Damenwahl (2020)

Dramen mit Damen

„Damenwahl“ im Tollhaus, Karlsruhe, 19.6.2020

Die neunte „Damenwahl“ sei die einzige Veranstaltung, die nie verschoben wurde, freut sich Tollhaus-Geschäftsführerin Britta Velhagen. Jetzt sind sie also tatsächlich da: Fünf witzige Frauen plus Gastgeberin Antje Schumacher spielen vor hundert echten Menschen, und letzterer ist die Freude darüber so deutlich anzusehen, dass man schon allein darüber lachen mag. Ein befreiendes Lachen, denn man merkt Antje Schumacher an, wie sehr ihr die Bühne gefehlt hat.

Doch sie fasst sich kurz, spielt inbrünstig ein paar ihrer „Greatest Hits“ und überlässt weitestgehend den Kolleginnen die Bühne Katrin Piplies und Betty LaMinga waren bereits im vergangen November ein Höhepunkt der „Sisters Of Comedy“-Veranstaltung im Tollhaus. Nichts vorzubereiten ist ihr Prinzip, die Qualität der Auftritte der beiden „Spontankabarettistinnen“ steht und fällt demzufolge auch immer mit dem Publikum, das ihnen die Stichworte zuruft, aus denen sie dann Improtheater machen. Wenn sie etwa mit dem Wort „Höhensonne“ ein Drama machen, das unter anderem sogar in absurdeste Science-Fiction-Szenarien mäandriert, obwohl sich manch einer doch die ganze Zeit über sicher fragt: Was war das eigentlich nochmal, diese Höhensonne?  

Ganz großes Kino ist eine Szene, in der Katrin Piplies vor der Tür ihrer Nachbarin Betty LaMinga steht, und sich zwei Eier leihen will. Das kregle Publikum fordert die Inszenierung als Schmachtfetzen, und Piplies greift sich genregerecht mit großer Geste ans Herz und raunt gefühlig zitternd „sie haben zwei Eier für mich obwohl ich sie gar nicht kenne!“ Vorm geistigen Auge des amüsierten Betrachters steht ein imaginärer Yellow-Press-Repoter neben dieser Szene.

Anny Hartmann, die politische Kabarettistin unter den Damen, macht ein paar aktuelle (Ab)rechnungen auf. Wiewohl ganz Kabarett alter Schule, bohrt sie doch treffsicher und mit nachfühlbarer Kampfeslust in den Schlagseiten der aktuellen Politik zu Corona-Zeiten. Eher beiläufig macht sie darauf aufmerksam, warum Fussballer im Monat achtmal soviel verdienen wie ein Pflegekraft im ganzen Jahr: „So‘ne Pflegekraft schiesst einfach keine Tore“. In Hartmanns Rundumschlag gibt es keine Gnade für Abmahnanwälte, Friedrich Merz und sogar die längst vergessene Familien Ministerin Kristina Schröder, die die Kabarettistin offenbar nachhaltig traumatisiert hat. Schröder habe als Teenager ein Plakat der Jungen Union an der Wand gehabt. „Solche Leute dürfen keine politischen Entscheidungen treffen“, verfügt Hartmann. „Ich hatte mit 14 ein Plakat von Modern Talking an der Wand, deswegen mache ich ja keine Musik“.

Den Schlussakkord setzen die Wahlmünchnerinnen Claudia Schuma und Irene Weber alias „Die Puderdose“, von Antje Schumacher als „Kabarett mit Kopulationshintergrund“ angekündigt. Kann man so sagen: Da wird schon mal ein Supermarkteinkauf zu einer orgiastischen Veranstaltung, aber da ist auch eine Plage, die Mütter befällt: Die „Stilldemenz“. Ein Symptom ist, wenn man den Einkaufswagen gedankenverloren hin und herwiegt, bis die Verkäuferin spricht: „Sie können damit aufhören, das Waschpulver ist eingeschlafen“.