„Da war so viel Schönes dabei“

Die Schöne Mannheims, Tollhaus, Karlsruhe, 11.12.2016

Die meisten Künstler, die man unter den vagen Begriff „Musikkabarett“ einsortiert, können entweder Musik gut oder Kabarett. Die Schöne Mannheims können beides, und eigentlich ist es auch kein Musikkabarett, was sie am Sonntagabend auf der Tollhaus-Bühne zelebrierten. Denn ihre kabarettistischen Talente benutzen sie nur selten, um auf Missstände da draussen in der Welt zu zeigen. Gut, mit Ausnahmen: Wenn etwa stimmgewaltig der zum Veganer konvertierte Hund verspottet wird: „Anstatt die Katzen zu jagen, will er nur noch Gemüse nagen“. Im übrigen geht es – der Programmtitel sagt es, um die eigene „Entfaltung“.

Die begnadeten Stimmen Anna Krämer, Smaida Platais und Susanne Back und ihre Pianistin Stefanie Titus führen in ihrer turbulenten Show vor allem die Macken nicht mehr ganz junger Frauen vor beim Bestreben, knitterfrei zu bleiben. Mit diesen Singstimmen können sie dabei überall hin: Von opernhaft bis rau aber herzlich, von verträumt-verschnulzt bis angeheitert volkstümlich reicht ihr musikalischer Kosmos, der dann seine witzigste Ausstülpung erfährt, wenn bekannte Hits neu betextet werden. Wenn die Damen mit Unschuldsmine auf Bruce Springsteen „Fire“ ein Feuer entfachen mit den Worten „Ich krieg die fliegende Hitz“, dann antwortet der Saal mit wohlverdienten Lachmuskelzuckungen. Und wenn sich dann in „Excited“ noch Brachialerotik mit Mannemer Dialekt paart, ist sowieso alles zu spät. Da pumpt sich Smaida Platais als Wuchtbrumme zur Frontalattacke auf und schmettert: „Mach kää G’schiss, stell Dich net aa, du bisch‘ jetzt draa!“ und man möchte vor lauter Angst in Deckung gehen.

Die Voraussetzung für das Funktionieren dieser Art Humor erfüllen die vier aufs Trefflichste: Perfekte Arrangements paaren sich mit einem ausgeprägten Gefühl für das richtige Timing. Und wie sie es schaffen, die Übergänge zwischen den Liedern und dem gesprochenen Wort so zu gestalten, ohne es als bloßes routiniertes Abspulen einer Nummernrevue erscheinen zu lassen, das bleibt allein ihre Geheimnis.

Der Witz funktioniert auch mal ganz ohne Musik: Da sitzen sie auf dem Bänkchen und spielen eine Selbsthilfegruppe für Frauen mit Phobien. Die eine kriegt die Krise, wenn sich jemand entschuldigt, die nächste zuckt bei Wiederholungen zusammen und so entwickelt sich ein Gespräche, das zunehmend ins Absurde kippt, weil infolge der gesammelten Phobien irgendwann keine mehr den Mund aufmachen kann. Und doch sind sie sich einig: „Es war so viel Schönes dabei“. Ganz viel Schönes bietet auch die schrille Parodie der von Anna Krämer dargestellten vollkommen überdrehten amerikanischen Motivationstrainerin, die flügelschlagend diesen crazy germans beibringen will, wie man sich auf der Bühne richtig verkauft und dabei den irrwitzigen Versuch unternimmt, aus Suasanne Back – die bis dahin als das nette Mädchen von nebenan erschiene war – einen Zahnpastalächeln fletschenden Vamp zu machen. „My husband is Schönheitschirurg. Er sagt: Impantieren ist expandieren“. Wo endet das alles? Rückenschmerzen. Da braucht es dann schon mindestens Rieslingschorle, um sich wieder zu entfalten. Deren Loblied gar fröhlich in der Zugabe angestimmt wird.