Die Empathie-Schleuder aus Essex

Beans On Toast alias Jay McAllister im Jubez, Karlsruhe, 4.4.2019

Als Jay McAllister vor fast 15 Jahren zum ersten Mal von sich reden machte, pflegte er angeheitert, auf einem Stuhl stehend, sein Publikum barfuss zu beglücken. 2007 begeisterte er Massen beim Glastonbury Festival – in der Hauptstadt der Hexen und Zauberer. Karlsruhe ist nicht Glastonbury, die Publikumsmassen sind überschaubar aber willig, sich verhexen und verzaubern zu lassen. Allister steht mit beiden Beinen auf dem Bühnenboden, und ober er getrunken hat? Wer weiss. Aber der Knabe, der da als One Man Band unter dem sehr englischen Bandnamen Beans On Toast auftritt, hat schon was magisches, auch wenn seine Texte und Sonmgs dermassen im echten, gelebten Leben verwurzelt sind, dass es geradezu scheppert.

Zu feinperliger Gitarrenbegleitung haut er (gesanglich eher grobklotzig) seine An- und Einsichten in Wortschwall-überladnen Liedern heraus, und was dabei rumkommt sind alles andere als platte Parolen. Obwohl er wirklich einer dieser selten gewordenen Protestsänger alter Schule ist, obwohl er seine Gegner da sucht, wo sie auch alle anderen seines Schlages suchen und finden. Die „fucking stupid politicians“, die Brexiteers, der Präsidentendarsteller im weissen Haus, der allüberall marschierende Fachismus, der Kapitalismus sowieso. Bei ihm vermengt sich all das zu einer Persönlichen Betroffenheit, die aber meilenweit entfernt ist von der tranfunzeligen Betroffenheit von Walverstehern und Menschen, die mit Bäumen diskutieren. Würde er mit einer lauten elektrischen Band im Rücken auftreten, könnte er mit dieser Haltung als Bruder im Geiste von Frank Turner durchgehen, für den er auch schon mal das Vorprogramm bestritten hat. Sein Song über das Brexit-Referendum ist ein gehetzter Rant: „It was a fucking big lie on a big red bus, these fucking politicians are a right bunch of cunts“. Darauf folgt der entwaffnende Refrain, gerichtet an die EU: „Entschuldigung, Friede auf Erden“. „Nuff said“, wie wir Anglophilen zu sagen pflegen. McAllister schaut vor allem nicht nur nach innen, sondern beobachtet Menschen, die ihm nahegehen und schüttet kübelweise überschäumende Empathie über ihnen aus. Das fängt bei seiner neugeborenen Tochter an, und das hört nicht auf bei Jamie und Lillie. Die eine Krankenschwester, die andere Lehrerin. Er singt von ihre aufopferungsvollen Arbeit für die Menschen, und dass sie dafür viel zu wenig zurück kriegen, aber sie haben eben sich, und wenn sie sich haben, dann tanzen sie. Ob die beiden nun real sind, und ob er sie wirklich nach einem Konzert in Brighton getroffen hat und sie sich gemeinsam in den Orkus gesoffen haben, sei dahin gestellt. Aber auch das kann ein guter Storyteller: Das Publikum dorthin entführen, wo es ihm jedes Wort glaubt.. „If you want to change the world, start treating everybody how you’d like to be treated,” sagte er gegen Ende des Konzerts. Das fängt damit an, dass man nach einem großartigen Festival seinen Müll und sein Zelt nicht einfach in der Landschaft rumliegen lässt. Wahrscheinlich ist er der einzige, der diesem Thema jemals einen Song gewidmet hat. Er sollte Nachahmer finden. In Themen wie diesem und im Zelt wieder mitnehmen.