Nah am Meer gebaut

„Double Tonic“ stellten CD „No Frontiers“ vor, Kabarett in der Orgelfabrik, Karlsruhe, 30.5.2008

Es klingt, als entstiegen die Akkorde dem Meer, als pirsche sich die Musik vorsichtig an Land. Zuerst ist da die Landschaft, dann die Langlandschaft, dann kommt der Song, dessen Ursprung in der keltischen, meist schottischen Musik liegt. Das ist das Prinzip der Musik von Double Tonic. Wolfgang Klockewitz (Komponist, Pianist und Arrangeur) und die Sängerin Yvonne Arnitz und ihre Mitstreiter Klaus Buchner (Saxophon, Flöte), Uwe Lehmann (Bass) und Matthias Klittich (Schlagzeug) haben sich der keltischen Folklore angenommen, um sie neu arrangiert in einen im weitesten Sinne jazzigen Kontext zu stellen – wobei auch Grenzüberschreitungen Richtung Pop erlaubt sind.

„A Celtiv Jazz Affair“ heißt die CD „No Frontiers“ im Untertitel, die das Quintett am Freitagabend in der Durlacher Orgelfabrik live vorstellte. Wer hier einen Zusammenprall nicht vereinbarer musikalischer Kulturen erwartet, wird schon im ersten Song „Bonny Boinny“ eines besseren belehrt. Nichts wird hier an zusammengezwungen. Die Könnerschaft liegt vielmahr darin, zu wissen, wo der Song dominiert, und wo man loslassen kann, um den Instrumentalisten ihren Raum zu geben. Da werden die Strophen getragen von der warmen Mezzosopran-Stimme der gebürtigen Schottin Arnitz, während die Band eher wie eine dezent agierende Rockband spielt. Erst wenn alles gesagt und gesungen ist, schwingt sich der Klangkörper zu einer weiteren Interpretation auf.

In „Jacobites“ führen die Musiker vor, wie die Verbindung von Folk und Jazz die Akzente verschiebt. Mit Flöten und Saxophonen zieht man nicht in den Krieg. Im Vergleich etwa zur Folk-Rock-Liaison tritt das Martialische, marschhafte, weit in den Hintergund und weicht einer melodiesatten Beschwingtheit und Verspieltheit (die aber nie zum Selbstzweck wird), die sich durch den Ganzen Abend zieht. Da ist es nahe liegend, dass Ivonne Arnitz doch gelegentlich in ihren Ansagen den dramatischen Aspekt der Themen dieser meist traditionellen Lieder „extra“ unterstreicht.

Soa erfährt man über die Katastrophe von Blantyre, bei der eine Explosion am 22. Oktober 1877 mindestens 120 junge Bergleute dahinraffte. Künstler wie Dick Gaughn. Luke Kely oder auch die STrawbs haben dieses Lied gesungen. Double Tonic lässt sich viel Zeit, die Stimmung vorzubereiten, in der Yvonne Arnitz eine Totenklage wie ein beschwörendes Mantra vorträgt. Da muss danach schon einmal ein ausgelassener Tanz als „Stimmungsausgleich“ her.

Der zweite Teil des Konzert gehört dann überwiegend wieder der Ballade. Hier fügen sich gleich tu Beginn die Gunst der Abendstunde und der „Genius Loci“: Durch die offenen Fenster weht jetzt ein erlösender Abendwind wehrt, harmonisch zur musikalischen Schwere. Die sich mit drei geschickt aufeinander folgenden Stücken zur meerestiefen Programmmusik aufschwingt. Schlagen da nicht die Wellen an das Gemäuer der Orgelfabrik? Noch einmal erlauben sich die Musiker eine Abschweifung zu popigeren Gefilden: „No Frontiers“, das bereits in Vorlagen von Mary Black und the Corrs existiert. Auf der Zielgeraden gibt es dann wieder Tanzbares. Da allerdings macht sich das Fehlen einer „echten“ Fiddle doch bemerkbar.