Pathos und Bewegung

Blackout Problems, Tollhaus, Karlsruhe, 17.1.2019

Die Zeit der großen, dramatischen Intro-Tapes scheint wieder zurück: Es brodelt und wallt, der Adrenalinspiegel steigt, hinterm Schlagzeug leuchtet spannungsfördernd ein Lämpchen und Sekunden später bericht der Sturm los. Sänger Mario Radetzky belfert „How The Fuck Are You Doing“, und seine Mannen zimmern ein flaches, effektives Klangbrett. Hart rockend, aber kein Hardrock. Alternative aber niucht schraddelnd? Überhaupt: Was soll das heissen? Dass es keine Gitarrensoli gibt? Vielleicht so: Energie aus dem Punk entliehen, Refrains und Melodien mit höchster Pop-Affinität. Pathos-Faktor: Erschüttert und erschütternd.

Es geht immer um Leben und Tod, mindestens. Es ist Mottomusik, und das Motto lautet: Jetz. Alles. Sofort. „Wir sind hier, um das Level zu raisen“, hatte der stets am Rande seiner Stimmkapazitäten einher schreiende Frontmann fingerfuchtelnd angekündigt. Es klingt wie ein Befehl. Und wie sie raisen. Im Brachialbratz von „The City Won‘t Sleep Tonight“, umwölkt von süffigem Dosenschwall aus der elektronischen Klangzauberkiste, eskaliert der Moshpit. „We paint the skies blue, we paint the streets red.“ Die Elekronik flirrt und sirrt, während die megalomanischen Gitarren sie umfönen, und Mario die nächste, anderslautende und dennoch identische Botschaftr immer und immer wiederholt: „We came to raise the Limit“.

Wenn es dann von der Bühne schallt: „It never makes a difference“, kommt es aus dem Saal wie bei einem frommen Call and Response Gesang zurück: „Nothing keeps us moving“, wieder und wieder. Ach, es sind die schönen alten Lügen der Männer, die sich größer machen als alles andere auf der Welt und dann ihrem Publikum erzählen, sie seien doch alle ein große Familie. Diese Lügen großer Showstars, die immer noch funktionieren, und die diese jungen Männer so gut gelernt haben. Und das ist gut so. Das ist das eherne Gestz der „Bigger Than Life“ Attitüde einer komplett durchkalkulierten Rockshow von Anbeginn an. „Seid Ihr bereit, noch mal alles zu geben, was ihr habt“, heisst die Frage und die Antwort sind springende, schwitzende Körper mit selig entrückten Gesichtern obendrauf.

Wenn sie sich in den brachialen Viervierteltakt von „Queen“ stürzt zählt die wogende Masse immer mit, bevor der nächste Break explodiert – und das zackige „Eins zwei drei vier“ klingt wie beim Marschieren.Bis der nächste grob geklotzt ultrapathetische Klangnebel ausgerollt wird, eine mindestens zehn Stockwerke hohe Feierlichkeit. Im Video zum Titelsong der aktuellen CD „Kaos“ sind die Jungs in Zwangsjacken zu sehen, und das hier besungene „Sweet Sweet Chaos“ mit seiner kalten Elektronik versus menschliche Emotion subsummiert perfekt den Gesamteindruck des Konzerts.