dylan dann zum „Subterranean Homesick Blues“ geführt… Na ja, Kerouac war das Kultbuch, das musste man lesen. Mir war aber damals nicht bewusst bei dieser Beat Generation, Ginsberg, William Borroughs, dass sich später mal Kontakt mit einem der Jungs haben würde, nämlich mit dem Maler Larry Rivers.

Das war der Maler der Beat Generation, in seiner bisexuellen Phase sogar eine Zeitlang mit Frank O’Hara zusammen. So kam das alles zusammen. Gut… Jazz…. im weitesten Sinne fand ich das ja auch prima, was die da gehört haben und hab’ mir gesagt, gut, ich kann das schon nachempfinden, dann hab ich ja irgendwann kapiert, dass die Beatles sich in diesem Wortspiel schon danach benannt haben…. aber es stimmt schon: Die Tatsache, dass es da um Be Bop ging, das hat man im weitesten Sinne einfach überlesen…. und um ehrlich zu sein: Von der Haltung her war das Rock’n’Roll 

Das Buch ist jetzt fünfzig Jahre plus alt

Ich hab’ dieses Buch eigentlich in jedem Jahrzehnt einmal gelesen,…. das steht mir jetzt noch bevor, ich hab es deutlich über 10 Jahre nicht mehr gelesen, und natürlich verändert sich deine Perspektive. Irgendwann war ich der Typ der jünger war als die zwei, dann war ich ungefähr so alt wie die zwei, und mittlerweile könnten es meine Söhne sein. Ich bin mal sehr gespannt, wie ich das empfinden werde, wenn ich das wieder lese. Ich habe’ es ja, um den Songtext zu schreiben, noch mal quergelesen, denn ich wollte keine falschen Namen und falschen Städte drin haben… Mit dem Schluss werden wir übrigens auch unsere Konzerte anfangen: „Deshalb, wenn die Sonne in Amerika untergeht und ich auf dem alten verwitterten Flussdamm sitze und die weiten, weiten Himmel über New Jersey betrachte….“

Es gibt ja jetzt die unzensierte, unlektorierte Urfassung.…

Jaja, die heißen da auch noch anders, und da ist einiges der Zensur zum Opfer gefalle, gerade was sexuelle Geschichten betrifft….

Nun kommt ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen des Buches die kölsche Rockband BAP und macht einen Song über „On the Road“

Aber das ist ja ein ‚Hut ziehen’….

Klar, aber muss man das nicht erklären? Liest jemand das Buch heute noch, bedeutet es den jungen Leuten soviel, wie es uns bedeutet hatte?

Ich denke schon, dass auch durch dieses Album… einige Leute hingehen werden und werden das lesen. Es war ja nun in der Tat so: Eigentlich war die Materialsammlung für Radio Pandora abgeschlossen. Dann kam der Helmut mit dieser Musik hinterher, und die war so klasse, dass ich dachte: Scheiße, wenn mir dazu noch was einfallen würde, wär’ prima. Aber ich wollte jetzt nicht irgendwas schreiben, und hab’ dann ’ne ziemliche Zeit gebraucht, mit dem Ding rumzurennen, auch um zu kapieren, wovon das alles nicht handelt…. und sitze eines Abends vor der Sendung Kulturzeit auf 3sat, es kommt ein Beitrag, dass heute dieses Buch seit 50 Jahren im Handel ist. Dann hab’ ich mir den Beitrag zu ende angeguckt, wusste aber schon am Anfang: Davon handelt’s. Ich bin hochgegangen in mein Arbeitszimmer, hab mir das Buch aus dem Schrank geholt, noch mal reingeguckt und hab’ die erste Version geschrieben. Ich hab’ dann festgestellt, ich muss das noch mal quer lesen, und hab’ dann ziemlich lang an dem Text rumgeschraubt. Die erste Version war einfach, aber dann …. will man sich ja auch nicht blamieren. Wenn man ’nen Text über ein Kerouac-Buch schreibt, will man ja auch keine Grütze abliefern.

Wat für e Booch wäre jetzt eine der Nummern, die unplugged keinen Sinn machen würde…. Was war denn überhaupt das Kriterium dafür, zu sagen: das gibt es nur unplugged, das gibt es in beiden Fassungen, das gibt es nur plugged?

Ein Kriterium war: wird es in der jeweils anderen Version eine neue Facette bekommen oder…. ja gut, okay, das sind jetzt also akustische Instrumente, das sind elektrische. Wenn das das Einzige ist, dann hat es keinen Sinn, dann braucht man es nicht machen. Ich hab ja dann während des Aufnahmeprozesse bei einigen Stücken noch mal um-entschieden – also beispielsweise „Duude Blume“ war mal vorgesehen in beiden Versionen, und dann wurde mir sehr stark bewusst: Wenn wir das Ding in ’ner Plugged Version einspielen, müssen wir uns die Geige verkneifen, und dann wird das ganze nicht mehr so ’ne fröhliche Country Nummer, sondern das wird dann auf einmal … angestrengter. In der Version wollt ich das gar nicht haben, ich wollte „Duude Blume“ fröhlicher…. obwohl: Michas Demo war plugged. Wenn wir lange genug rumgeforscht hätten, hätten wird für „Wat für e Booch“ wahrscheinlich auch ’ne Unplugged Version gefunden, die ’ne Facette dazugewinnt …. ich glaube aber nicht, dass es in der Qualität an die Stromfassung rangekommen wäre. Die Nummer lebt schon sehr von dem Brett. Bei „Diego Paz“ haben wir auch eine Zeitlang überlegt – machen wir davon ’ne Unplugged Version? Und irgendwann haben wir gemerkt, das ist ’ne mühsame Veranstaltung. Das ist ja ein Blues, hätte man mit Dobro wunderbar machen können, ich hab’ ein bisschen so in die Runde geguckt….. Jürgen meinte dann auch, „ach, lieber nicht“. Und dann hat sich das alles so gerichtet wie es gekommen ist. Übrigens „Kron oder Turban“ ist ’ne schöne Geschichte: Nachdem das Plugged Album fertig war und wir uns Anfang des Jahres getroffen haben, um an dem Unplugged Album zu arbeiten…. Das ging so: Morgens um 11 war der erste Kaffee getrunken, dann hieß es: okay was mach’n wir denn, hat einer ne Idee? Da sagte der Micha: Lass doch mal Halftime machen, und alle anderen Beteiligten: „Micha! Ehrlich!!“ Er blieb dabei: „Nee, kommt, lasst mal probieren…“ Gespielt, und genau das war’s. Da sind aber auch alle hinterher in der Lage, zu sagen: geile Idee. Das sagt viel über die Band aus, über den Zustand, in dem sie jetzt ist. Man hilft sich gegenseitig, statt sich zu blockieren. Das haben wir lang genug gehabt

Wie wichtig ist den der Produzent, in dem Fall Wolfgang Stach, mit dem ihr ja schon seit dem 3 x 10 Jahre Album zusammengearbeitet habt? Mein Eindruck beim Zuschauen und Zuhören im Studio war, dass er immer im Gespräch darauf hinarbeitete, alles auf die Essenz der Songs zu reduzieren, Konsens zu erzielen, dass jeder Schnickschnack wegbleibt.

Ein guter Produzent, und ich glaube, das gilt für alle Produzenten dieses Genres… für Produzenten, die Casting-Opfer produzieren, gilt was anderes… aber ein guter Produzent bestärkt Dich in allem, was du gut kannst und redet dir alles aus, was du nicht kannst. Dann finde ich für ’nen Produzenten wichtig, der mit BAP arbeitet, dass wir nicht höllisch überproduziert werden. Ein idealer Produzent, und das kann man nicht befehlen, sollte das Vertrauen aller Beteiligten genießen. Das war immer die große Schwierigkeit: Schwache Produzenten arrangieren sich mit dem vermeintlich stärksten Teil der Band, und dann fliegen paar aus dem organischen Gefüge durch die Zentrifugalkraft an den Rand. Über die Jahre des Tauziehens hab’ ich das gelernt, wie das läuft, wenn ein schwacher Produzent am Werk ist. Mack („Ahl Männer Aalglatt“) war, was das betrifft, ein schwacher Produzent, denn er hat sich mit der Ellbogen–Abteilung der Band arrangiert. Wolfgang Stach ist ’n guter Produzent, weil er objektiv ist, weil er alle Charaktere kennt, nun haben wir auch keine Lager mehr, und er sich da auch nirgendwo hineinziehen lässt. Du kannst alles mit ihm besprechen, der ist für alles offen, der hat auch einen guten Geschmack. Wir brauchen keinen Arrangeur als Produzenten, weil in einer Band die aus Produzenten besteht – und da bin ich… wie soll ich das sagen… das kleinste Licht. Das einzige Album, das ich je produziert hab’, hab ich nicht als musikalischer Produzent sondern inhaltlich betreut: das war das Zeltinger-Album Solo-Plaat… ich kann das nicht. Ich bin derjenige, der ins Studio kommt und wirklich, wie sich Lieschen Müller das vorstellt, mit der akustischen Gitarre was vorspielt und sagt: Jungs, da machen wir jetzt was draus. Das wird aber auch immer meine Lieblingsversion bleiben. Eine Band, mit der ich das nicht könnte, hätte bei mir auch kleine Chance

Zurück zu der „Unplugged“ Idee an sich. Wir hatten uns ja im Januar kurz darüber unterhalten, dass „Tonfilm“ in gewisser Weise eine halbgare Sache war: Einerseits unplugged, aber schon auch mit elektrischen Gitarren, andererseits – da wo es rocken sollte, hat es nicht wirklich gerockt… also ein Fehler?

Um das noch mal zu erklären, wie das damals war: Ehe die neue Besetzung zusammenkam, war schon klar: Wir werden ein Unplugged-Album aufnehmen, ich hatte zähneknirschend zugestimmt, dass es genau eben dieses Sesselpupser-Unplugged-Album wird: akustische Gitarren mit Streichquartett. Nachdem der Major dann ausgestiegen war, der das so wollte, haben wir den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen und uns gesagt: gut. dann machen wir das Unplugged-Album – aber anders. Da kann auch mal eine elektrische Gitarre dabei sein. Das hätten wir merken müssen, das das Unfug ist. Wir hätten einfach so lange warten müssen, bis soviel Material zusammen ist, das wir das nächste reguläre BAP Album, aber mit einer neuen Besetzung einspielen. Stattdessen war immer noch dieser Unplugged Gedanke mit im Hinterkopf, und damit sind wir dann auch auf Tour gegangen, und du weißt ja noch, was damals Gott weiß wo alles Stand: jetzt rocken die nicht mehr. Natürlich rockten wir mehr denn je. Wir hatten mit den neuen Leuten ja ’ne Band, da haben wir vorher nur davon geträumt! Jürgen war von der Kette, der durfte endlich reinhalten. Und dann warste auf Tour, und dann hat das ’ne Eigendynamik gekriegt. Plötzlich war die wichtigste Frage bei dem Tonfilm-Konzert: Wann haben wir sie alle von den Sitzen? Aber darum ging’s doch nicht – Rock’n’Roll handelt doch nicht vom Stehen oder Sitzen. Wir hätten vielleicht bisschen schlauer sein müssen, dann hätten wir und dieses Album verkniffen – aber wer weiß, wozu es gut war, denn es ist ein tolles Album – ich höre das nach wie vor sehr gern! Zwei, drei Stellen würd’ ich heute anders machen, da steht man schon stark auf der Bremse. „Nemm mich mit“ beispielsweise, wir waren froh, endlich mal ne ordentliche Studioversion davon zu haben, denn die Version vom „Bess demnähx“ Album, die ist ja das Grauen.

Ja, genau, ich hab’ mich da drüber gefreut, als die Tonfilm raus kam, und war dann doch etwas enttäuscht von dieser elektrischen Studioversion…

Na ja auf dem 3 x 10 Jahre Album ist dann endlich die Version, um die es geht.

Reden wir mal noch über ein paar einzelne Songs auf Radio Pandora. „Musik die nit stührt“ sehe ich als Fortsetzung von „Eddies Radio Show“…

„Eddies Radio Show“ ist aber ernster, das ist wütender. Ich weiß noch, wie ich das damals geschrieben hab’, ich hörte hier den Werner Reincke im Radio in irgendeinem… Scheißspot, und ich denk mir: so ein kompetenter Musikmann muss da so einen Rotz erzählen, das hat mich richtig wütend gemacht und deshalb ist das auch ein viel ernsteres Stück. „Musik die nit stührt“ is’n Comic, wie auch „Frau ich freu’ mich“ damals ’n Comic war. Da wird rumgeflucht, rumgeschimpft, aber letztlich siehste da irgendein HB-Männchen….

Wie weit regt man sich wirklich noch über das Radio, so wie es ist, auf? 2005 hast Du mir bei der Vorstellung des 3 x 10 Jahre Albums erzählt: Wir können uns das Radio nicht so machen, wie wir es gerne hätten, drum: Lass uns Musik machen.

Ja, die Gelassenheit ist nicht vorgetäuscht. Wir wissen, was wir niemals ändern werden, wir sollten uns auf unsere Fähigkeiten konzentrieren, und unseren Ruf als Live Band pflegen. Vorher ein ordentliches Album abliefern, damit die Leute sich auf die Konzerte vorbereiten können, denn wohlgemerkt: diese Tour heißt Radio Pandora Tour, und nicht „Greatest Hits Tour“.

Trotz allem immer die Frage: Wie werden die Leute es annehmen, also letztlich die Frage nach den kommerziellen Erfolgsaussichten…

Wie es aussieht, haben wir bei dem Album nun tatsächlich das Glück, dass ’ne Single dabei ist, es sind vielleicht zwei oder drei dabei, und die erste läuft ganz ordentlich im Moment. Aber wir sind keine Singles-Band, „Aff un zo“ ham’ wer Glück, „Aff un zo“ war ein Riesenglück. Ansonsten haben wir kontinuierlich gearbeitet. Und das ist mir auch am allerliebsten. Wenn ich mich hinsetzen müsste mit einem Imageberater, Marketingexperten und überlegen, wie ist denn der nächste geschickteste Move? Wie müssen wir denn unser Image verändern, wie müssen wir unsere Musik verändern? Das ist alles Bullshit. Mann! Ich hab 57 Lenze gesehen, der Hector hat 60 Lenze gesehen, der Jüngste hat 40 Lenze gesehen. Müssen wir noch irgendwelchen Marktstrategen folgen, haben wir nicht genug Essenz in uns, dass wir aus uns schöpfen könne und uns gegenseitig dabei helfen können, unserer Ideen zu verwirklichen?

Dazu braucht man eine Plattenfirma, die was tut. Wie es aussieht, habt ihr bei der EMI nach wie vor ein paar Überzeugungstäter im Rücken.

Ja Gottseidank. Erfreulicherweise haben wir jetzt in Köln bei der Emi noch einen Stamm von Leuten, denen dieses Album am Herzen liegt. Die könnten damit auch ganz anders umgehen, denn die Direktiven, die die aus der Zentrale in London kriegen, sind eigentlich gnadenlos. Wir sind die Band, die am längsten bei der EMI ist, seit 1981. Dieser Komplex, wo wir das Album aufgenommen haben, das war mal, inklusive der abgerissenen Gebäude, die du nicht mehr gesehen hast, das war mal die große deutsche Plattenfirma Electrola. Ein Paar von den Kämpfern sind fast so lange bei der EMI wie wir. Ich hab’ be diesem Album wie bei keinem der letzten zehn Jahre das Gefühl gehabt: jetzt wollen sie’s aber noch mal wissen.. das ist schön. Irgendwann in einem Interview bin ich ja mal auf diese aberwitzige Formulierung gekommen, dass ich mich als melancholische Frohnatur sehe. Da hab‘ ich nicht groß drüber nachgedacht, aber irgendwas hat das.

Ich sehe mich immer als einen skeptischen Optimisten….

Ja, genau, das ist auch so was! Also ich hab’ mir fest vorgenommen nie zum Zyniker zu werden, denn Zyniker sind ja nix anderes als enttäuschte Idealisten, das kann ich mir auch sparen dann, wat oll das… ich gestatte einfach der Welt nicht, mich dermassen zu enttäuschen… und ansonsten…. Ich find das Album sehr entspannt. Ne reife, entspannte Kapelle, und ich zähl mich da einfach mal dazu. Bei der Arbeit, da is nix aufgeregtes, da steht keiner aufm Tisch und macht einen Riesen-Berufsjugendlichen Alarm.. das sind entspannte Herren bei der Arbeit.

Es gibt ja auch kein wirkliches Gitarrensolo, außer bei Diego Paz … im Sinne von jetzt zeig‘ ich aber mal….

… ja, da hat er aber dann auch! (lacht) Übrigens Diego Paz ist die einzige Nummer, bei der die Musik zum Text gemacht worden ist. Ich hab damals in Argentinien vor diesem Scheißdenkmal, das mich wirklich rasend gemacht hat, gestanden und gedacht: Über da Gefühl musst du ganz schnell ‘nen Text schreiben. Das ging dann an mit einer kleinen Episode aus meinem Reiseführer über den Leuchtturmwärter, den es wirklich gegeben hat, daran hab ich die Geschichte aufgehangen, den Rest hab ich mir dazu komponiert anhand von ein paar Namen, die ich auf dem Denkmal gefunden hab. Ich hatte keine Musik dazu, ich hatte ja einige CDs mit, aber es hat nirgendwo dazu gepasst und mir selber ist auch keine eingefallen, und dann dachte ich mir, mach n Gedicht, was gut geachtelt auf Rock’n’Roll passt, und dann wird dem Helmut schon was einfallen. Das schönste in dem Zusammenhang ist seine Demoversion mit der ersten Textfassung. Die wird nie die Öffentlichkeit erreichen, aber es gibt Menschen, dies stehen jetzt schon auf der Liste, wenn es das dann irgendwann mal unter 20 Ohren zu hören geben sollte, die dann gerne dabei sein wollen…

Ich!

… der Ostfriese singt Kölsch. Das hatte noch einige Silben mehr, der sang das selber auf Kölsch, danach hab’ ich die Zeilen noch mal gekürzt… ostfriesisch, kölsch, englisch Wir haben die Version alle im Bandbus gehört, als wir zum einem Gig in Zürich gefahren sind, vergangenen Sommer Das Auto ist fast gegen die Leitplanke gefahren.  

Es gibt Leute, die dein Engagement immer mit dem Etikett „Gutmensch“ versehen, und damit bist Du dann der Schlechte….n

Ich finde nicht, dass die Einfluss auf mein Tun und Lassen haben sollten…. Umgekehrt: Soll ich ein Schlechtmensch sein? Es ist ja auch immer die Frage, wie man das bringt. Wenn da jetzt lauter redundante Dinge abgeliefert werden, wie Frieden ist toll, Krieg ist schlecht, da würde ich sagen: Jung, denk dir was andres aus. Das ist redundant, das braucht keiner. Rock’n’Roll handelt von Gefühlen, Musik handelt überhaupt von Gefühlen, das ist ein weites Terrain, da muss man auch was Ordentliches abliefern. Da darf einen dann auch nicht retten: Ich hab’s doch so gut gemeint. Da sind wir wieder an dem Punkt, wo der Satz gilt: Gut gemeint kann das Gegenteil von gut sen.

Überlegst… du dir genau was du sagst über dein Engagement in Afrika?

Während des Konzerts? Das ist ein Kunststück, das während des Konzerts so hinzukriegen,dass die Leute das instinktiv begreifen als eine Facette dieses Konzerts, als eine Facette der bearbeiteten Realität, die zu ihnen zurückkommt durch Songs. Und da jetzt nicht nur zu parlieren: Leute, ich muss mal gerade kurz ernst werden. Das muss man so knapp halten, wie es irgend nur geht, und darauf vertrauen, dass der Song den Rest macht. Bei den Open Airs imm Sommer letzten Jahres haben wir uns gesagt: Wir müssen den Song jetzt schon spielen…. Jetzt wieder en Jahr zu warten, während der Büprgerkrieg weitergeht, die Kinder weiter leiden. … lass uns das jetzt rausbringen, und das Thema schon mal anschieben, das war ‘ne gute Entscheidung. Ich bin wirklich rausgegangen nach der letzten Zugabe, wo ordentlich abgeräumt war, wo alle Facetten durch waren, wo man gelacht hatte, wo man gerockt hatte, die Leute wollten immer noch mehr und ich bin rausgegangen und gab gesagt: Leute, das Konzert ist eigentlich zu Ende, aber wenn ihr wollt, wir haben noch einen, da muss ich aber reichlich dazu erzählen.. Es war so mucksmäuschenstill überall. Es war mit nichts vergleichbar, was ich je zuvor auf der Bühne erlebt habe. Der Song ist so intensiv wahrgenmmen worden, die Downloads waren enorm, es ist ‘ne tolle Summe zusammengekommen, für Rebound. Bei der kommenden Tour wird es natürlich anders sein. Es wird im Programm sein, ich muss nicht mehr soviel dazu sagen. Ich muss einfach nur sagen: Draussen steht ein Stand, wenn ihr mehr zum Thema wissen wollt, dort könnt ihr euch die DVD abholen.

Worum genau geht es bei der Geschichte von Wolf und Skorpion?

Diese Geschichte hat meine Mutter mir erzählt, um michvor diesen Skorpionen zu warnen. Komischerweise hat sie mir die Story nicht erzählt mit dem Frosch und dem Skorpion – denn im Original ist das ein Frosch und kein Wolf, Oliver hat mich darauf hingewiesen. Ich hätte nie einen Song über einen Frosch und einen Skorpion geschrieben. Frosch rockt einfach irgendwie nicht.

Wie präsentiert ihr den Inhalt des Plugged/ Unpligged Albums auf Tour?

Der Schwerpunkt wird bei der Plugged-Geschichte sein. Wir haben ja das schöne Problem, dass es so viele neue Songs sind. Das heißt: dieses eine Drittel mit neuem Material werde ich versuchen, sehr weit auszudehnen. Erfreulicherweise haben wir ja vorher ein paar Warm Up Konzerte, wo wir austesten können, wie weit wir gehen können. Es werden einige von den neuen Songs, die wir beim ersten Warmup spielen, wohl beim zweiten schon nicht mehr da sein, aber ich werde Wert darauf legen, dass wir uns nicht verbiegen und Stücke aus dem Programm raus schmeissen, die uns wirlich sehr sehr wichtig sind.

Ich denke, wir haben jetzt wie Jahre lang getan, was auf der Verpackung stand: wir haben keine Mogelpackung abgeliefert. Jedesmal, wenn ich die Setliste gamacht hab‘, gab’s am Schluss Gewissenserforschung: Ist das Greatest Hits oder hast Du wieder was reingepfuscht? Wir werden auch dieses Mal keine Mogelpackung abliefern. Wir werden das Ding nicht „Radio Pandora Tour“ nennen und dann nur die Singles spielen. Und es werden auch Dinge drin sein, die nicht Greatest Hits sind – die wir aber ungeheuer gern spielen. Du musst dir das so vorstellen: ich hab‘ zuhause lauter kleine Pappkärtchen, ich bin an der Setliste seit gut einem Monat, ähnlich wie das immer im Studio hängt, das liegt bei mir auf dem Boden. Da ist ‘ne Resevebank, da sind die neuen Songs mit ‘nem gelben Selbstkleberzettel markiert und ich lege hin und her und hab’ momentan ‘ne ganz schöne Fassung, bei der mir allerdinsg bewusst ist, dass der eine oder andere noch kommt und sagt: Wieso ist da eigentlich das Stück Soundso nicht drauf? Wenn wir dann in Saarbrücken mit dem ersten wirklichen Tourkonzert anfangen, dann werden wir schon annähernd an dem sein, was laufen kann… wir werden auch nach der Lichtburg schon merken, welche Songs zünden wirklich live und welche Songs sind prima, reicht aber, wenn sie auf dem Album snd. Das werden wir merken. Man darf da nix hindrängeln, wo es nix zu suchen hat. Man muss auch Rücksicht nehmen auf Leute, die ein bisschen anders unterwegs sind, die sich zum Beispiel gefreut haben über „Röwwer noh Tanger“ auf dem „Sonx“-Album. Es war bei vielen Leute ein sehr beliebtes Stück – aber es war nie „Hände hoch“. Daran merkste, ob es ein „Greatest Hit“ ist – sind da die Hände oben? In der erste Fasung der neuen Setliste war es draussen, schweren Herzens, es war noch nicht mal mehr auf der Resevebank, dann war‘s auf der Reservebank, auf einmal war’s wieder drin. Momentan ist es drin. Man sollte auch schon mal auf die Fan-Setlisten auf den uns geneigten Pages reinkucken. Ich hab’ zum Beispiel lange gebraucht, um dahinter zu kommen, wie beliebt „Chippendale Desch“ ist. Ich hatte gedacht, das ist’n Stück, das haben wir von Tour zu Tour durchgeschleppt, weil wir es gern mögen, und auf einmal kommt so’ne Fan-Hitparade, und das ist Top Ten, das hat mich umgehauen. Das darf nicht wahr sein. Die lieben dieses Stück für meine Mitter! Das ist schön, das ist schon schön.  

So jetzt mal zu deinen Helden? Die erste Platte, die wirklich wichtig war?

Ich kann dir sagen, was die erste Single war, die ich besessen hab’. Die hat natürlich mein Leben verändert, und dann kam die zweite, dritte, und vierte Single, auf denen allen das Label Odeon war. Meine erste Single war „From Me To You“. Das hab’ ich noch nicht kapiert, dass die Band Beatles heißt, die hieß für mich Odeon, dann wollt ich noch so eine haben, hab’ ich noch eine gekriegt, da stand auch Odeon drauf. Dann hab’ ich’s gemerkt

Und dann gab es bald eines der entscheidenden Alben, aber viel später – das „Desire“- Album von Dylan…..

Dann kam die Stelle, wo entschieden war, was der Junge denn mal werden sollte, nämlich nach meinem Kunststudium. Da machte ich Zivildienst, fuhr Essen auf Rädern rum mit einem Dylan-Wahnsinnigen, der hatte nur Dylan Songs, nur Dylan Kassetten dabei. Ich hatte aufgehört, das zu verfolgen, als ich mit dem Studium 1970 angefangen hab, bis dahin war ich auf dem Laufenden. Aber ich hatte entschieden, die Malerei mach’ ich jetzt hundertprozentig, gucke nicht mehr links und rechts, was sonst noch ist… Dieser Typ hatte also ständig dieses „Desire“ Album dabei, das war gerade frisch erschienen, der hat mir soviel von Dylan erzählt, dass ich alles gekauft hab, was zwischen 1970 und 1976 erschienen ist, und dieses Album hat mich dazu gebracht, wieder mit der Musik anzufangen. Ich hab dann wieder die Gitarre in die Hand genommen, und hab mir die Songs rausgehört – und das waren auch die ersten Songs, die wir mit BAP gespielt haben Es wird Leute geben, die laut loslachen, wenn ich das sage: Eigentlich war dieses Album Punk. Patti Smith war Punk, Bob Dylan war Punk. Bob Dylan hatte in einer Phase, nachdem er lange sehr häuslich gewesen war, durch einer Ehekrise den Weg wieder auf die Straße gefunden, hat Leute zusammen gesammelt, mit denen er ganz spontane Sachen gemacht hat, diese Rolling Thunder Revue war epochal: Jeden Abend neue Gaukler Schauspieler, Literaten, Musiker, die jeden Abend eine neue Zelebration stattfinden ließen. Diese Tour ging in kleinen Holiday Inn Foyers der amerikanischen Gründerstaaten an, und das wurde dann wirklich ein rollender Donner, das wurde immer größer, ging in die großen Sportstadien. Da war auf einmal etwas in Bewegung gekommen, was überhaupt nicht den normalen Mechanismen entsprach. Kommerziell eigentlich von vornherein als Debakel angelegt, und es gab eben dieses Album. Dieses Album hat das alles schon transportiert. Ich wusste das alles nicht, was da vorher schon passiert war… Das Album hat transportiert, dass da ’ne Menge williger Musikanten im Studio ist, und die musizieren zusammen im Gegensatz zu: Da sind ein Haufen gemietete Mucker und die liefern ab. Es war das Jahr in dem auch mein Freund Rainer Groß, der war mit mir und Schmal zusammen in New York… und der ist dageblieben…. als der ankam und das erste Ramones-Album anbrachte, über das ich mich auch weggefreut habe… zu dem Zeitpunkt konnte es ja nicht kompliziert und undurchschaubar genug sein, es war das tollste, nicht zu kapieren, was Yes da veranstaltete, Genesis, Emerson Lake & Palmer… Gentle Giant. Was die Brüder da ablieferten, haste nicht mehr kapiert als kleiner Garagenrocker. Was waren das für Instrumente? Strings? Aha! Komplettes Geigenorchester. Is’ ja unfassbar. Und da hat auf einmal einer wieder einen Song geschrieben, und die die da waren, haben mitgespielt. Die gabelten noch an ’ner Straßenkreuzung ’ne schwarzhaarige Geigerin auf, und Dylan fragte, ob sie das auch spielen könnte, was er da im Koffer hätte. Ja okay, soll sie mal mit ins Studio kommen: Scarlett Rivera, die dieses ganze Album geprägt hat mit ihrem Geigenspiel, Zigeunerfiddle. Das hat eine unglaubliche Stimmung gekriegt dadurch… die Geschichte hab ich ja oft erzählt auf der Bühne, wie oft wir uns am Anfang gewünscht haben, die Tür würde aufgehen und so’ne Art Scarlett Rivera würde reinkommen… Mit der Anne haben wir die jetzt in blond. Auch die Geschichten, die erzählt werden sind fantastisch. Nimm dir mal ’nen Song wie „Joey“, das ist eigentlich eine andere Geschichte – aber eigentlich auch alle drei Folgen von „Der Pate“. Oder nimm „Hurricane“, das hat in der Erzählweise Pate gestanden bei unserem Album, beim Song „Diego Paz wohr nüngzehn“. Bei „Hurricane“ ist mittendrin übrigens wein Riesenfehler, ich freu’ mich immer schon auf den Fehler! Dann ist da „Sarah“, in dem man erfuhr, wo er „Sad Eyed Lady Of The Lowlands“ geschrieben hat, nämlich im Chelsea Hotel…. Oder das Stück, das mich zu Joseph Conrad gebracht hat: „Black Diamond Bay“. Ich hab irgendwo gehört, das hat was mit einem Joseph Conrad Roman zu tun, dann hab ich angefangen, Joseph Conrad rauf und runter zu lesen.